Leiche zwischen Häppchen und Luxusfisch

Leiche zwischen Häppchen und Luxusfisch
(Tageblatt/Pierre Matgé)

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LUXEMBURG - Die Symbolik des Ortes der Lesung von Tom Hillenbrands neuem „Rotes Gold“ war nicht zu übertreffen. Jetzt ermittelt der schrullige Koch Xavier Kiefer in der Welt der Sushis.

Ab Freitag ist der neue Krimi des Wirtschaftsjournalisten und Ex-Spiegel-Online-Ressortleiters im Handel. Dann ist Xavier Kiefer, der das „Deux églises“ im „Grund“ betreibt in seinem zweiten Fall unterwegs: der rätselhafte Tod eines Sushi-Meisters.

Zur Person

Tom Hillenbrand hat Politik und Wirtschaft an der Universität Duisburg studiert und mehrere Auslandsaufenthalte in den USA, Großbritannien und Luxemburg eingelegt. Hillenbrand schrieb unter anderem für das Handelsblatt, das Wall Street Journal Europe und von 2005 bis 2007 bei der Financial Times Deutschland. Von 2001 bis 2005 arbeitete er als Wirtschaftsredakteur und Technologie-Kolumnist für Spiegel Online. Von 2007 bis 2010 war er Ressortleiter „Auto“ bei Spiegel Online. Tom Hillenbrand lebt als freier Autor in München.

Mit dem Koch, der seine alten Cordhosen für ein Fashion-Statement hält, lakonische Dialoge pflegt und sich von der Gourmet- und Edelküche längstens verabschiedet hat, hat Hillenbrand einen echten Charakter entworfen. Dementsprechend groß war das Interesse zur Lesung. Hundert angemeldete Gäste, ein voller Saal, verfolgten die zwei Leseproben, die der Autor zum Besten gab. Es ging – der Klassiker bei jedem Krimi-Einstieg – mit der Leiche los.

Sushis für die Pariser Schicki-Mickis

Im ersten Fall hat Kiefer Frankreichs berühmteste Gastronomiekritikerin kennen- und lieben gelernt. An deren Seite kommen Repräsentationspflichten auf ihn zu. So auch an dem Abend, als der Pariser Bürgermeister in den Westflügel des „Musee d’Orsay“ lädt, um ein traditionelles Sushi-Menü aus japanischer Meister- hand zubereiten zu lassen. Kiefer, schon auf dem Hinweg genervt von den neuen teuren Schuhen, fühlt sich unwohl. 25 geladene „Celebrites“, das ist nicht seine Welt. Dazu gibt es ein Menü, von dem niemand weiß, was geboten wird. Die Speisenfolge ist nicht bekannt, der Gast hat keine Wahl. Bei dieser Tradition des Sushi-Essens liefert sich der Gast dem Koch völlig aus.

Ryuunosuke Mifune, Europas berühmtester Sushi-Koch, soll in wenigen Tagen den Orden der französischen Fremdenlegion erhalten – der Anlass für die Schlemmerei.

Und plötzlich stirbt der Koch…

Kiefers Unwohlsein wird weiter durch ein milliardenschweres kalifornisches Energiebündel als Tischnachbar gefördert, dessen pausenloses „I love it“ er nur mit diversen Reisweinen übersteht. Gespannt wartet alles auf den ersten Gang … Doch völlig unerwartet kippt der Koch während der Zubereitung des ersten Ganges tot um. Die erste Diagnose lautet auf Fischvergiftung, was Kiefer stutzig werden lässt.

Teure Delikatessen aus dem Meer

Bei seinen Ermittlungen, das ist der zweite Teil der Lesung, stößt der Koch nicht nur auf Ungereimtheiten in der europäischen Fischfangpolitik. Er lernt die Errungenschaften von Wi-Fi und WLAN schätzen, taucht in die Welt des Sushis ein und muss feststellen, dass es Fische gibt, die teurer sind als jede Luxuskarosse.

In der Tat steht der „rote Thun“, auch als Blauflossenthunfisch bekannt, seit mehreren Jahren auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation „International Union for Conservation of Nature“ (IUCN). Bereits 2007 erließ die EU eine Verordnung, um die Überfischung einzudämmen und die Bestände im Atlantik zu schützen. Sie wurde von Umweltschutzorganisationen wie dem World Wildlife Fund als völlig unzureichend kritisiert. Für das Jahr 2012 hat die Stiftung des WWF laut Wikipedia das Aussterben der Speisefische vorausgesagt. Hillenbrand hat recherchiert, dass ein Stück dieses Fisches auf dem Tokioter Fischmarkt für Preise zwischen 250.000 und 300.000 US-Dollar gesteigert wird.
Die Spur von Kiefers Ermittlungen führt auch zu einem portugiesischen Fischhändler mit Sitz in Esch/Alzette.

Esch und Wiltz spielen auch mit

Hillenbrands Spezialität ist es, dem Leser die Grenzen zwischen Fiktion und Realität vorzuenthalten. „Das ist das Ziel“, bestätigt der Hobbykoch in der anschließenden Fragerunde. Die sei aber sowieso „fließend“. Bei den Recherchen für die Krimis habe er oft Ideen für Lebensmittelskandale als Vorlage weiterer Bücher. Beim Gegencheck in den Archiven stelle er dann fest: das gab es schon.

Es ist ein Verdienst seiner beiden Bücher, dafür zu sensibilisieren, was wir essen. Darum strickt er gekonnt eine knifflige Geschichte, die, wie in diesem Fall von Paris nach Luxemburg führt. Das ist nicht nur auf kurzweilige Art zwischen zwei Buchdeckeln verpackt, sondern gespickt mit luxemburgischer Folklore, aus der man die deutsche Außensicht nicht herausliest. In- und außerhalb Luxemburgs hat er damit außerordentlichen Erfolg. Die Fangemeinde will einen dritten Fall.