Generation Brexit

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Wie Briten in Luxemburg und Europa betrogen werden

Lange Zeit klang der Brexit abstrakt: Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union – was soll da schon schiefgehen, haben sich scheinbar selbst Menschen auf der Insel gedacht. Nun, es zeigt sich langsam, dass sehr viel schiefgehen kann.

Während die Märkte verunsichert sind, Europa mit mehr Unbekannten denn je konfrontiert ist, könnte die erste Generation Brexit entstehen: Junge Briten, die von heute auf morgen nicht mehr Teil der Europäischen Union sind. Weil Rechtspopulisten die Zukunft ihres Landes lieber in brennenden EU-Flaggen sahen. Weil viele britische Bürger mit dem Feuer gespielt haben. Weil euroskeptische Menschen zur Urne geschritten sind und ganz einfach ihre eigene Zukunft verspielt haben.

Sie alle müssen sich nun mit ihrer Familie, Arbeitskollegen und Bekannten auf genau jene Leute verlassen, die sie zum Teil so sehr verabscheuen: Politiker. Jene in „Brüssel“, die nun mit erhobenem Stinkefinger sagen: „Liebe Briten, wieso seid ihr immer noch da?“ Und auf ihre eigene Regierung, die momentan von der lahmen Ente David Cameron angeführt wird, die zumindest taktisch klug genug war, dem größten Feind Boris Johnson den Miesepeter des EU-Austritts zu überlassen.

Die bisherigen Diskussionen und Entwicklungen sprechen auf jeden Fall eine deutliche Sprache: Die EU muss und will wohl ein Exempel an den Briten statuieren. Nachahmer sollen direkt gebremst werden. Wie dies geschehen soll, weiß aber niemand so recht. Das britische Referendum ist nur konsultativ. Umso absurder sind die Diskussionen, ob Artikel 50 bereits eingeleitet wurde.

Während die Europäische Union eine langatmige Hängepartie vermeiden will, würde den Rechtspopulisten rund um Boris Johnson nichts besser als genau diese Form von Hinhaltepolitik gefallen. Wer die Opfer dieses Spiels sind, ist klar: die Briten. Nun kann man Schadenfreude an den Tag legen und süffisant bemerken: Selbst Schuld. Oder man erkennt, dass die 50 Prozent proeuropäischen Briten, die sich für uns entschieden haben, wahrscheinlich jetzt sehr unruhige Zeiten durchleben. Dies gilt für Briten auf der Insel, aber auch hierzulande.

Das Tageblatt hat die letzten Tage Briten zu Wort kommen lassen und sich mit ihnen über ihre Zukunft unterhalten. Junge Schüler fürchten sich um ihre Eltern, deren soziale Absicherung und nicht zuletzt um ihren Arbeitsplatz. Einige stellen sich die Frage, ob sie die luxemburgische Nationalität beantragen werden. Andere wiederum wissen ganz einfach nicht, was sie tun sollen oder können. Denn die von der Politik verursachte Unsicherheit führt zu genau dieser absurden Situation, die wir als EU-Bürger quasi passiv beobachten, die aber für die Briten mehr als unangenehm sein muss: Ihre Planungssicherheit ist für die nächsten zwei Jahre erst einmal hin.

Das muss man deutlich sagen. Welche Konsequenzen dies wiederum für die Wirtschaft hat, wird sich noch zeigen. Allerdings werden sich vorausdenkende Briten nicht auf die Politik verlassen und alles dafür tun, dass ihre Ersparnisse und Errungenschaften in Sachen Pension gesichert sind. Ein Gedanke ist aber besonders bitter: Neugeborene „Brit babies“ sind der Anfang der Generation Brexit. Sie werden nie die Vorteile des EU-Binnenmarktes gekannt haben.