Beneidet und verhasst

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Statistiken offenbaren nie alles, aber relativ viel. Es stimmt nun einmal, dass Luxemburg, anstatt in den 80er- und 90er-Jahren mit seiner Stahlindustrie im sozialen Morast zu versinken, heute einer der reichsten Staaten dieser Erde ist. Die Nachbarn und Partner blicken nicht mehr gönnerhaft auf „unseren“ Erfolg, sondern zunehmend kritisch, weil er nicht in ehrbarer Leistung wurzele, sondern im geschickten Nutzen der politischen Souveränität.

Die Tatsache, dass trotz der hohen Wirtschaftsleistung, an welcher der Staat sich labt, viele Missstände ein Dauerzustand bleiben (wachsende Armut und Armutsrisiko, zu hohe Miet-, Grundstücks- und Wohnungspreise, Mindestlohn im Rückstand auf die Lebenshaltungskosten), interessiert aber nur am Rande. Mit ihrem Programm, das genau diese und andere skandalöse Schwachstellen anspricht – zu Recht, wie wir meinen –, wird „déi Lenk“ vielleicht drei statt bisher zwei Sitze im Parlament bekommen; die Fraktionsstärke (5) dürfte unerreichbar bleiben.

Woran liegt es, dass die Menschen sich gefallen lassen, was in einer fairen Demokratie nicht zu sein hat: die jeden Gerechtigkeitssinn verletzenden Ungleichheiten? Eine uralte Frage, mit der sich schon Aristoteles befasste. In einer demokratischen Gesellschaft, in der es Reiche und Arme gibt, ist es klar, dass die Armen ihre demokratischen Rechte nutzen, um die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern, derweil die Reichen alle möglichen Mittel einsetzen, um ihre Vorteile zu behalten und wenn möglich zu erweitern. Unter dem Begriff „die Reichen“ wären heute die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten zu verstehen, unter dem Begriff „die Armen“ das Volk.

Aristoteles hatte eine einfache Lösung parat: Schafft die Armut ab, und die Demokratie ist stabil anstatt schwankend. So weit geht die kapitalistische Demokratie nicht, sie braucht es auch nicht, ihr genügt, durch Gesetze, Übereinkünfte und ausgleichende Zuwendungen einigermaßen Ruhe zu halten. Hilfreich ist bei einer solchen bewusst oder unbewusst applizierten Strategie auch alles, was Identität stiftet: Religion, Feinde, Flüchtlinge, Ausländer, Ideologie, Tradition usw., usw. Ablenkung tut gut!

Die Widersprüche zwischen den Ansprüchen einer wahren Demokratie und dem Tagesgeschäft mögen noch so evident sein: Sie produzieren nicht die kritische Masse Aufregung, die zum Aufstand notwendig wäre. Deshalb gibt es auch keinen, auch nicht in Ländern, wo es noch weit ungerechter zugeht als in Luxemburg. Allenthalben im Westen erkennt man die systemischen Zwänge an; sogar die populistischen Helden helfen letzten Endes, die unsichtbaren Mächte zu festigen, indem sie die Blitzableiter-Funktion übernehmen.

Ja, und dann? Dann bleibt nur der Wille zur Reform, der sich in Reformparteien bündeln muss. Starke Reformparteien, die programmatische Bündnisse mit außerparlamentarischen Reform- Bewegungen eingehen, Gewerkschaften, Umweltverbände, NGOs, Bürgerinitiativen sind durchaus in der Lage, die Dinge in die richtige Richtung voranzutreiben.
Die Gretchenfrage hieße demnach, wenn Umsturz und Revolution und Systemsprung aus realpolitischer Sicht auszuschließen sind: Haben wir in Luxemburg noch echte Reformparteien? Solche, die im sozialen UND im gesellschaftspolitischen Bereich mehr wollen als nur das sowieso Überfällige?

Die CSV würde den Härtetest mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bestehen. Aber die LSAP? Aber „déi gréng“? Aber die DP? Könnten sie mehr als bisher?

Schuller piir
6. Juni 2018 - 23.56

Recht hud Dir. Dem Här Sold seng LSAP huet als Partner vun der CSV johrzengtelang matgemaach an zu allem "jo" gewenkt. Den gudden Här huet just nach net matkritt, datt hin sech selwer op den Kenn speitzt!!!

Scholnier
27. Mai 2018 - 15.01

Herr Bernardy, ihre Argumentation " typesch Letzebuerg" . Nun mal schön die entstandene Problematik um die entstandene Wohnungsmisere abwälzen, die verantwortlichen Regierungsparteien von CSV über LSAP, déi Gréng bis zur Dp von jeglicher Schuld freizusprechen , es versäumt zu haben die Voraussetzungen geschafft zu haben, jedem Bürger ein menschenwürdiges Wohnen zu gewährleisten. "Mat Vakanz an neien Auto , dat ass vlaicht fir en Deel vun der Paischtcrousieregeneratioun riichteg." Ein Beispiel: Staatsarbeiter, 23 Jahre, abgeschlossene Berufsausbildung , Gehalt etwa 2300€. Miete in Luxemburg je nach Region, zwischen 700€ und 1000€ für eine Einzimmerwohnung, Kosten für Wasser,Strom ,Versicherungsschutz, Abfalltaxe,...etwa 400€ pro Monat, Unterhalt des Gebrauchtwagen plus Versicherungsschutzes pro Monat etwa 250€ .Benzinkosten , da kein Öffentlicher Transport zur Arbeit möglich ist etwa ,200€. Summa Summarum macht das bei der billigsten Miete etwa 1550€. Bleiben 750 € für Lebensmittel, Kleider. Nun wenn " den Bouf net d'Chance huet , d'Souen vun den Elteren an den A...geblosen ze kreien", wird ein Eigenheim, "eng Vakanz en neien Auto ,en Draam bleiwen". Nun könnte der Sohn seine Eltern auffordern ihr Eigenheim zu verkaufen und nötigenfalls selber zur Miete zu wohnen, das Erbe direkt unter drei Geschwistern aufzuteilen. "Den Jong steet awer mat den Feiss um Buedem, wees dat sain Papp ganzt d'Liewen haart geschafft huet an trotz klenger Rent fir d'Kanner op villes verzicht an hinnen en Sou zoustecht" .

