Steinforter Bürgermeister Guy Pettinger im Gespräch: „Am Puls der Menschen“

Steinforter Bürgermeister Guy Pettinger im Gespräch: „Am Puls der Menschen“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

2004 war er die Nachfolge vom aktuellen Außenminister Jean Asselborn als Bürgermeister von Steinfort angetreten. 2011 musste er das Amt der CSV überlassen. Seit Oktober 2017 steht Guy Pettinger (LSAP) erneut an der Spitze der Gemeinde, dieses Mal mit dem Koalitionspartner „déi gréng“.

Tageblatt: Herr Pettinger, Sie sind seit anderthalb Jahren erneut Bürgermeister. Haben Sie Ihren „rythme de croisière“ gefunden?

Guy Pettinger: Einschlägige Erfahrungen waren ja vorhanden, insofern war es einfacher, den Rhythmus zu finden, als für jemanden, der das Amt erstmals ausübt. Es brauchte natürlich etwas Zeit, weil man ja normalerweise nicht den Einblick in Dossiers mehr hatte, den man als Schöffenratsmitglied hat. Hinzu kam, dass unser Koalitionspartner den Schöffen auswechselte. Dadurch kam es in den von ihm verantworteten Ressorts zu einem leichten Verzug bei einzelnen Dossiers.

Wurden denn andere, neue Projekte aufgelegt?

Eigentlich nicht. Eines unserer Hauptprojekte ist das Sportzentrum. Wir planen schon lange den Bau einer neuen regionalen Badeanstalt. Die Bewohner der Gemeinden Hobscheid, Koerich und Garnich kommen bei uns ins Schwimmbad. Wir wollen das weiterhin so handhaben. Aber das Schwimmbad muss modernisiert werden – es hat fast 50 Jahre auf dem Buckel –, genau wie die Sporthalle.

Die frühere Mehrheit hatte ein Gelände vorgesehen, das rund 700 Meter von unseren Schulen und der „Maison relais“ entfernt ist. Das ist für uns nicht ideal. Im Sommer kann man den Weg dorthin zu Fuß zurücklegen. Doch wenn man weiß, dass der Schwimmunterricht rund 50 Minuten dauert, können Sie sich vorstellen, wie viel Zeit fürs Schwimmen nach dem Hin- und Rückweg übrig bleibt. Für uns war das demnach keine Option.

Als Gemeinde haben wir aber kaum eigenes Gelände. Wir entschieden uns für eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung des Areals mit dem aktuellen Schwimmbad und der heutigen Sporthalle – unweit von „Maison relais“ und Schulen. Außerdem war mit der ersten „Maison relais“ auch ein Blockheizkraftwerk errichtet worden, das so ausgelegt wurde, dass es später das Schwimmbad und die Sporthalle mitversorgen könnte. Die Machbarkeitsstudie ergab, dass auf dem Gelände ein neues Schwimmbad gebaut werden kann. Vorgesehen sind ein normales Becken und ein Lehrbecken mit verstellbarem Boden.

Und die restlichen Teile des Projekts?

Das Vorhaben müssen wir in zwei Phasen realisieren. In einer ersten wird ein Turnsaal eingerichtet, der später den Bedürfnissen unseres Turnvereins Athletico angepasst werden kann. Zuerst würde er aber als herkömmlicher Turnsaal für unsere Schulklassen und andere Vereine genutzt werden.

Diese Phase wird bis spätestens 2023 abgeschlossen sein. Dann sind das neue Schwimmbad und die Turnhalle in Betrieb und das alte Schwimmbad und die alte Sporthalle können abgerissen werden, ebenso das alte Kulturzentrum „De Rodemer“. Anstelle käme dann eine dreiteilige Sporthalle. Zwischendurch müssen wir eine Halle für Sportaktivitäten anmieten. Das wäre eine feste Struktur, die nur zeitweilig bliebe. Die käme auf dem Parking bei der „Al Schmelz“.

Das sind recht anspruchsvolle Projekte für eine doch recht kleine Gemeinde …

Ja, das ist auch das größte Projekt, sowohl was das Arbeitsvolumen als auch die finanzielle Seite anbelangt. Wir können uns beim früheren Innenminister Dan Kersch bedanken, denn durch die Reform der Gemeindefinanzen fließt mehr Geld in die Kassen.

Unsere Finanzen sind gut, auch wenn wir uns nicht mit anderen wohlhabenderen Gemeinden vergleichen können. Dennoch müssen wir unsere Mittel stets im Blick behalten, da wir noch andere Projekte haben. Wir sind etwa dabei, ein großes Interreg-Projekt mit der Gemeinde Arlon zu realisieren. Dabei geht es um eine neue gemeinsame Kläranlage, die auf belgischem Territorium errichtet und von der EU mitfinanziert wird.

