„Was im Bus passiert, bleibt im Bus“: Jaap van Hulten über das Leben als Fahrer eines Radprofi-Teambus

„Was im Bus passiert, bleibt im Bus“: Jaap van Hulten über das Leben als Fahrer eines Radprofi-Teambus

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Während der großen Rundfahrten verbringen die Radprofis viel Zeit im Teambus. Dieser wurde so ausgestattet, dass kein Wunsch der Profis offen bleibt. Eine Person, die Roglic und Co. ziemlich nahe kommt, ist Jaap van Hulten. Der Niederländer gibt einen Einblick in sein Leben als Busfahrer bei Jumbo-Visma.

„Der Bus ist eigentlich ein riesiger Camping-Wagen“, beschreibt Jaap van Hulten seinen „Schatz“. Der Holländer ist der Busfahrer des Teams Jumbo-Visma bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt. Er sorgt dafür, dass die Radprofis sicher von A nach B kommen. „Bisher finde ich dieses Abenteuer eine richtig coole Sache. Es macht mir viel Spaß“, sagt er. Van Hulten feiert bei diesem Giro sozusagen seine Jungfernfahrt. Es ist nämlich das erste Mal, dass er in Diensten des niederländischen Teams hinter dem Steuerrad sitzt.

Dabei kamen viele Zufälle zusammen, warum er letztendlich mit der Mannschaft unterwegs sein kann. Denn Van Hultens eigentlicher Beruf hat wenig mit Busfahren zu tun. Er ist nämlich Leiter eines Bachelor-Sportmanagement-Studiengangs an der Universität Amsterdam. Seine Bekanntschaft mit dem Manager des Teams öffnete ihm jedoch die Türen. „Im Dezember letzten Jahres saßen wir beim Mittagessen zusammen an einem Tisch und haben über alles Mögliche in unseren Leben gesprochen. Aus Neugier fragte ich ihn, wie es mit dem Team so laufen würde. Er sagte mir, es gäbe an sich nichts zu beklagen. Doch aufgrund eines neuen Projekts würde noch ein weiterer Koch gesucht“, erinnert sich Van Hulten.

Immer mal was Neues

Und wie der Zufall es so wollte, ist seine Frau Köchin von Beruf. Nur kurze Zeit später wurde ihr die positive Nachricht mitgeteilt, dass sie in diesem Jahr bei einigen Rundfahrten dabei sein würde. Spanien, Italien und Frankreich standen u.a. auf dem Programm. „Da wurde ich schon ein wenig neidisch“, sagt er. Aus diesem Grund habe er aus Spaß nachgefragt, ob nicht noch eine Stelle für ihn frei wäre, vielleicht sogar als Busfahrer. In der Vergangenheit habe er nämlich so manche Erfahrungen in diesem Bereich sammeln können. Und wie es Fortuna so wollte, war zu dieser Zeit dieser Posten dünn – oder anders gesagt gar nicht – besetzt. Einer der routiniertesten Fahrer im Team, der u.a. schon 25 Mal bei der Tour de France am Lenkrad saß, musste aufgrund einer Verletzung im Nackenbereich für den diesjährigen Giro passen. Nach kurzer Abklärung mit seiner Dienststelle nahm sich Van Hulten der Herausforderung an. „Aus einer Schnapsidee wurde so schließlich absoluter Ernst“, sagt er.

Bisher bereut er keine Sekunde, dass er diesen Schritt gewagt hat. Jeder Tag bringt etwas Neues und Spannendes. Die größte Herausforderung sieht er momentan darin, mit der Fahrweise der Italiener zurechtzukommen. „Zum Glück fahre ich schon seit knapp 30 Jahren nebenberuflich mit dem Bus. Denn ohne diese Erfahrung würde es schief ausgehen. Das wäre mir ansonsten auch zu gefährlich“, scherzt er.

Was Van Hulten zudem schätzt, ist das kollegiale Verhältnis mit den Radprofis. Vor allem bei großen Rundfahrten, an denen man über mindestens drei Wochen jeden Tag zusammen ist, wird der Teamgeist gestärkt. Seiner Meinung nach ist dies auch wichtig. „Wir pflegen einen lockeren Kontakt. Sie haben auch allen Grund, mich gut zu behandeln. Schließlich liegt es auch in ihrem Interesse, dass sie jeden Tag heil in der nächsten Stadt ankommen“, lacht er.

