„Ohne mich“ ist keine Option! (Teil 2)

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Überlegungen zur Diskussion über die Sozialdemokratie.

Die Politikverdrossenheit der Bürger kann durch viele Gründe erklärt werden. Jimmy Skenderovic* und Fabio Spirinelli* über Neoliberale Geschichtsschreibung. Teil eins des Forumbeitrags finden Sie hier.

Wie oft ist es schon vorgekommen, dass Minister Staatsfirmen privatisieren und nach Ablauf ihres Mandats Anteilseigner oder Eigentümer der gleichen werden – auch in Luxemburg? Dass soziale Fragen und sichere Arbeitsplätze nur vor den Wahlen diskutiert werden? Dass die Machenschaften der Multis aufgeklärt werden, aber unbestraft bleiben?

Dass durch die Privatisierung der Bildung „Hochdiplomierte“ von selbsternannten Eliteuniversitäten, Fachkräfte und Pseudoexperten passend für die Interessen der Konzerne herangezüchtet werden? Dass Universitäten Opfer von Budgetkürzungen und schleichenden Privatisierungen werden? Dass die Chemieindustrie Gifte verkauft, an deren Folgen Hunderttausende Menschen, Tiere und Pflanzen leiden und sterben, und auf von ihr selbstgeschriebenen Berichten ihre Zulässigkeit bewertet wird?

Ungerechte Wirtschaftspolitik

Dass Meere und Ozeane überfischt sind und sich Inseln aus Plastik bilden, die Entscheidungsträger aber die Augen davor verschließen? Dass durch eine jahrzehntelange falsche Agrarpolitik die Bauern zu Sklaven der Multis werden? Dass Milliarden für die Rüstung zur Verfügung gestellt werden? Dass Staatseigentum und Leistungen progressiv privatisiert, die Privatschulden aber verstaatlicht werden? Dass Arbeiter aus wirtschaftlichen Gründen entlassen werden, gleichzeitig aber Boni an Unternehmensführer in Millionenhöhe ausgeschüttet werden?

Dass Renten und Sozialleistungen gekürzt werden, um private Versicherungen und Krankenkassen zu fördern? Dass Gleichheitspolitik und Feminismus oft für persönliche Wahlkampagnen und Selbstinszenierungen missbraucht werden? Dass eine ungerechte Wirtschaftspolitik mit Drittstaaten geführt wird, ihnen aber dabei die westlichen Werte als Heilmittel vermittelt werden?

Politik ohne Antwort

Wenn solche Entwicklungen zusammenspielen, dann brauchen sich die Führenden in ihren Elfenbeintürmen nicht zu wundern, wenn die Bürger sich von ihnen abwenden, aus Wut vielleicht sogar dieselben Elfenbeintürme sprengen wollen. Die Versprechungen rechtsextremer und rechtskonservativer, aber auch einiger linksextremer Parteien, zur alten Größe zurückzukehren und die Kontrolle zurückzuerlangen, sind nur Täuschungen, die sich vom Zorn der Abgehängten und Ohnmächtigen ernähren. Denn auch diese Parteien haben keine Antwort auf globale Probleme und verachten gerade jene menschlichen Werte, die unsere Gesellschaften zusammenhalten.

Gleichzeitig beobachtet man aber, dass sich viele Menschen noch für progressive und linke Ideen begeistern können. Vor 20 Jahren wäre jemand wie Bernie Sanders in den USA nicht einmal ein ernst zu nehmender Kandidat gewesen. Portugal hat nun eine linksgerichtete Regierung, die sich nicht der Austerität, sondern der sozialen Gerechtigkeit verschreiben will. Jeremy Corbyn konnte viele junge Wähler in Großbritannien mobilisieren. Benoît Hamon konnte in Frankreich ein zukunftsweisendes Programm vorlegen, allerdings erhielt er die Quittung für das parteiinterne Sektierertum.

Teufelskreis

Die Lösung liegt auch nicht nur im Generationswechsel, wie das von vielen Jugendpolitikern gefragt wird. Der Generationswechsel wird meistens gefordert, um lediglich die Älteren zu ersetzen. Ideen, wie man konkret die Herausforderungen anpacken und eine bessere Zukunft aufbauen kann, bleiben ganz auf der Strecke liegen. Das Problem ist beileibe auch nicht nur das Alter. Immerhin sind Politiker wie Sanders, der selbst jüngere Generationen begeistern konnte, selbst nicht mehr die jüngsten. Er konnte aber die Primaries nicht gewinnen, weil die superreichen Demokraten es nicht zugelassen haben.