René
27. Mai 2018 - 12.32

Ech géif iech nach léiwer liesen Här Sold, wann der net ëmmer géift der CSV eng bootschen. Muss dat da sinn?

Chantal
27. Mai 2018 - 12.18

Ech gesinn och kaum echt Méiglechkeeten, fir d’Mëssstänn auszemärzen. Der Lénken hir Fuerderongen sinn onrealistesch: si stellen se op’ fir bei de Walen e Sëtz méi ze kréien. Mä dé Sëtz huele se net bei der CSV an och net bei der DP...

Scholnier
27. Mai 2018 - 9.01

Wohnen ist Menschenrecht und Immobilienhaie gehören ausgerottet. Wobei in Luxemburg der Immobilienhai in Luxemburg wohl unter das Artenschutzgesetz fällt. Den hiesigen Einwohner siedelt man ins nahe Ausland um, dem Immobilienhai und seiner Förderer wegen. " A wat ass dorunn schlecht?".Und der Haifisch, der hat Zähne, " virunallem ass et villen Letzebuerger egal wat mat hirem Emfeld passeiert, d'Haaptsaach den Goss stemmt." Après moi le déluge."

Bernardy Emile
27. Mai 2018 - 4.16

Wann ech Haut een eegend Haus hunn, ass daat nëtt wëll ech e Kapitalist sinn. Ech sinn e Lëtzebuerger deen op villes verzicht huet, fir mengem Bouf eng Zukunft zeverschaafen. Keng draimol ( 3 ) d'Jor an d'Vakanz nëtt all drai ( 3 ) Joer enn neien Auto a.s.w. Gitt op d'Versammlung vum Här Winseler an de Relais Bausch, a stellt är Froën an hanner froot d'Äntwerten. Den Datum vun der Versammlung weess ech nët, den ass awer bestëmt einfach eraus zefannen. Ech freën mech vill nët CSVer do zebegéinen.

Maria
26. Mai 2018 - 19.28

Ech kann dat alles net méi héieren. D’Letzebuerger Proprétairen, an dat si mir Lëtzebjuergher dach bal all, profitéieren vun dem deieren Immobilienmaart an den héige Loyer’en, A wat ass dann dorunn schlecht?¨

Fruppsi
26. Mai 2018 - 17.15

Die Gesellschaft per se gibt es doch gar nicht mehr. Die Armen sind oft Einwanderer die uns nicht interessieren. Die Reichen sind auch meist Einwanderer die die Preise in die Höhe treiben. Dazwischen die etwa 80 % luxemburgischen Wohnungsbesitzer die von steigenden Preisen profitieren. Und mit ihren etwa 1,2 Kinder pro Frau brauchen sich diese auch keine Sorgen zu machen: sie werden Immobilien erben, viele von ihnen mehrere Immobilien. Ich beispielsweise 4.

Sansillusion
26. Mai 2018 - 13.01

Pit, du hues recht. An wann nach méi « fir jiddereen » gemaat gët, gët de System nach méi mãchteg.

Grober J-P.
26. Mai 2018 - 10.49

Eine Steuerreform täte schon gut, schaut euch doch mal die Sätze an. Aber keine von den Etablierten wagt sich da ran.

Pit
26. Mai 2018 - 10.16

Also: Mai 68 war das Ende der Revolutions-Geschichte(n). Gezähmt ist das konsumsüchtige Volk!

Jacques Zeyen
26. Mai 2018 - 9.55

Genau. Da greift die Satzung von Pestalozi: " Die Wohlfahrt ist das Ersäufen der Gerechtigkeit im Mistloch der Gnade." Eine kleine Spende um die Gemüter zu beruhigen,aber an der Ursache des Elends nichts ändern. Aber wie bekämpft man Überbevölkerung und Bildungsmangel? Da helfen die Religionen.Die Erlösung kommt im nächsten Leben in diesem Leben habt ihr die Arschkarte gezogen. Und da wäre noch die Gier jener die eh schon alles haben.

Claude
26. Mai 2018 - 9.26

Wenn Sie fragen, ob die jetzigen Regierungsparteien « mehr » könnten als bisher, dann unterstellen Sie, dass das Im soziéen Bereich Gebotene nicht genug war und ist. Aber wie, bitte, liesse sich « mehr » dauerhaft finanzieren? Durch eine stärkere Besteuerung des Kapitals? - Dann wandert es ab zur « billigeren «  Konkurrenz, in Europa oder anderswo.