Im Bialowieza-Nationalpark im Osten Polens bahnt sich ein neuer Konflikt an. Umweltschützer wollen das Abschießen von Wisenten verhindern. Der Protest richtete sich gegen die Genehmigung zum Abschuss von 40 der Wildrinder.
Polen diskutiert über wilde Rinder: Werden Wisente kommerziell abgeschossen? Das ist die Frage. Der Wisent, ein bis zu 900 Kilo schweres Wildrind, gilt als heimliches polnisches Nationaltier, das in den Wäldern an der Ostgrenze des Landes äst. Nun dürfen 40 der eigentlich streng geschützten Tiere geschossen werden.
Hohe Abschussgebühr
„Dies ist kommerzielles Jagen. Das Umfeld von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen wird dies nicht erlauben“, so der Forstwissenschaftler Rafal Kowalczyk gegenüber der Gazeta Wyborza. Bis zu 50.000 Zloty (12.000 Euro) muss für den Abschuss eines der stattlichen Tiere an die polnischen Behörden gezahlt werden. Darum reißen sich auch ausländische Jäger.
In der Borecka-Wildnis in den Masuren sowie in der Knyszczynska-Wildnis nahe der weißrussischen Grenze dürfen jeweils 20 Tiere geschossen werden. Nach Angaben des polnischen Umweltministeriums, das die Erlaubnis gegeben hat, werden nur kranke Tiere geschossen.
Viel Geheimniskrämerei
Der Wisent ist in Polen mit viel Emotionen verbunden. Rechte polnische Medien nutzten den Abschuss eines Wisents in Brandenburg, der von Polen über die Oder geschwommen war, um eine antideutsche Kampagne loszutreten.
Um Wisente gibt es von staatlicher Seite viel Geheimniskrämerei. Es ist noch nicht klar, ob schon Tiere geschossen wurden, und wenn ja wie viele. Die Jagdsaison geht bis März. „Wir haben Daten vom Umweltschutzministerium beantragt, jedoch noch keine Fakten erhalten“, sagt David Kazmierzak, Vorsitzender des Vereins „Wildes Polen“ auf Anfrage. Der Naturschützer widerspricht der Theorie, dass allein kranke Wisente der Büchse zum Opfer fallen sollen. Denn im vergangenen Jahr wurden unter dem gleichen Vorwand einige der wilden Rinder geschossen, deren Fleisch dann in den Restaurants landete. Auch Greenpeace Polska will sich für den Schutz des Wisents engagieren, will jedoch über die Form der Proteste noch nichts verraten.
Noch 1.450 in Freiheit
Derzeit leben rund 1.450 der Tiere in Polen in Freiheit. Eigentlich ist das zottelige Rind ein Bewohner von Steppen und Wiesen und wurde später vom Menschen in die Wälder abgedrängt. Forst ohne Wiesenflächen bietet darum keine optimale Lebensgrundlage. Somit werden Wisente in vielen Waldgebieten gefüttert und vermehren sich stark.
Der Forstbiologe Rafal Kowalczyk glaubt, dass der Staat sich hierdurch eine Einkommensquelle schafft und schlägt vor, die Tiere nicht zu füttern, so dass eine natürliche Auslese stattfindet. Durch die Verbreitung von Wildtieren wurden im November zudem erstmals zwei Wisente von einem Bären auf polnischem Gebiet gerissen. Für Kälber gelten Wölfe als Gefahr.
Streit um massive Abholzung
Die letzten wild lebenden Exemplare wurden in Ostpolen und im Kaukasus zur Fleischversorgung nach dem Ersten Weltkrieg geschossen. Die Wiederansiedlung begann in Polen in den 50er Jahren durch Zoo-Bestände. Vor allem der Bialowiski-Nationalpark, der auch einen weißrussischen Teil hat, wurde durch die Wisent-Population bekannt. Dort will die polnische Regierung bis ins Jahr 2023 nun 188.000 Kubikmeter Holz schlagen, auch in den Reservaten, angeblich, um gegen den Borkenkäferbefall vorzugehen.
Der Europäische Gerichtshof hat Polen gedroht, ein Zwangsgeld von 100.000 Euro pro Tag des Baumfällens zu verlangen, da gegen EU-Schutzrichtlinien verstoßen werde. Hinter den umstrittenen Entscheidungen steht Umweltminister Jan Szyszko, ein Großgrundbesitzer, der als Interessenvertreter der Forstindustrie gilt. Während jedoch der Urwald viele Polen kalt lässt, könnte es beim Sympathieträger Wisent anders ausschauen.
Von unserem Korrespondenten Jens Mattern
De Maart
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