Traditionsbetriebe: Die Maison Lessure feiert nächstes Jahr 150-jähriges Bestehen

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Das Unternehmen wurde 1870 als Stoffhandel gegründet und ist heute als Fachgeschäft für Arbeitskleidung bekannt. Der Familienbetrieb wird heute in der fünften Generation weitergeführt.

In dem kleinen Laden im Bahnhofsviertel zeugen die alte Registriermaschine und die Theke, auf der sie steht, von alten Zeiten und zeigen das Traditionsbewusstsein der Maison Lessure. Das Haus, das 1870 als Stoffhandel begann, ist eine Referenz in Sachen Arbeitskleidung.

Über den Gründer Charles Lessure ist wenig bekannt. Er soll mit Lederwaren und Stoffen gehandelt haben und mit seinem von einem Pferd gezogenen Wagen auf Messen und Märkten unterwegs gewesen sein. Später gründete er ein Geschäft in der Avenue de la Gare, dort, wo sich später das Farbgeschäft Steinhäuser befand.

Anfang der 1920er Jahre ersteigerte sein Sohn Michel Lessure das Haus an der Ecke rue Jean Origer/Avenue de la Gare. Jahrzehntelang diente es der Familie als Heim und Geschäftsadresse zugleich. Michel Lessure verstarb sehr früh, sein Sohn Charles übernahm das Geschäft in jungen Jahren. Er habe deswegen sogar die Schule abbrechen müssen, erzählt Gilbert Schilling, der heutige Geschäftsführer.

Eine Frau mit Charakter

Zu dem Zeitpunkt sei nur Stoff verkauft worden. Wann genau mit dem Verkauf von Arbeitskleidung begonnen wurde, weiß Schilling nicht, aber wahrscheinlich irgendwann vor dem Zweiten Weltkrieg. Was den Krieg angeht, weiß er zwei Anekdoten zu erzählen. Charles Lessures Tochter Micheline (1928-2016), Schillings Schwiegermutter und Charles Nachfolgerin, flog in jungen Jahren von der Schule, weil sie sich weigerte, in den BdM (Bund Deutscher Mädels), das weibliche Pendant der Hitlerjugend, einzutreten. Ihre Anti-Nazi-Gesinnung wurde ihr wahrscheinlich von zu Hause mitgegeben, soll doch auch ihr Vater aktiv gegen die Besatzer gewesen sein, indem er kurzweilig Wehrdienstverweigerer in seinem Haus versteckte.

Einmal sei ein Soldat überraschend in die Wohnung gestürmt, um die Familie aufzufordern, das Verdunklungsgebot zu beachten, da sie ansonsten Schwierigkeiten bekäme. Währenddessen hätte ein „réfractaire“ hinter der Tür gestanden. Hätte der Soldat dort nachgeschaut, wäre womöglich das Schlimmste passiert. Lessure hieß während der Besatzung übrigens Lesser.

Die größten Veränderungen

Nach dem Krieg studierte Micheline Jura in Grenoble und übernahm das Geschäft nach dem Tode des Vaters. Sie sei bis zu ihrem Ableben im Jahr 2016 sehr aktiv gewesen und bis kurz vor ihrem Tod selbst Auto gefahren. Ihre Tochter Annick (geboren 1961), von Beruf Deutschlehrerin, übernahm das Geschäft, übergab jedoch die Leitung an ihren Ehemann. Der ist eigentlich ausgebildeter Automechaniker, arbeitet aber seit 1995 im Betrieb; trotzdem habe er Abendkurse besuchen müssen und lernen, eine Firma zu leiten, erzählt Gilbert Schilling.

Was hat sich denn seitdem am meisten verändert? Bei dieser Frage fallen ihm vor allem zwei Punkte ein: Zu Zeiten von Schwiegermutter bestand die Kundschaft größtenteils aus Privatleuten, heute machen Firmen 75 Prozent der Kundschaft aus. Die zweite große Änderung sei durch das Internet bedingt, das die Kaufgewohnheiten der Kunden grundlegend verändert habe. Auch er musste schon  – wie viele andere Geschäftsleute –  die Erfahrung machen, dass sich Leute Referenzen von Waren im Laden nehmen und sogar beraten lassen, um dann im Internet zu bestellen.

