Die Unionsbürgerschaft steht nicht zum Verkauf!

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Mehr als ein Jahr nach dem Referendum stecken die Brexit-Verhandlungen immer noch in den Kinderschuhen. Solange die britische Regierung die Brexit-Konsequenzen leugnet, können nur sehr geringe Fortschritte erzielt werden, insbesondere was die Bürgerrechte betrifft.

Angesichts einer beunruhigenden Unsicherheit haben Tausende von Briten Petitionen unterschrieben, um ihre EU-Staatsbürgerschaft nach dem Austritt beizubehalten. Ihr Ruf wurde von den liberalen Europaabgeordneten Charles Goerens und Guy Verhofstadt aufgegriffen, die vorschlagen, eine „assoziierte Unionsbürgerschaft“ zu schaffen.

Ist diese anscheinend „gute“ Idee machbar? Dies würde britischen Bürgern, „die sich als Teil des europäischen Projekts fühlen und auch ein Teil davon sein möchten“, gebunden an eine Gebühr, die Rechte auf Freizügigkeit, auf Sozialleistungen und auf Repräsentation im Europäischen Parlament gewähren. Kompletter Unsinn!

Als ehemalige Kommissarin für Bürgerschaft bin ich entschieden gegen solche Aktionen. Die Mehrheit der Menschen, die am stärksten vom Brexit betroffen sind, durfte noch nicht einmal mit abstimmen. Schon alleine deshalb müssen die bestehenden Rechte der drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien und der eine Million Briten, die in der EU leben, garantiert werden. Aber wenn wir konkrete Lösungen finden wollen, sollten wir keine falschen Debatten führen. Warum?

Weil es illegal ist. Der Vertrag über die EU sieht in Artikel 9 ganz eindeutig vor: „Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt.“ Und es obliegt jedem Mitgliedsstaat, die Bedingungen für den Erwerb und den Verlust der Nationalität dieses Landes festzulegen. Wollen wir die Verträge verändern und die EU-Staaten dieser wichtigen Kompetenz berauben? Nein!

Weil es unverantwortlich ist. Die Unionsbürgerschaft ist kein handelbares Gut, das zu Geld gemacht und wie ein einfaches Busticket verkauft werden kann. EU-Pässe zu verkaufen, wie das einige Mitgliedstaaten tun, ist einfach empörend. Wollen wir zu einem System zurückkehren, wo das Wahlrecht, beispielsweise bei Europawahlen, von der Größe des Geldbeutels abhängt? Natürlich nicht!

Vorteile ohne Kosten

Weil es illegitim ist. Solch ein einseitiges Zugeständnis würde Großbritannien in seinem Bestreben unterstützen, alles bekommen zu wollen: die Vorteile der EU-Mitgliedschaft ohne jegliche Kosten. Wollen unsere liberalen Kollegen wirklich britische Mitglieder des Europäischen Parlaments nach dem Brexit akzeptieren? Wollen sie das EU-Verhandlungsmandat verändern, das einstimmig und interinstitutionell beschlossen wurde?

Weil es unlogisch ist. In ihren Positionspapieren macht die britische Regierung keinerlei Vorschläge für Briten in der EU und schlägt stattdessen vor, die Rechte von EU-Bürgern, die in Großbritannien leben, einzuschränken. Die britische Regierung strebt an, eine neue Kategorie in ihrem Einwanderungsgesetz zu schaffen, was EU-Bürger auf ein ähnliches Niveau wie Drittstaatangehörige stellen würde. Sie müssten sich dann um einen sogenannten „settled status“ bewerben, der es ihnen erlaubt, dauerhaft im Land zu bleiben. Damit hätten sie nach einem langwierigen bürokratischen Prozess weniger Rechte als jetzt. Also warum um alles in der Welt sollte die EU britischen Bürgern nach dem Brexit einseitig das Recht gewähren, sich frei in der EU zu bewegen und niederzulassen?

Jahrelang wurden EU-Bürger, die in Großbritannien leben, von der Boulevardpresse als Sozialschmarotzer dargestellt, obwohl sie als Nettozahler bis zu 26 Milliarden £ pro Jahr zum britischen Staatshaushalt beigetragen haben. Wie ihr Vorgänger David Cameron räumt Theresa May dem Kampf gegen die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern Vorrang ein. Die jüngste Aktion waren die „Abschiebungsbriefe“, die EU-Bürgern zugeschickt wurden, die bereits seit vielen Jahren legal in Großbritannien leben.

Blicken wir der Realität ins Auge. Großbritannien hat sich entschlossen, seine eigenen Wege zu gehen; wir sollten unsere weiterverfolgen. Versprechungen zu machen, die nicht erfüllt werden können, wird das Ganze nur schlimmer machen. Entgegen jeglichem Wunschdenken müssen die Brexit-Verhandlungen von den in den Verträgen verankerten Prinzipien geleitet werden, inklusive Gegenseitigkeit, fairer gleicher Behandlung und Nicht-Diskriminierung. Der Vorschlag der „assoziierten Unionsbürgerschaft“ erfüllt diese Kriterien nicht. Wir sollten uns im Gegenteil auf Fragen konzentrieren, die die sozialen Rechte der EU-Bürger in Großbritannien betreffen.

Unsere roten Linien sind bekannt: Keine Rechte ohne Pflichten! Keine Rosinenpickerei! Keine Halb-Mitgliedschaft! Diese Linien müssen respektiert werden. European Citizens first!

Viviane Reding