Das Problem liegt an jenem Teufelskreis, der in der Bevölkerung eine Gleichgültigkeit der Politik gegenüber, ja sogar eine Abneigung zu ihr, entstehen lässt. Je mehr diese Abneigung wächst, desto mehr wird auch über die Köpfe der Mehrheit hinweg entschieden. Dabei sind es gerade wir als Bürger, die massenweise in Parteien eintreten müssten und auf die etablierten Politiker Druck ausüben sollten. Wir müssen auf die Straße gehen, um uns Gehör zu verschaffen, uns gegen die neoliberale Politik der vergangenen Jahre einsetzen und unsere Stimme erheben.

Neues Manifest

Für die Sozialdemokratie gibt es nur einen Weg: es muss ein neues Manifest her, das sich klar für eine linksgerichtete Politik im 21. Jahrhundert einsetzt. Ein Manifest, das sich von einer schwammigen Mitte-links-Politik distanziert. Ein Manifest, das die linken, progressiven Werte, die Probleme des 21. Jahrhunderts und deren Lösungen sowie die Ideologie und Überzeugungen statt Individualismus in den Vordergrund stellt. Ein Manifest, das von den Befürwortern aus fester Überzeugung getragen wird, denn nur so kann man die Menschen wieder für sozialdemokratische Ideen begeistern und die Wähler zurückgewinnen.

Die Zukunft gehört uns allen, sie gehört aber insbesondere den Jugendlichen, die für die Fehler der heutigen Generation bezahlen werden. Wir müssen den fairen Handel fördern, die gerechte Verteilung des Reichtums anstreben, Umweltschutz vorantreiben, neue gesellschaftliche Wege bestreiten, das Erziehungswesen reformieren, jene Unternehmer unterstützen, die umwelt- und sozialbewusst produzieren.

Wir müssen aber auch die Aufgaben und Handlungen der EU überdenken, denn auf institutioneller, sozialer und wirtschaftlicher Ebene gibt es noch zahlreiche Probleme zu lösen. Vor allem müssen wir der Politik klarmachen, dass sie im Dienst der Bürger steht. Dafür rufen wir zum Engagement und zur aktiven Mitgestaltung auf, denn nur so können wir gemeinsam Veränderungen bewirken.

* Die beiden Autoren sind Präsident bzw. Generalsekretär der „Jeunesse socialiste Luxembourg“.

Lucas
14. November 2017 - 16.47

„Ein Manifest, das die linken, progressiven Werte, die Probleme des 21. Jahrhunderts und deren Lösungen sowie die Ideologie und Überzeugungen statt Individualismus in den Vordergrund stellt. Ein Manifest, das von den Befürwortern aus fester Überzeugung getragen wird,”  Wenn es nur an einem weiteren Manifest liegen würde, dann könnten ja sämtliche Parteien ein gemeinsames vorlegen und die Welt wäre bald gerettet. Was sind denn linke progressive Werte? In der Progression liegt doch eine Steigerung zu dem Vorherigen. Was soll denn gesteigert werden, was die Sozialisten bis jetzt versäumt haben und auf Kosten von wem, von was? Die Ideologie in den Vordergrund stellen? Diese Vorgehensweise ist doch nicht neu! Würde nicht der MENSCH besser dahin passen? Der Individualismus stellt also eine Gefahr dar, im Vergleich zu was? Zum Kollektivismus? Diese alte Masche hat doch total versagt! Liest die Jugend von heute denn keine historischen Bücher und Texte, um nicht dieselben Fehler noch einmal zu begehen? Dem scheint es nicht so! Sozialdemokratie soll also wieder dahin zurück, wo ihre Väter sie aus dem Boden gehoben haben? Dann ist die katholische Kirche aber “moderner”! Die gesteht wenigstens ihre Fehler ein! Weder in Teil I noch II kommt der Obergriff “Migration” zum Vorschein. Wissen die “JS” nicht was draussen abgeht? Mit dieser eingekapselten Sicht der Dinge kommt die Soazialdemokratie bestimmt nicht aus einem Tief heraus. Da mischen ja nur Unzufriedene mit, Nostalgiker, scheint es. Und neue Ausrichtungen, Sichtweisen fehlen. Soll die Welt weiter kommen und wohin steuern? Dies mit einer Jugend, mit Blick nach hinten gerichtet? Die Sozialdemokratie stärkt damit höchstens den eigenen inneren Kreis. So gewinnt man aber keine Wahlen! Religion gibt es für jeden Geschmack. Die Sozialdemokratie darf nicht zu einer weiteren dogmatischen Religion entarten! Denn Religion unterwirft! Und der moderne Mensch – aus unserem Kulturkreis - verträgt diese Forderung sehr schwer. Individualisten gar nicht!