Ein polnischer Satiriker bekommt es mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Er hat Präsident Duda in Zusammenhang mit einer Satire erwähnt und Polen ein dummes Land genannt. Nun droht ihm Haft. Immer mehr Kulturschaffende in Polen haben Probleme mit dem Staat.
Von unserem Korrespondenten Jens Mattern
Antoni Szpak drohen drei Jahre in einem polnischen Gefängnis wegen „Herabsetzung der Nation“. Der Satiriker nannte Polen in einer Wochenzeitung ein „dummes, weltfremdes Land“ und bezeichnete den polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda als „Adrian“. Dabei handelt es sich um eine Anspielung auf die Satiresendung „Das Ohr des Vorsitzenden“, in welcher der Präsident persifliert wird.
Einem Leser gefiel dies nicht. Er schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Diese sah den Vorwurf als berechtigt an und erhebt nun Klage, wie am Freitag die polnischen Medien berichten.
Satiriker fürchtet Präzedenzfall
Der erfahrene Satiriker, der bereits 1975 seine Kabarettgruppe Klika (Clique) gründete, äußerte seinen Spott anlässlich der Anwesenheit der Regierung und des Staatsoberhaupts bei den Feierlichkeiten zu 26 Jahren Radio Maryja im vergangenen Dezember. Das Medienimperium des Geistlichen Tadeusz Rydzyk gilt als wichtigster Wahlhelfer der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). „Ich kritisierte die Macht, die mit dem Pater flirtet, der über Rundfunk und Fernsehen verfügt“, erklärte Szpak. Der Satiriker fürchtet, dass mit ihm ein Präzedenzfall geschaffen werde, und forderte dazu auf, „laut über dieses Thema zu reden“. Die PiS unter Chef Jaroslaw Kaczynski versucht seit ihrem Wahlsieg im Herbst 2015, die polnische Bevölkerung zu einer traditionellen nationalkonservativen Gesellschaft umzuerziehen.
Geld oder Glaubwürdigkeit
Doch nicht nur Gerichtsverfahren bedrohen die Freiheit des Wortes in Polen. Oft ist es die Notwendigkeit des Broterwerbs, die Konsequenzen mit sich bringt. Eine der bekanntesten Gegenbewegungen zur Regierung ist die Sendung „Das Ohr des Vorsitzenden“, in der auch die Machtstellung von Kaczynski aufs Korn genommen wird. Kein Fernsehsender traute sich daran, die Serie läuft auf einem Internetportal. Doch die Zuschauerzahlen gehen konstant zurück.
Dabei hat Kabarett eine lange Tradition. Mussten die Künstler in sozialistischen Zeiten noch mit Anspielungen arbeiten, um nicht der Zensur zum Opfer zu fallen, hatten sie nach der Wende mehr Freiheiten. Im Gegensatz zum Theater erfreute sich diese Kunstform in den 90er Jahren weiterhin steigender Beliebtheit, wenn auch beim Kabarett in Polen nicht unbedingt politische Kritik geäußert wird, sondern vor allem satirische Alltagsbeobachtungen.
Auch das staatlich kontrollierte Fernsehen TVP mag da nach einer Zeit der Zurückhaltung nicht hintenanstehen und bietet seit Ende April mit „La La Poland“ eine satirische Sendung an, in der Polen in ferner Zukunft eine Weltmacht darstellt, die Akteure jedoch stets über ihre Unzugänglichkeiten stolpern. Wirklich politisch ist diese Sendung auf den ersten Blick nicht. Doch treten dort viele Schauspieler von „Das Ohr des Vorsitzenden“ auf. Denn im Gegensatz zum kargen Brot des Internets können sie bei TVP gut verdienen. Gleichzeitig werden sie mit ihrer Gesellschaftskritik unglaubwürdig, wenn sie im Staatsfernsehen zu sehen sind, das in seinen Politik- und Nachrichtensendungen die Opposition aggressiv herabsetzt – oft auch mit satirischen Mitteln.
Staat entscheidet über Kultur
Doch diese Tendenz, dass der Staat mittels Geldern über Kulturschaffende entscheidet, scheint kaum aufzuhalten, wie auch ein Misstrauensvotum vor zehn Tagen gegen den Kulturminister und stellvertretenden Premier Piotr Glinski scheiterte. Dieser hatte unter anderem unliebsame Theaterdirektoren austauschen lassen, das Polnische Filminstitut auf nationalkonservative Linie gebracht sowie die Geldvergabe an Nichtregierungsorganisationen von patriotischer Gesinnung abhängig gemacht.
Dem Satiriker Szpak droht wohl letztlich keine Haftstrafe, auch PiS-Politiker halten dies für überzogen. Doch das Signal des Staates an andere Satiriker ist klar.
		    		
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Die Satire der Süddeutschen Zeitung gegen Netanyahu würde ebenfalls bestraft. Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist immer einfacher.