„De Planéit muss schéi bleiwen, soss gëtt de Camille rosen …“*

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Von Robert Schneider, Chris Schleimer, François Besch, René Hoffmann und Roger Infalt

Der plötzliche Tod von Camille Gira traf, wie die Reaktionen zeigten, viele Menschen ganz persönlich. „De Camille“ ist nicht auf einen Aspekt seiner Biografie zu reduzieren. Am Samstag, als sein Heimatdorf Beckerich im Rahmen der Gedenkfeier zu seinen Ehren die Menschenmenge kaum fassen konnte, stand wohl für jeden der Trauernden ein anderer Aspekt der Vitae des Verstorbenen im Vordergrund.

* Ausschnitt aus einem Zitat von Gilbert Pregno, der tröstend meinte, Gira betrachte die Erde und den Umgang der Menschen mit ihr nun von weitem und immer noch kritisch …

An erster Stelle trauerten seine Ehefrau und seine Kinder um den Lebenspartner, den Ehemann und Vater.

Dann waren da seine vielen Wegbegleiter, die ihn von den Anfängen der grünen Bewegung in Luxemburg über sein Engagement als Umweltaktivist, seine lokalpolitische Karriere (er gestaltete 23 Jahre Beckerich als Bürgermeister mit stets offenem Ohr für die Belange der Bürger), sein sportliches Engagement beim Handball und beim Tischtennis und schließlich seine Arbeit als Staatssekretär einer Regierung, in der erstmals in der Geschichte des Landes Grüne vertreten sind, kannten.

Dass er ausgerechnet bei der Debatte um das neue Naturschutzgesetz, das einen Höhepunkt seiner legislativen Arbeit darstellte, zusammenbrach, ist einer der schlechten Späße des Schicksals, auf die gerne verzichtet würde.

Die Trauerfeier bzw. Gedenkzeremonie am Samstag war ein Spiegel der großen Bekannt- und Beliebtheit des Mannes, der sowohl jovial auftreten konnte als auch zielorientiert in der Sache war. Blauer Himmel, strahlende Sonne, Vogelgezwitscher: Wäre der Anlass kein so trauriger gewesen, es hätte ein herrliches Fest im malerischen Beckerich mit vielen Freunden und guter Musik werden können.

Wie seine Ehefrau Simone bei ihren Abschiedsworten an ihren Mann verriet, hatten die beiden noch vor Kurzem über den Tod und die Art und Weise des Abschieds geredet. Camille Gira hatte sich eine Feier im Kulturzentrum vorgestellt, viele Freunde sollten dabei sein, André Mergenthaler sollte spielen, die Chorale singen und ein anschließendes Glas sollte es geben. Alles geschah am Samstag genau so: Den Perfektionisten Gira hätte es erfreut.

Gradlinig, optimistisch, humorvoll

Die Gedenkfeier war auf 15 Uhr angesetzt: Bereits eine Dreiviertelstunde vorher waren die gut 200 Plätze besetzt. Neben den Regierungskollegen des Verstorbenen, dem Parlamentspräsidenten und vielen Abgeordneten, zahlreichen Parteikollegen, Freunden und Bürgern der Gemeinde war auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gekommen, um Abschied zu nehmen. Bob Dylan, die Dire Straits und der Buena Vista Social Club dämpften die Sprachlosigkeit der mehr als tausend Trauernden.

In bewegenden Ansprachen nahmen der Beckericher Bürgermeister Thierry Lagoda, aber auch die grünen Regierungskollegen Carole Dieschbourg, François Bausch und Felix Braz ebenso wie Mitstreiter auf lokaler Ebene und seine Familie, seine Frau Simone und die beiden Söhne Michel und Louis Abschied von dem Mann, der plakativ mit „Camille, e Liewe voller Energie“ beschrieben wurde. Seine Gradlinigkeit, sein Optimismus, sein Humor und sein Kampfgeist wurden immer wieder hevorgehoben.

