Asselborn wirft seinem österreichischen Kollegen „rechtsnationales Gedankengut“ vor

Asselborn wirft seinem österreichischen Kollegen „rechtsnationales Gedankengut“ vor
(Isabella Finzi)

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Scharf ins Gericht geht Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn mit seinem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz (ÖVP).

Österreich wird den EU-Partnern demnächst ein Konzept für eine drastisch restriktivere Asylpolitik präsentieren: Bootsflüchtlinge sollen nicht mehr nach Europa transportiert, sondern in Lager außerhalb der EU gebracht werden. „Die Idee, eine Insel außerhalb der EU zu mieten, um dort Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder Libyen einzupferchen, gehört für mich zum rechtsnationalen Gedankengut“, sagt Asselborn in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die EU dürfe „keine Festung der Gleichgültigkeit sein, wenn verfolgte Menschen an ihre Tür klopfen“.
Der Sozialdemokrat dürfte zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt haben, dass das „rechtsnationale Gedankengut“ des Christdemokraten Kurz mittlerweile auch Linie der Wiener Genossen ist.

Gestern sickerten nämlich erste Details eines von Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil (SPÖ) ausgearbeiteten und von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) „voll unterstützten“ Konzeptes für einen härteren Asylkurs der ganzen EU durch. Der Plan sieht eine EU-weite Flüchtlingsobergrenze sowie die Errichtung von „Verfahrenszentren“ in Niger, Jordanien und Usbekistan vor. Dort sollen Asylwerber ihren Antrag stellen können. Und zwar nur dort. Asylverfahren sollen in den Zentren „menschenrechtskonform und nach EU-Standards durchgeführt werden“, so Doskozil. Nach Prüfung jedes Antrages solle aber nur noch „eine begrenzte Anzahl von Personen“ legal in die EU einreisen dürfen.

Österreichs Obergrenze bei 22.000

Wie hoch die EU-Obergrenze sein soll, sagt der Minister nicht. Österreich hat sich für 2017 eine Obergrenze von 35.000 Asylwerbern gesetzt, tatsächlich werden es aber nur 22.000 sein, da aus dem vergangenen Jahr 13.000 formal noch nicht angenommene Asylanträge mitgenommen worden sind. Jedenfalls seit „unbedingt auf die Kapazitätsgrenze eines Landes zu achten“, fordert Doskozil, woraus zu schließen ist, dass er nun jene EU-Partner in der Pflicht sieht, die sich bislang bei der Aufnahme von Flüchtlingen sehr zurückgehalten haben.

Die sogenannten Verfahrenszentren sollen auch die aus dem Mittelmeer gefischten Flüchtlinge und Migranten aufnehmen. Es soll also mit der Praxis Schluss sein, dass alle Geretteten automatisch ans Ziel ihrer Träume kommen.
Menschen ohne Recht auf Asyl sollen in ihre Herkunftsländer oder, wenn diese sie nicht aufnehmen wollen, in eine „sichere Schutzzone“ gebracht werden. Ob mit den betroffenen Ländern schon über ihre Rolle als Asylwartezimmer für Europa gesprochen wurde, ist nicht bekannt.

Details werden Doskozil und Sobotka im Februar bei einem Treffen der zentraleuropäischen Verteidigungs- und Innenminister präsentieren. Ziel ist es, den österreichischen Plan zu einer zentralen Migrationsstrategie der EU zu machen.

Unvereinbar mit Genfer Konvention

Eine Antwort sollten die Österreicher dann auch auf die Frage nach der Vereinbarkeit ihres Konzeptes mit der Genfer Flüchtlingskonvention haben, an die die EU und ihre Mitglieder gebunden sind. Obwohl die EU-Kommission gestern nicht direkt auf den österreichischen Plan reagieren wollte, stellte eine Sprecherin doch klar, dass die Genfer Konvention keine Push-Backs, also Rückweisungen erlaube. Derzeit gilt: Sobald ein Asylwerber europäisches Hoheitsgebiet beziehungsweise in internationalen Gewässern von einem europäischen Schiff aus Seenot gerettet wird, hat er Anspruch auf ein Asylverfahren in dem Land, das er als erstes betritt.

Außenminister Kurz fordert schon seit längerem eine Abkehr von dieser Praxis: „Wer sich illegal nach Europa aufmacht, wird an den Außengrenzen gestoppt, versorgt und zurückgebracht, so wie es Australien oder Spanien erfolgreich machen.“ Wenn eine Rückführung nicht möglich sei, sollten die Migranten in ein anderes sicheres Gebiet außerhalb Europas gebracht werden. Kurz: „Dort haben sie dann Schutz, aber nicht das bessere Leben, das man sich in Europa erhofft hat.“

Asylpolitik eint Koalition

Mittlerweile ist das in Wien offenbar Regierungslinie. Die vor einem Jahr noch heftig umstrittene Asylpolitik entpuppt sich nun als ein gemeinsamer Nenner dieser ansonsten nur noch durch die Angst vor dem Aufstieg der rechtspopulistischen FPÖ zusammengehaltenen Koalition. Die ÖVP hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt. Ob sich die Bundesregierung damit aber innerhalb der EU durchsetzen wird können, ist höchst fraglich. Selbst die in Flüchtlingsangelegenheiten schon jetzt einen restriktiven Kurs steuernden EU-Partner wie Ungarn, die Slowakei oder Polen werden sich wohl kaum auf eine gemeinsame EU-Obergrenze und eine Umverteilung von anerkannten Flüchtlingen aus außereuropäischen Asylzentren einlassen. Sie wollen möglichst überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen.

Auch das Magazin Spiegel berichtet: