Das Land der roten Erde wird grüner

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Die luxemburgische Südregion soll in das Unesco-Netz „Man and Biosphere“ (MAB) aufgenommen werden. Auf diese Weise sollen das sozialhistorische und industriekulturelle Erbe der Region geschützt und der sanfte Tourismus gefördert werden. Das Programm soll auch weit über die Europäische Kulturhauptstadt 2022 hinaus noch wirken.

Die „Commission luxembourgeoise pour la coopération avec l’Unesco“ hat in den vergangenen Wochen nicht nur Nachhaltigkeitsminister François Bausch und Umweltministerin Carole Dieschbourg, sondern auch die Bürgermeister der meisten ProSud-Gemeinden getroffen, um ihnen das MAB-Projekt vorzustellen. „Wir sind überall auf große Begeisterung gestoßen“, erklärt die Präsidentin der Kommission, Simone Beck (65), die mit ihren Mitarbeiterinnen die Initiative ergriffen hat.

Der Luxemburger Süden als Paradebeispiel

Die Unesco-Kommission

Die „Commission luxembourgeoise pour la coopération avec l’Unesco“ besteht seit September 2015 und hat ein Mandat für vier Jahre. Solche Kommissionen gibt es in fast allen Ländern. Sie vertreten die Werte und Ideale der Unesco in ihrem jeweiligen Land und haben eine beratende Funktion.
Ihre Aufgaben bestehen darin, die Unesco-Programme bekannt zu machen, die Regierung in bestimmten Fragen zu beraten und zu gewissen Angelegenheiten eine Stellungnahme abzugeben. Die Kommissionen können aber auch selbst Initiative ergreifen. Zudem sind sie zuständig für den Aufbau und die Erhaltung eines Unesco-Netzes für Schulen, die Projekte umsetzen, die sich mit den Werten der Unesco decken.
In Luxemburg sind zurzeit rund ein Dutzend Schulen Teil dieses Netzes.

Das MAB-Projekt analysiert einerseits den Einfluss der menschlichen Arbeit auf die Natur und untersucht andererseits, wie die Natur sich diese Gebiete zurückerobert, wenn der Mensch sich aus ihnen zurückzieht. Ein Paradebeispiel für diesen Prozess sind bekanntlich die Tagebaugebiete in der Minetteregion. Doch auch die mitunter noch aktiven Steinbrüche sind Teil dieser Entwicklung.

Die zu untersuchende Zeitspanne soll aber nicht erst mit Einsetzen des Industriezeitalters beginnen, sondern bis zur Zeit der Keltensiedlungen auf dem „Tëtelbierg“ zurückreichen, wie Simone Beck betont. „Das Projekt erlaubt es, zu studieren, wie sich die Region sozial, technisch, demografisch und wirtschaftlich entwickelt hat“, erläutert die ausgebildete Historikerin. Im Luxemburger Süden lasse sich der Verlauf von einer vorindustriellen über eine industrielle zu einer postindustriellen Gesellschaft gut nachzeichnen.

Neben dem Studium der sozialen und kulturellen Geschichte der Menschen, die diese Region geformt haben, lege die Unesco auch Wert darauf, dass sich die Bevölkerung der Region über nachhaltige Entwicklung, Ökosysteme und Biodiversität informiert und austauscht. Weiter sieht das MAB-Programm vor, dass sich Restaurants und kleine Ferienunterkünfte („gîtes“) in diesem Raum ansiedeln, die sich auf den Verkauf von lokalen und regionalen Produkten spezialisieren. Das Programm fördere zudem die Ausbildung von jungen Menschen als „Scouts“ oder „Rangers“, die dann geführte Besichtigungen für Besucher übernehmen können.

Bürgerforen geplant

Zurzeit seien Arbeitsgruppen dabei, das Dossier für die Bewerbung zu erstellen. Wenn der technische Teil der Kandidatur in trockenen Tüchern ist, soll das Projekt der Öffentlichkeit im Detail vorgestellt werden. Im Rahmen von Bürgerforen sollen sich die Einwohner der betroffenen Gemeinden mit eigenen Vorschlägen aktiv mit einbringen können. Erst dann werde die Kandidatur definitiv eingereicht, sagt Beck.

