„Sport fördert die Kommunikation“

„Sport fördert die Kommunikation“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Warum Unternehmen in Sporteinrichtungen für ihre Arbeitnehmer investieren sollten und wie diese Tendenz in Europa ankommt, erklärt der Autor und UniveristätsprofessorJulien Pierre.

Tageblatt: Herr Pierre, in Ihrem Buch haben Sie drei große Unternehmen analysiert (Nestlé, Adidas, Steelcase International), die den Sport am Arbeitsplatz fördern. Was ist das typische Profil solcher Unternehmen?
Julien Pierre: In Europa sind die Betriebe, die Sport am Arbeitsplatz anbieten, im Durchschnitt relativ groß, also mit mehr als 500 Mitarbeitern. Meistens sind diese Firmen im Dienstleistungssektor aktiv und in großen Metropolen angesiedelt. In den USA ist das sehr verbreitet. Ein typisches Beispiel dafür sind die Unternehmen im Silicon Valley, wie Google, Dropbox usw. Es gibt punktuell aber auch kleinere Betriebe, die über ein Sportangebot verfügen, wie Verwaltungen oder kommunale Verbände. In diesen Fällen wird der Sport aber meistens deswegen gefördert, weil der Chef der Firma selbst Sport treibt.

Julien Pierre hat eine „maître de conférence“ an der Universität Straßburg und ist freiberuflicher Mitarbeiter bei „Sport stratégies“. Der Franzose hat das Buch „Le sport en entreprise – Enjeux de société“ 2015 veröffentlicht.

Welche Sportarten bieten die Unternehmen ihren Beschäftigten an?
Das Angebot ist sehr weit gefächert. Ich unterscheide zwischen drei Typen von Unternehmen. Der erste und häufigste Typ ist minimalistisch: Es gibt keine entwickelten Infrastrukturen oder Kurse, sondern es ist nur ein Minimum vorhanden, also Duschen und Umkleiden. Die Angestellten organisieren sich untereinander. Dann gibt es Betriebe, in denen ein Fitnessstudio sowie einen Raum, in dem Kurse von professionellen Trainern stattfinden, vorhanden sind. Der letzte Typ von Unternehmen verbindet die beiden vorigen Modelle miteinander und organisiert dazu Aktivitäten mit Sportverbänden. In solchen Fällen ist das Angebot natürlich deutlich größer.

Inwiefern nutzt es den Betrieben, in ein reichhaltiges Sportangebot für ihre Beschäftigten zu investieren?
Viele Gründe sprechen dafür: Erstens fördert Sport das Wohlbefinden der Arbeitnehmer, wodurch ihre Produktivität erhöht und ihr Risiko für Krankheit vermindert wird. Das kann für das Unternehmen ja nur vorteilhaft sein. Und wenn mal jemand krankheitsbedingt ausfällt, wird er in der Regel schneller wieder gesund als jemand, der sportlich wenig aktiv ist.
Außerdem gibt es einen kommunikativen Grund für das Unternehmen, in Sport zu investieren. Nach außen kann sich das Unternehmen in Werbungen, in den Medien und in Rankings besser darstellen. Und auch nach innen entsteht ein Kommunikationsnetz: Es bilden sich Sportgruppen, die unterschiedlich von den Arbeitsgruppen sind. Somit kann jeder mit jedem in Kontakt treten. Man nimmt seine Arbeitskollegen eventuell anders wahr, was ebenfalls dazu beiträgt, dass Konflikte gelöst oder vermindert werden. Das überschneidet sich auch mit dem dritten, sozialen Interesse: die Menschen kommunizieren nicht nur mehr untereinander, sondern ändern auch ihre Einstellung gegenüber der Firma. Ihre Meinung wird positiver; sie fühlen sich eher mit dem Unternehmen „verbunden“.

Und die Vorteile für die Arbeitnehmer?
Diese sind ebenfalls vielfach. Ein wichtiger Grund ist natürlich der gesundheitsfördernde Aspekt. Sport entspannt, lenkt ab und hilft, Stress abzubauen. Für viele Angestellte zählt auch der organisatorische Vorteil. Wer abends nach Hause kommt, einkaufen, kochen und sich um die Kinder kümmern muss, schafft es nicht, auch noch zum Sport zu gehen. Daher ist Sport am Arbeitsplatz sehr praktisch. Auch den sozialen Vorteil schätzen die Arbeitnehmer. Es ist sehr entspannt, mit Arbeitskollegen Sport zu treiben. Und schlussendlich natürlich der sportliche Grund: Leute, die sich auf einen Marathon oder einen anderen Wettbewerb vorbereiten oder regelmäßig Sport treiben, nutzen das Angebot am Arbeitsplatz sehr gerne.

Das klingt doch alles so positiv. Gibt es in diesem Umfeld auch negative Auswirkungen?
Natürlich gibt es auch eine zweite Seite der Medaille. Es gibt auch Menschen, die kategorisch dagegen sind, Sport am Arbeitsplatz zu machen, denn für sie ist Sport ein Hobby und somit genau das Gegenteil von Arbeit. Es kann auch zu Neid am Arbeitsplatz kommen, wenn jemand zum Beispiel beschuldigt wird, wegen dem Sport eine längere Mittagspause zu haben. Und es kommt vor, dass Leute sich beim Sport in der Mittagspause so auspowern, dass sie danach einfach zu müde und somit weniger produktiv sind. Aber trotzdem lohnt sich die Investition für das Unternehmen, denn die positiven Punkte überwiegen bei weitem die negativen Konsequenzen.

Das gesamte Interview finden Sie in der Dienstagsausgabe (27.9.2016) des Tageblatt.