Allein zwei der auffälligen Dossiers, in denen er sich als Staatssekretär engagierte, verdeutlichen dies übrigens eindrucksvoll. So stritt er jahrelang über Sinn und Unsinn der Fuchsjagd, ehe er sich schlussendlich doch durchsetzte und manchen Anfeindungen zum Trotz den Schutz der schlauen Tiere vor Lobbyismus stellte. Er scheute hierbei den direkten Kontakt mit den Gegnern seiner Politik nicht. Argumente und Überzeugung verstärkten den ihm eigenen Mut, der sich auch schon mal bei Auftritten vor Bürgerinitiativen zeigte. So in Esch, wo er die ministerielle Genehmigung für eine Teerfabrik vor aufgebrachtem Publikum verteidigte; sicher keine Übung, die ihm, dem Ur-Grünen, selbstverständlich schien.

Dass er auch ein Politiker war, der Kompromisse dort einging, wo es notwendig war, zeigte sich beim Verbot des Verbrennens von Gartenabfällen, das dem Buchstaben des Gesetzes nach eigentlich auch die Möglichkeit ausschloss, ein traditionelles Lagerfeuer anzuzünden. Ein Zusatz im Text erlaubt diese romantische – wenn auch nicht unbedingt ökologische – Form der Holznutzung auch weiterhin, auch wenn das Restrisiko besteht, dass Gartenabfälle nun unter dem Vorwand des Würstchengrillens weiter in Flammen aufgehen.
An das am Mittwoch im Parlament präsentierte Naturschutzgesetz, das maßgeblich seine Handschrift trägt, glaubte er mit tiefster Überzeugung. Es war ein konkreter Ausdruck seiner Umweltschutzaktivität und verlieh seinen Überzeugungen einen legislativen Charakter.

Was eine wichtige Zwischenetappe in seiner Laufbahn hätte sein können, wurde nun zu einem tragischen Abschluss. Ganz abgeschlossen wird sein Wirken allerdings nicht sein, zu stark ist wohl seine Bedeutung für die ökologische Bewegung im Lande, seine Ideen werden, so versichern seine Freunde aus Partei und Umweltbewegungen, weiter verteidigt. Einige von ihnen äußerten sich während der vergangenen Tage uns gegenüber.

Unermüdlich und hilfsbereit

So erinnerte sich Fränz Schwachtgen an die gemeinsame Zeit im „Mouvement écologique“, der Anti-Atom-Bewegung, die Anfänge der grünen Partei, als Gira zwischen GAP und GLEI vermittelte und federführend an der Gründung einer einzigen Partei beteiligt war. Immer wieder habe er auf die Unterstützung und die Fachkenntnis Giras bei Projekten zählen können, bereitwillig sei er zur Realisierung transnationaler Naturschutzzonen beratend nach Differdingen gekommen.

Abbes Jacoby, auch ein Mitstreiter der ersten Stunde, erinnert an das für Gira wichtige, frühe gewerkschaftliche Engagement. Als Fluglotse war er maßgeblich am Streik in den 1980ern beteiligt: Er könne nicht auf einen reinen ökologischen Kämpfer reduziert werden; das soziale Moment habe in seinem Leben stets eine wichtige Rolle gespielt. Jacoby erinnert auch an den frühen Tod seiner Eltern. Früh habe der junge Camille den Austausch, die Geselligkeit gesucht. Auch dies ein bleibender Charakterzug des Verstorbenen …

Auch verwies er auf die Ironie, dass Gira während der letzten Tage thematisch die sozialen Medien beherrscht hat, dies obwohl er selbst weder auf Facebook noch auf Twitter oder ähnlichen elektronischen Plattformen vertreten war. Seine Zurückhaltung in diesem Bereich sei so weit gegangen, dass er und Muck Huss, als die anderen grünen Politiker mit Handys ausgerüstet wurden, auf eigenen Wunsch ein „Sémaphone“ („Piepsert“) als Kommunikationsmittel erhielt …

Als Camille Gira in die Nationalpolitik wechselte, übernahm Dr. Henri Mausen, als damaliger Bürgermeister der Gemeinde Redingen/Attert, die Präsidentschaft im interkommunalen Syndikat „De Réidener Kanton“. Mausen meinte u.a. „die gesamte Region trägt in vielerlei Hinsicht seine Handschrift“. Geradlinigkeit, Intelligenz, gesunden Humor, unermüdlichen Einsatz und eine gewisse Sturheit bescheinigte er dem Staatssekretär.

