Auf der Jagd nach dem Gelben

Auf der Jagd nach dem Gelben
(Tageblatt-Archiv/Gerry Schmit)

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Die 102. Tour de France ist in den Startlöchern. Sie verspricht Spannung pur. Dabei hofft ganz Holland, dass Tom Dumoulin sowohl der Hitze als auch den Gegnern trotzt und am Abend in Utrecht das „Maillot jaune“ überstreift.

Es kann losgehen. Die Zeit des Versteckspiels und der Spekulationen ist vorbei. Wenn heute um 14.00 Uhr in Utrecht in der Truus van Lierlaan Daniel Teklehaimanot aus Eritrea als erster Fahrer auf den Parcours der ersten Etappe der Tour de France geschickt wird, ist vieles Makulatur, was vorher geschrieben wurde. Die Theorie muss dann der Praxis weichen, es zählen nur noch Fakten und Resultate.

In Utrecht geht es gleich ans Eingemachte. Auf einen Prolog, der nur 8 km lang sein darf, wurde verzichtet. Die Stadtväter ermunterten die Organisatoren vielmehr zu einem 13,8 km langen Zeitfahren auf einem Rundkurs durch die Stadt, der – „c’est de bonne guerre“ – einem ihrer Landsleute entgegenkommt.

Martin und Cancellara

Wenn nicht alles täuscht, könnte der erste Träger des „Maillot jaune“ heute Abend Tom Dumoulin (Start um 16.25 Uhr) heißen. Der „Beau“ aus Maastricht, dem die Herzen der weiblichen Fans zufliegen, gewann kürzlich die beiden Zeitfahr-Etappen der Tour de Suisse. Letztes Jahr belegte er beim einzigen „Contre-la-montre“ der Tour de France hinter Tony Martin den zweiten Platz.

Dieser Tony Martin (Start 16.44 Uhr), der Weltmeister in der Sparte Zeitfahren, dürfte Dumoulins größter Gegner auf der flachen Strecke vom Ausstellungsgelände Jaarbeurs in die Altstadt Utrechts hinein und zurück nach Jaarbeurs sein. Martin, dem die Distanz eventuell zu kurz ist, hat den Ernstfall vor einer Woche bei den deutschen Meisterschaften mit zufriedenstellendem Ergebnis geprobt. Die erste von drei Runden, in etwa die Distanz der Etappe von Utrecht, fuhr er in vollem Tempo, danach drosselte er den Motor.

Neben Dumoulin und Martin hat u.a. auch Fabian Cancellara (Start 17.03 Uhr) einen Blick auf das erste „Maillot jaune“ der Tour geworfen. Für das Team Trek, das bei der letzten Tour wenig zu feiern hatte, wäre ein Sieg des mehrmaligen Weltmeisters und Olympiasiegers mehr als ein Trostpflaster. „Bei den Meisterschaften vor einer Woche merkte ich, dass das ‚Boot wieder läuft’“, sagte „Canci“ anlässlich der Team-Pressekonferenz am Donnerstag. Das stimmt Manager Luca Guercilena optimistisch.

Jungels und Didier

Neben „Canci“ will der amerikanische Rennstall auch seinen zweiten Zeitfahrspezialisten Bob Jungels (Start um 15.35 Uhr) gut platzieren (Link). Der 22-Jährige, der die Tour de France entdeckt, liebäugelt mit einem Platz in den „Top Ten“.

Jungels dürfte der beste Luxemburger Vertreter im Zeitfahren sein, da sowohl Laurent Didier (14.07 Uhr) als auch Ben Gastauer (14.20 Uhr) keine größeren Ambitionen im „Kampf gegen die Uhr“ hegen (Link).

Eine Rolle könnte das Wetter spielen, das genau wie in Luxemburg extrem warm ist. Am späten Donnerstagabend ging ein kräftiges Gewitter über der Provinz nieder, die Temperaturen kühlten des Nachts etwas ab, doch gestern stiegen sie erneut auf 30 Grad an. Für heute Samstag sagen die Meteorologen 32 Grad voraus, aber „nur noch“ 29 Grad, wenn die letzten Fahrer auf die Strecke gehen. Die Veranstalter hoffen, dass ein Gewitter ausbleibt, denn nasse Straßen könnten das Resultat verfälschen.

Die Träume der ASO

Die Tour de France, drittgrößtes Sportereignis der Welt nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM, bleibt ein Mythos. Sie ist, weil gratis, ein Publikumsmagnet „par excellence“ und für die nächsten drei Wochen Gesprächsthema Nummer eins.

Und darum wird sich auch kaum jemand um den Schwelbrand kümmern, der im Radsportmilieu schwelt. Niemand will es offen aussprechen, aber in dem Geschäft kennt die ASO (Amaury Sport Organisation), der Organisator der Tour de France, kein Erbarmen. Es geht um den internationalen Kalender, der ab 2017 radikal umgeändert werden sollte.
Wegen der Proteste der ASO-Konkurrenten will die UCI nun eine seichtere Form dieses Kalenders vorschlagen, wobei allerdings die Gefahr besteht, dass die ASO sich abkapselt und eine eigenständige, nicht von der UCI abhängige Rennserie ins Leben ruft. Das käme einer Formel 1 im Rennsport gleich, denn der ASO gehören zurzeit, um nur die wichtigsten zu nennen, die Tour de France, die Vuelta, Paris-Nice, Paris-Roubaix, die Flèche Wallonne, Liège-Bastogne-Liège, der Dauphiné Libéré usw.

Ehe die ASO diese „Traumidee“ aber verwirklichen kann, muss sie zuerst die Rennställe in ihre Küche locken und ihnen den Braten schmackhaft machen. So weit aber sind wir noch nicht. Weil alles sich um Geld dreht, ist die letzte Kugel am Roulettetisch deshalb noch nicht gerollt …

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