Wir wollen Jacinda: Australier blicken vor den Wahlen neidvoll auf Neuseeland

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Die Australier wählen am Samstag ein neues Parlament. Doch nur wenige halten die eigenen Politiker für glaubwürdig. Eine Umfrage ergab, dass den meisten Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern deutlich lieber wäre.

Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen, Sydney

Eigentlich hätte sie gar nicht auf der Liste der vertrauenswürdigsten Politiker Australiens auftauchen sollen: Denn schließlich ist Jacinda Ardern Neuseelands Regierungschefin. Doch eine Umfrage unter 1.400 Australiern ergab, dass die meisten Ardern den eigenen Politikern vorziehen würden.

Kein Wunder vielleicht, denn die führenden Parteien – die liberal-konservative Liberal Party sowie die sozialdemokratische Labor Party – waren in den vergangenen Jahren von internen Streitigkeiten geprägt. Wiederholte parteiinterne Coups bescherten dem Land fünf Premierminister in nur fünf Jahren.

Zudem häuften sich in den vergangenen Monaten die Skandale. So verkaufte der frühere Landwirtschaftsminister Barnaby Joyce einer privaten Firma Wasserrechte am Murray-Darling River für stattliche 80 Millionen Dollar ab. Die Gelder dafür kamen aus dem Steuertopf. Auch die Genehmigung der umstrittenen Adani-Kohlemine in Queensland sowie eine Zahlung über 440 Millionen australische Dollar an eine private Stiftung für das Great Barrier Reef lösten Debatten aus.

Selbst Farmer sind Klimaaktivisten

Vor allem der kritische Zustand des Great Barrier Reefs, das durch zwei Bleichen 2016/17 und einen Zyklon in nur 18 Monaten fast die Hälfte seiner Korallen verloren hat, besorgt die Bürger. Auch eine anhaltende Dürre in manchen Teilen des Landes sowie Überschwemmungen in anderen haben viele wachgerüttelt.

Inzwischen gehören die Farmer zu den lautstärksten Klimaaktivisten im Land. Doch sie sind nicht allein: Eine Umfrage des Lowy-Instituts zeigt, dass die Mehrheit der Wähler den Klimawandel inzwischen als die größte nationale Bedrohung für Australien sieht. Wie die Politiker mit diesem Thema umgehen, könnte die Wahl entscheiden.

Morrison und die Kohle

Dass der jetzige Premierminister Scott Morrison vor zwei Jahren noch mit einem Stück Kohle vor dem Parlament stand und sagte: „Habt keine Angst, es tut euch nicht weh, es ist Kohle“, könnte ihn am kommenden Samstag seinen Job kosten. Morrison war erst im September nach einer mehrtägigen Regierungskrise an die Macht gekommen. Nach einer parteiinternen Abstimmung stand der bisherige Regierungschef Malcolm Turnbull vor dem Aus und Morrison – zu diesem Zeitpunkt Schatzmeister – übernahm.

Der 51-jährige Wirtschaftsgeograf war in der Tourismusindustrie tätig, bevor er 2007 in die Politik ging. Als Einwanderungsminister hatte er internationale Schlagzeilen gemacht, nachdem es ihm mit harten Maßnahmen gelang, die Flüchtlingsboote, die regelmäßig versuchten, von Indonesien nach Australien überzusetzen, zu stoppen. Morrison oder „ScoMo“, wie ihn viele nennen, gilt als strenggläubiger Christ, der sich auch gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hat, die in Australien seit 2017 erlaubt ist.

Oppositionsführer ist wenig beliebt

Als er 2018 an die Macht kam, war Morrison der fünfte Premierminister in nur fünf Jahren. Doch am Samstag könnte nun erneut ein Regierungswechsel in Australien anstehen. Umfragen sehen derzeit die sozialdemokratische Opposition in Führung. Allerdings hat die regierende Liberal Party in den vergangenen Wochen stetig aufgeholt, was auch daran liegen mag, dass Labor-Chef Bill Shorten im Volk noch mal unbeliebter ist als Morrison. Shorten – ähnlich wie Morrison eher ein „Mann der Mitte“ – war früher Anwalt und Gewerkschaftsführer. Er sitzt seit 2007 im Parlament und führt die Labor Party seit 2013 an. Bekannt wurde er, als er 2006 mithalf, zwei Bergwerksarbeiter aus einer eingestürzten Mine auf Tasmanien zu befreien.

Sollte Shorten am Samstag der sechste australische Premierminister in sechs Jahren werden, ist er sich seiner Herausforderung auf alle Fälle bewusst. Die lautet: beim Volk den Glauben an die Demokratie wiederherstellen.