Pfadfinder-Philosophie

Schilling ist überzeugter Pfadfinder. Er ist bis heute aktives Mitglied in einer Pfadfinder-Gruppe an der „Grenz“ in seiner Heimatstadt Esch/Alzette. Nicht nur ist das Geschäft im „Garer Quartier“ offizieller Shop der „Lëtzebuerger Guiden a Scouten“, er versucht auch die Philosophie der „Scouten“ in der Geschäftspraxis umzusetzen. Das soziale Engagement sei ihm wichtig. So verkaufe er keine billigen 1,50-Euro-T-Shirts. „Was soll der Arbeiter, der dieses Kleidungsstück herstellt, wohl davon bekommen, wie müssen die Herstellungsbedingungen dort aussehen?“ Alle bei Lessure verkauften Produkte seien mit dem Fairtrade-Label zertifiziert.

Arbeitskleidung ist eh schon strengeren Regeln unterworfen als Freizeitkleidung. Je nach Anforderungen müssen Berufsschuhe beispielsweise rutschhemmend, wasserabweisend und hitzebeständig sein. Hin und wieder mache die Gewerbeinspektion Kontrollen. Respektieren die Hersteller nicht die in der EU erforderlichen Normen für Berufskleidung, werden sie ermahnt und können gegebenenfalls ihre Handelsgenehmigung für die EU verlieren.

Parkprobleme 

2005 entschloss sich die Familie, ein zweites Geschäft in Niederanven zu eröffnen. Mit dem Gedanken habe man schon länger gespielt, doch ein Ereignis habe den Entschluss beschleunigt. Es ist ein Thema, das Schilling noch heute aufregt. Er wirkt äußerst ruhig und besonnen, seine Worte sind sorgfältig gewählt. Doch als er auf das Ereignis von damals zu sprechen kommt, hebt sich seine Stimme.

„Schon öfters hatten wir Probleme mit den ‚Pecherten‘ wegen der Lieferungen. Doch einmal wurde der Lieferwagen eines Lieferanten vor unserer Tür von einem Polizisten beschlagnahmt. Natürlich gibt es festgelegte Lieferzeiten, aber die sind so strikt, dass es sehr schwierig ist, sie einzuhalten. Die Gemeinde hat den Polizisten zwar nichts zu befehlen, aber sie muss doch dafür sorgen, ‚dass die Kirche im Dorf bleibt‘.“ Leider habe die Gemeinde null Toleranz in dem Bereich gezeigt. Dieses Ereignis sei der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe.

Gemeinde muss den Geschäftsleuten entgegenkommen

In Sachen Parkplätze müsse etwas passieren. Kein Kunde würde zum Beispiel einen Fernseher in der Stadt kaufen wollen, wenn er ihn nicht gleich vor der Tür in den Wagen packen kann. Dagegen gäbe es Taxiplätze in der Avenue de la Gare, die nie von Taxis besetzt wären. Er könne es nicht nachvollziehen, dass jetzt Leute fordern, dass alle Parkplätze verschwinden und durch Busspuren ersetzt werden. Vielleicht würden die ja nie in der Stadt, sondern nur übers Internet einkaufen.

Wenn die Gemeinde wirklich mehr für die Geschäftsleute tun wolle, müsse sie ihnen auch mehr entgegenkommen. Glücklicherweise befindet sich das Haus in der rue Origer in Familienbesitz, denn ansonsten hätte Schilling das Geschäft schon längst aufgegeben. Vor ein paar Jahren zog die Filiale in Luxemburg-Stadt ein paar Nummern weiter in der rue Origer, das historische Eckhaus wurde an Yves Rocher vermietet.

Jede Generation hat etwas beigetragen

Dass die Mieten in der Stadt sehr hoch sind, weiß auch Schilling. Aber scheinbar sei die Miete, die sie von Rocher verlangten, ganz ok, denn das auf Kosmetika spezialisierte internationale Unternehmen habe sofort zugeschlagen. Er fürchtet aber, dass es wegen der Trambahn noch viele Konkurse geben wird. Vorläufig plane die Familie aber nicht, das Geschäft im „Garer Quartier“ aufzugeben.

Jede Generation habe etwas zur Vergrößerung des Betriebes beigetragen, sagt Schilling stolz. Auch jetzt stehe wieder eine bevor. In Niederanven ist vorgesehen, das Geschäft von den augenblicklichen 150 auf 450 Quadratmeter auszubauen. Doch die Gemeindeverantwortlichen zeigten sich zäh, was die Genehmigung betrifft: Die geplante Anzahl an Parkplätzen liege eine Einheit unter der geforderten Mindestanzahl für die geplante Betriebsgröße.

Laird Glenmore
4. September 2019 - 20.55

was für ein blöder Spruch, wer 150 jährige Tradition hat ist kein Idiot ich hoffe das sie nach lange an ihrem Platz sind, denn solche Artikel werden immer gebraucht.

Roby
4. September 2019 - 18.26

Ech ginn hinnen nach 18 Méint.