Raus aus dem Korsett

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CLERF – Clerf unternimmt einiges, um an seinem Image zu polieren. 2009 hat die Gemeinde mit Heinerscheid und Munshausen fusioniert und ist seitdem auf über 5.000 Einwohner angewachsen. Bei den Kommunalwahlen wird erstmals im Proporzsystem gewählt.

Es ist schönes Wetter in Clerf. Bürgermeister Emile Eicher (CSV) schlägt vor, sein Büro mit der Terrasse des Bistros im Schloss zu tauschen. Das wirbt mit Küche aus regionalen Produkten, etwas, was die gastronomische Szene in Clerf auszeichnet und viel zur Lebensqualität in der Stadt beiträgt. „Versuchen Sie mal, hier im November ein Zimmer zu bekommen“, sagt Eicher, „das wird nicht einfach“. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der seit der Fusion auf rund 5.000 Einwohner angewachsenen Gemeinde.

 

Die „Robbesscheier“ im Ortsteil Munshausen ist mit ihren Angeboten rund um die Ardenner Pferde über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Aber nicht nur Touristen aus anderen Ländern, vor allem Luxemburger zieht es in den Norden. Rund 40 Prozent aller Besucher machen sie aus und sie scheinen in Clerf zu bekommen, was sie suchen. „Wir sind hier auf kleinem Raum richtig verwöhnt“, sagt der Stadtchef. Eicher ist gut vernetzt und ein wahrer Botschafter von Clerf. Der 62-Jährige sitzt als Abgeordneter der CSV im Parlament und ist Präsident des Syvicol, des Interessenverbandes der luxemburgischen Gemeinden.

Viele junge Leute ziehen nach Clerf

17 Dörfer und fünf Weiler

Die 17 Dörfer Clerf, Eselborn, Mecher, Reuler, Urspelt, Weicherdingen (frühere Gemeinde Clerf), Drauffelt, Siebenaler, Marnach, Munshausen, Roder (frühere Gemeinde Munshausen), Fischbach, Grindhausen, Heinerscheid, Hüpperdingen, Kalborn und Lieler (frühere Gemeinde Heinerscheid) wie auch die fünf Weiler Fossenhof, Lausdorn, Kaesfurt, Tintesmühle und Kalborn-Mühle bilden zusammen die neue Gemeinde Clerf. Auf einer Fläche von 85,61 Quadratkilometern leben heute rund 5.000 Einwohner.
Zum Vergleich: In der Hauptstadt teilen sich rund 115.000 Einwohner 51,5 Quadratkilometer.
Elf statt bisher 13 Sitze wird der neue Clerfer Gemeinderat haben. Dann gibt es auch wieder zwei statt drei Schöffen. Außer der CSV-Liste ist bis jetzt die Liste von „déi gréng“ , DP und die „Birgerlescht“ öffentlich.

Bis zur Fusion haben Clerf, Heinerscheid und Munshausen regional gedacht und gearbeitet. Das wird sich ändern. Mit der neuen Lagerhalle in Marnach wird demnächst das technische Gerät der Gemeindeteile zentral zusammengeführt „Eine Fusion kostet erst mal, bevor man sparen kann“, vertritt Eicher seine Überzeugung, „aber es war die einzige Chance, aus dem engen Korsett einer kleinen Gemeinde herauszukommen“. Damit spricht er eine Tatsache an, die auch aus anderen neuen Fusionsgemeinden zu hören ist: Majorzgemeinden sind zu kleinteilig, Synergien können auf allen Ebenen nicht genutzt werden.

Überzeugungsarbeit war offensichtlich nicht viel nötig. Mehr als 75 Prozent der Bevölkerung haben sich in den entsprechenden Gemeindeteilen dafür ausgesprochen. Es gab schon lange vorher Berührungspunke. In Clerf tritt jetzt auch eine Generation an die Wahlurnen, die weit vor dem geografisch-politischen Zusammenschluss über die interkommunale Grundschule in Reuler Kontakt mit Gleichaltrigen aus den anderen Ortschaften hatte. Sie wurde vom Fusionsgeld bereits um ein „Maison relais erweitert. Im September 2018 eröffnet das neue regionale Lyzeum für 650 Schüler und schafft weitere Arbeitsplätze.

„Shopping Mall des Nordens“

Das ist ein Grund für den Zuzug in die Gemeinde. Es gibt viele Arbeitsplätze rund um Clerf. Die N7 gilt mit ihrem breit gefächerten Einzelhandel als „Shopping Mall des Nordens“. Zu den größten industriellen Arbeitgebern zählen ein Parketthersteller, ein Aluminium-Umschmelzwerk und ein Produzent von Tiefladern und Aufliegern für den Schwertransport. Hinzu kommen größere Handwerksbetriebe – hauptsächlich in der Baubranche. Vor allem junge Menschen wählen Clerf als Wohnsitz. „Da weiß man, dass man die Infrastrukturen dementsprechend ausbauen muss“, sagt Eicher.

Einen einzigen Wehrmutstropfen hat die Fusion bis jetzt: „Ich bin enttäuscht, wie wenig Frauen in die Politik wollen“, sagt Eicher. Nur zwei weibliche Kandidaten hat er für die Liste der CSV gewinnen können, die er als Spitzenkandidat anführt. Wenn es nach ihm geht, hätten es mindestens doppelt so viele Frauen sein können. Sollte nicht sein.