Eines der Wahlkampfthemen im Oktober 2018 war der Wohnungsbau. Wie steht es damit in der Gemeinde?

Natürlich haben auch wir das Problem Wohnungen zu erschwinglichen Preisen. Wir haben mehrere Teilbebauungspläne (PAP) in der Prozedur. Wenn diese realisiert sind – das wäre so um 2026 – würden wir, grob geschätzt, die 7.000-Einwohner-Marke überschreiten. Derzeit zählt die Gemeinde rund 5.300. Das bedeutet, dass auch die Infrastruktur mitwachsen muss.

Wir haben Studien über einen neuen Schulcampus in Auftrag gegeben, über einen neuen, dritten Wasserturm. Das ist eine ziemliche Herausforderung. Doch als Gemeinde haben wir wenig eigenes Gelände. Wir bemühen uns, Immobilien zu erwerben. Bei deren Verwendung werden vor allem Sozialfälle berücksichtigt, aber auch Asylsuchende, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist.

Apropos Flüchtlinge. Vor einiger Zeit war Steinfort vor allem wegen der Polemik um ein größeres Flüchtlingszentrum nationales Gesprächsthema. Ist die Frage definitiv vom Tisch?

Das Projekt, wie es ursprünglich angedacht worden war, ist vom Tisch. Große Zentren sind von der Regierung bekanntlich nicht mehr erwünscht. Man setzt auf kleinere Einrichtungen mit 33 Betten. Wir haben bereits mehrere Flüchtlingsfamilien in Steinfort aufgenommen, die zum Teil bei Privatfamilien leben. Wir haben derzeit kein Gelände, um eine Einrichtung mit 33 Betten aufzunehmen, helfen aber auf anderem Wege.

Dem Koalitionsabkommen zufolge soll der „Bauperimeter“ der Gemeinde nicht erweitert werden.

In den kommenden sechs Jahren ist das nicht vorgesehen. Immerhin befinden sich innerhalb des Allgemeinen Raumnutzungsplans (PAG) noch Flächen, die jederzeit umklassiert werden könnten. Diese Reserve liegt jedoch hauptsächlich in privater Hand. Wir haben eine große Bevölkerung, aber wenig Gelände.

Hat die öffentliche Hand denn in der Vergangenheit diesbezüglich gesündigt?

Einerseits grenzen wir an Belgien, andererseits liegt der Großteil der Flächen im Besitz weniger Familien. Das waren früher Landwirte und die Erben sind nicht immer daran interessiert, die Flächen zu veräußern, was nicht immer mit Spekulationsabsichten zu tun hat.

Sie haben vorhin das Projekt einer Kläranlage mit Arlon angesprochen. Gibt es noch weitere Bereiche für eine mögliche Zusammenarbeit mit dieser Gemeinde?

Wir treffen uns regelmäßig mit den Verantwortlichen der Gemeinde Arlon, mit denen wir recht gute Kontakte haben. Zuletzt haben wir über die „Mobilité douce“ geredet. Aber grenzüberschreitende Kooperation ist recht kompliziert …

2026 sollen 7.000 Einwohner in Steinfort leben. Haben Sie sich eine demografische Obergrenze gesetzt?

Eine Begrenzung setzt ja eigentlich schon der PAG. Wir wollen moderat wachsen, nur so schnell, wie die Infrastruktur mitwachsen kann. Ohnehin ist ja ungewiss, wie es allgemein im Lande weitergehen wird. Meiner Meinung nach wachsen wir zu schnell, die Gemeinden schaffen das nicht mehr so einfach.

Sie setzen stark auf Bürgerbeteiligung. Nutzen die Bürger die Möglichkeiten, sich mit den Verantwortlichen zu treffen?

Ja. Samstags empfängt der Schöffenrat während zwei Stunden die Bürger. Die meisten Menschen kommen zu uns, weil sie eine Arbeit oder eine preisgünstige Wohnung suchen oder weil sie Streit mit den Nachbarn haben (lacht). Die Leute kommen zu uns, wenn sie Sorgen haben. Man kann ihnen leider nicht immer helfen.

Neu ist auch, dass die Bürger sich die Aufzeichnungen der Gemeinderatssitzungen im Internet anschauen können. Ein gutes Beispiel von Bürgerbeteiligung war unser rezenter Appell an die Bevölkerung, Straßennamen für neue Wohnsiedlungen vorzuschlagen. Vor wenigen Wochen hatten wir eine gut besuchte Bürgerversammlung, bei der wir über unsere Projekte geredet haben.

Was mich an der Gemeindepolitik erfreut, ist, dass man in ständigem Kontakt mit den Menschen ist. Deshalb hat mich nationale Politik auch nie so richtig interessiert. In der Gemeindepolitik ist man am Puls der Menschen. Und die Gemeinde bleibt für die Bürger erste Ansprechpartnerin bei Problemen.