Der amtierende Bürgermeister von Beckerich, Thierry Lagoda, kannte Camille Gira seit 2008. Als Lagoda in den Schöffenrat gewählt wurde, warnte Gira: „Pass auf, du wirst uns jetzt öfters sehen als deine Freundin.“ Der Umgang in der Gemeinde war gradlinig, professionell und immer von großem Respekt geprägt. Gira besaß einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und behandelte alle Menschen gleich. Wie Carole Dieschbourg es wiederholt darstellte, war Camille Gira auch ein Mentor von Thierry Lagoda. Er warb für seinen Nachfolger, als er Staatssekretär wurde. „Das war eine Art Ritterschlag.“

Gira war in vielen Bereichen ein Pionier, so der aktuelle Bürgermeister. So führte er bereits in den 1990ern eine Art „Maison relais“ in Beckerich ein. Seine Klima- und Umweltpolitik war ihrer Zeit voraus und Bürgerbeteiligung sei ihm immer wichtig gewesen.

Über seine Rolle bei der Gründung der Wasserfabrik müsse man keine Worte mehr verlieren. Zusammen mit seinem Vorgänger auf dem Bürgermeisterstuhl ist er Initiator des Werkes und somit des wirtschaftlichen Aufschwungs der Gemeinde. Auch als Parlamentarier und Staatssekretär pflegte er immer einen engen Kontakt mit seiner Gemeinde und den Einwohnern. So war er immer bei den Events der lokalen Vereine präsent, ließ sich vertreten. Und wenn einmal wirklich niemand vom Schöffenrat dort sein konnte, war es ihm wichtig, sich abzumelden und zu entschuldigen. Er legte viel Wert auf Höflichkeit, so ein Jugendfreund.

Zugänglich, einfach

Er arbeitete viel, nahm sich aber auch die Zeit, mit den Beckerichern einen „Patt“ zu nehmen. Bis zuletzt war Camille Gira auch sportlich aktiv, und das beim lokalen Tischtennisverein. Von 2008 bis 2013 war er Präsident des nationalen Handballverbandes (FLH).

Luc Sinner, Präsident des HC Berchem, saß mit Gira im Verwaltungsrat der FLH und erinnert sich gerne an die Zeit zurück: „Es war sehr angenehm, mit Camille zu arbeiten. Er hat sehr viel Wert auf die Meinung der anderen Vorstandsmitglieder gelegt und immer dafür gesorgt, dass man gemeinsam an einem Strang zieht. Wenn er von einer Idee überzeugt war, dann hat er auch keine Mühen gescheut, diese umzusetzen. Als er 2013 in die Regierung wechselte, haben wir uns auf der einen Seite zwar alle für ihn gefreut, auf der anderen Seite hätten wir aber auch gerne noch länger mit ihm zusammengearbeitet.“ Sinner erinnert sich vor allem gerne an die Spiele der Nationalmannschaft zurück: „Wenn unsere Nationalauswahl gespielt hat, fieberte Camille immer extrem mit. Wir haben einmal ganz überraschend ein Unentschieden herausgeholt, da gab es für ihn fast kein Halten mehr.“

Auch nachdem Gira sein Amt als FLH-Präsident niedergelegt hatte, blieb er dem Sport verbunden. „Ich habe ihn noch vor Kurzem beim Pokalfinale gesehen und kurz mit ihm plaudern können. Er stand auch seinen Nachfolgern immer mit Rat und Tat zur Seite, wenn er gebraucht wurde“, so Sinner.

 

roger wohlfart
25. Mai 2018 - 7.28

Ein grosser Verlust für die Familie, für Beckerich und das Land. Camille Gira war ein aussergewöhnlicher Mensch und ein engagierter und fähiger Politiker. Ihm ging es in erster Linie um die Sache, um den Menschen und die Umwelt, und nicht um das persönliche Prestige Er wird uns fehlen.