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Politik macht Unterschied bei Einkommensentwicklung

Über die Globalisierung wurde bereits viel geschrieben. Schließlich aber hat sie dazu geführt, dass zwischen 1980 und 2010 satte 85 Millionen Menschen in Entwicklungsländern Arbeit in Export-Betrieben gefunden haben. Dies hat, obwohl die Konzerne billige Arbeitskraft ausnutzen, Hunderte Millionen Menschen in diesen Ländern aus bitterer Armut befreit.

In den entwickelten Staaten ist die Lage jedoch eine andere. Laut einer Studie von McKinsey durchleben heute 60 bis 75 Prozent aller Haushalte in diesen Nationen – das wären 540 bis 580 Millionen Menschen – eine Zeit, in der ihr Einkommen (vor Sozialtransfers) entweder stagniert oder fällt. Das war nicht immer so: Wer nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, konnte im Prinzip damit rechnen, dass er es besser haben wird als seine Eltern oder Großeltern. Doch seit nunmehr zehn Jahren ist diese Weisheit nicht mehr wahr.

Hintergrund dieser Entwicklung ist unter anderem, dass durch die Globalisierung der Wettbewerb für wenig qualifiziertes Personal global geworden ist. Und im Vergleich zu chinesischen Gehältern sind französische, schwedische oder italienische nun mal nicht wettbewerbsfähig. Die Ursachen für die Trendwende erkennt McKinsey aber nicht nur in der Globalisierung, sondern auch im allgemein schwachen Wirtschaftswachstum, der fortschreitenden Robotisierung und Digitalisierung sowie in der Tatsache, dass die Gesellschaft in den entwickelten Ländern älter wird und der Anteil der arbeitenden Bevölkerung schrumpft.

McKinsey schlussfolgert, dass die heutige junge Generation mit dem Risiko leben muss, ärmer als ihre Eltern zu sein. Die Trends, die die neue Lage herbeigeführt haben, würden auch in Zukunft weiter wirken. Diese Entwicklung bereitet den Wirtschaftsberatern Sorgen. Menschen mit fallenden Einkommen verbrauchen weniger – was den Konsum und somit das Wachstum noch weiter nach unten drückt. Zudem äußern diese Menschen eher negative Meinungen zu Themen wie Freihandel oder Immigration. Sie spüren, dass sich etwas fundamental verändert hat. Die Angst treibt sie in die Arme der Populisten – selbst wenn diese keine Lösung anzubieten haben.

Dennoch gibt es Hoffnung. Laut der Studie wurde nämlich nicht jedes Land gleich stark getroffen. Schweden beispielsweise hat es geschafft, sich dem Trend zu widersetzen – mit mehr Schutz für die arbeitende Bevölkerung, mit Maßnahmen wie Kurzarbeit und mit steuerlichen Kompensationen für die Verlierer.

In diesem Zusammenhang ist auch das künftige Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP zu sehen. Handelsverträge sind künftig nur noch vertretbar, wenn sie verbindliche Umwelt- und Sozialkriterien und nicht nur einen Schutz für die Investitionen von multinationalen Unternehmen beinhalten. Die Regierungen müssen erkennen, dass ein wachsendes Bruttosozialprodukt nicht mehr automatisch den Wohlstand der Gesellschaft erhöht.

Die Analysten von McKinsey weisen zudem in der Studie darauf hin, dass zusätzliche Steuern für sehr wohlhabende Menschen, die an ärmere Bevölkerungsschichten verteilt werden, wie ein Konjunkturprogramm wirken. Ihr eigener Konsum schrumpft nicht – aber die weniger Wohlhabenden geben, ob sie wollen oder nicht, einen größeren Anteil ihres Einkommens im eigenen Land aus.