Wie in Las Vegas

Der Niederländer ist auch des Öfteren bei den Teammeetings dabei. Diese finden meistens vor und nach den Rennen im Bus statt. Er wird in diesen Momenten zu einem stillen Beobachter, der sich aber auf diese Weise ein großes Insiderwissen aneignen kann. „Ich bekomme wirklich alles mit. Ich weiß z.B. über die Taktik für eine jeweilige Etappe Bescheid. Auch persönliche Gespräche oder Telefonate höre ich ungewollt mit“, verrät er. Aber mit diesen Geschichten ist es ein wenig wie mit Las Vegas. „Was im Bus passiert, bleibt auch im Bus“, sagt er. Kein Wort soll an die Öffentlichkeit gelangen, denn es ist von großer Bedeutung, dass der Wohlfühlfaktor innerhalb dieses Aufenthaltsraums gewahrt bleibt. Die Radprofis schlafen zwar während der Etappenrennen jeden Tag in einem anderen Hotel, aber der Bus bleibt über die ganze Zeit ihr Zuhause.

Die Pflichten eines Busfahrers gestalten sich vielfältiger, als man dies vielleicht zuerst meinen könnte. Sobald der Bus abgestellt ist, kontrolliert er den ganzen Bus, ob ihm nichts Ungewöhnliches auffällt. Ist dies erledigt, so kümmert sich Van Hulten um das Aussehen des Fahrzeugs. Mit einem integrierten Wasserschlauch putzt er dann die Außenseiten des Busses ganz ab. Vor allem an regnerischen Tagen – wie dies in der ersten Giro-Woche oft der Fall war – musste Van Hulten den Bus öfters aufpolieren. „Wir verfolgen im Team eine klare Philosophie: Wenn wir mit Leistungen auftrumpfen wollen, müssen wir auch außersportlich glänzen. Das gilt dann auch für die Autos und den Bus“, sagt der Fahrer.

Eine gewisse Hektik 

Bisher kommt der 50-Jährige auch gut mit den Umständen des Giro zurecht, obwohl der Stresspegel an manchen Tagen schon etwas höher ist. „Oft muss alles sehr schnell gehen, auch deshalb, weil die Radprofis in kurzer Zeit in ihrem Hotel ankommen wollen, um zu essen oder sich behandeln zu lassen. Auch im Start- und Zielbereich, wo man die Busse abstellt, kommt des Öfteren eine gewisse Hektik auf“, sagt er. „Doch ich muss zugeben, dass es nicht dermaßen stressig ist, wie viele Kollegen mich vorgewarnt hatten.“

An den meisten Giro-Tagen herrscht aber vor dem Bus vor und nach der Etappe großer Andrang. Das hat auch einen guten Grund: Im Team Jumbo-Visma fährt Primoz Roglic, der heißeste Anwärter auf das Rosa Trikot in diesem Jahr. Diese Favoritenrolle gibt dem Team mehr Aufmerksamkeit als gewohnt. „Viele Leute warten vor dem Bus und wollen ein Autogramm oder ein Foto erhaschen“, sagt Van Hulten.

Was den Fans aber verborgen bleibt, ist die ganze Ausstattung des Busses. Dort, wo sich bei normalen Bussen der Laderaum für das Gepäck befindet, sind an dieser Stelle u.a. eine Waschmaschine und ein Generator, der den Bus völlig unabhängig macht, untergebracht. Der Innenraum dagegen ist in drei Bereiche eingeteilt: Ein Badezimmer, ausgestattet mit u.a. vier Duschen, ein Küchenraum und ein Aufenthaltsbereich mit insgesamt acht Sitzen für die Radfahrer und zwei für die Sportlichen Leiter. „Es mangelt den Jungs auf jeden Fall an nichts“, sagt Van Hulten abschließend, der jetzt noch spannende (Fahr-)Tage in den Bergen vor sich hat.