In groben Zügen sieht die Bewerbung vor, dass die gesamte Südregion als Unesco-Biosphären-Reservat eingestuft wird. Dabei gibt es einige Kernzonen wie den „Prënzebierg“, die „Haard“, den „Lallengerbierg“ oder den „Ellergronn“, die bereits als nationale Naturschutzgebiete klassiert sind. Um diese Kernzonen herum werden sogenannte Pufferzonen definiert, die etwa als Natura-2000-Gebiete eingestuft sind und weniger strengen Auflagen unterliegen. Doch auch die Städte und Gemeinden sollen Teil der Zone sein. Dementsprechend soll sich auch die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb des gesamten Reservats an nachhaltigen Kriterien orientieren, was aber nicht verhindere, dass man das „Zoning“ so anlege, dass bestimmte Bereiche ausgespart werden, legt Simone Beck dar.

Auf diese Weise könnten bereits geplante Projekte, die den Kriterien der Nachhaltigkeit nicht unbedingt entsprechen, gegebenenfalls trotzdem umgesetzt werden. Das wichtigste wirtschaftliche Ziel ist aber die Förderung des sanften Tourismus in der Region. Natürlich stelle das Projekt eine Bereicherung bei der Ausrichtung der Europäischen Kulturhauptstadt 2022 dar, betont Simone Beck, doch es soll auch darüber hinaus Bestand haben und dem Kulturjahr zusätzliche Nachhaltigkeit verleihen.

Industriegebäude erhalten

In einer ersten Phase soll ein Inventar des industriellen Erbes erstellt werden. Dabei kann auch bereits über eine mögliche Nutzung der Industriegebäude nachgedacht werden. Auch die zuletzt in die Diskussion geratene Gebläsehalle auf Belval soll eine wichtige Rolle in dem Konzept spielen. Zusammen mit dem „Ordre des architectes et des ingénieurs-conseils“ soll dann ein Architekturwettbewerb veranstaltet werden, um etwa Ferienunterkünfte in ungenutzten Industriegebäuden einzurichten.

Die Finanzierung des MAB-Projekts obliegt den Gemeinden selbst. Als Trägerstruktur könnte das Gemeindesyndikat Pro-Sud in Frage kommen. Die meisten Bürgermeister seien nicht abgeneigt, doch beschlossen sei noch nichts, bestätigt die Kommissionspräsidentin. Das Pro-Sud bezieht seine finanziellen Mittel über eine Konvention mit dem Ministerium für Nachhaltigkeit und Infrastruktur, die gemäß den Bedürfnissen des MAB-Projekts angepasst werden könnten, so Simone Beck. Die Unesco selbst verfüge nicht über ein Budget, könne aber ein effizientes Consulting bereitstellen. Das MAB-Netz umfasst derzeit rund 670 Reservate in 120 Ländern weltweit.

Bis Herbst dieses Jahres soll der technische Teil der Kandidatur abgeschlossen sein. Anschließend sollen die Bürgerforen in den Gemeinden veranstaltet werden. Im September 2019 soll dann die Kandidatur beim Unesco-Komitee in Paris eingereicht werden. Ein Bescheid wäre im Frühjahr 2020 zu erwarten. Laut Einschätzungen von Experten stehen die Chancen auf Erfolg nicht schlecht.


Unesco in Luxemburg

Luxemburg ist in den drei kulturellen Programmen der Unesco vertreten. Die Altstadt und Festung der Stadt Luxemburg sind Unesco-Welterbestätten. Die Springprozession ist im Register des immateriellen Kulturerbes eingetragen. Und die Ausstellung „Family of Man“ ist Teil des Weltdokumentenerbes („Mémoire du monde de patrimoine documentaire“) der Unesco. Im November 2017 hat der Naturpark Müllerthal zudem seine Kandidatur für das Global-Geopark-Label der Unesco gestellt. Eine Entscheidung soll Anfang 2019 gefällt werden.