Handlungsunfähige EU

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CETA blockiert die Europäer

Die Wallonen nehmen die ihnen durch CETA gebotene Gelegenheit wahr. Es ist ihr Recht, so sehen es die belgischen Gesetze vor, sich eingehend mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada zu beschäftigen. Ob es allerdings auch in Ordnung ist, Textänderungen zu fordern und unter den gegebenen Umständen auch durchzusetzen, ist eine andere Sache. Es zeugt von großem Pragmatismus und Entgegenkommen der EU-Kommission – und der übrigen 27 EU-Staaten –, den Wallonen direkte Verhandlungen mit Kanada ermöglicht zu haben, um die erhobenen Bedenken schnell und einfach aus der Welt zu schaffen.
Immerhin: 23 EU-Staaten, darunter auch Belgien, hatten kein Problem mit dem Vertragstext. Nur fünf EU-Länder, darunter Luxemburg, verlangten eine gemeinsame Erklärung, in der Klarheit über die umstrittensten Punkte des Abkommens geschaffen wurde.

Grundsätzliche Fragen

Immerhin: Die Wallonen scheinen sich ernsthaft mit einzelnen Artikeln des Freihandelsabkommens zu beschäftigen. Dass aber das ganze Tauziehen über eine Zustimmung der französischsprachigen Region in Belgien zu CETA, trotz gegenteiliger Behauptungen des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette, nichts mit innenpolitischen Überlegungen zu tun habe, dürfte mittlerweile wohl niemand mehr glauben. Allzu laut jubeln sollten vorerst auch nicht die Gegner des Abkommens, denn die wallonischen Politiker wollen zwar „ernst“ genommen und „respektiert“ werden. Sie haben aber nicht vor, CETA zu verhindern.

Der Umstand allerdings, dass die wallonische Regierung bereits einige Änderungen an der gemeinsamen Erklärung hat durchsetzen können, wirft einige grundsätzliche Fragen auf. Wie kommt es, dass von ganz links in Griechenland über Portugal hin zu Regierungen, in denen Sozialisten, Sozialdemokraten und Grüne vertreten sind, bis hinein in Länder mit konservativen oder rechtspopulistischen Regierungen wie Ungarn und Polen, CETA Zustimmung erhalten kann? Und kein anderes Parlament außer dem wallonischen hat offenbar grundlegende Ungereimtheiten in dem Text gefunden, die einer so eingehenden Überprüfung bedürfen, dass der EU-Kanada-Gipfel vermutlich verschoben werden muss.

Blockierte EU

Das Resultat, sollte es nicht wider Erwarten doch zu einer spektakulären Wende kommen, ist klar: Die EU ist von einem Teil eines ihrer Mitgliedstaaten blockiert worden. Das Beispiel dürfte Schule machen und die Union künftig in anderen Bereichen zur Handlungsunfähigkeit verdammen. Vor allem in der Außenhandelspolitik, jedoch auch in anderen Feldern, in denen Einstimmigkeit erforderlich ist.

Genau das hatten die Brexit-Befürworter befürchtet. Sie erleben nun, wie eines ihrer Hauptargumente – dass durch die EU der handelspolitische Spielraum Großbritanniens eingeschränkt wird – bestätigt wird.