Purer Pragmatismus

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Vor den Wahlen
„Wir haben nicht fusioniert.“
„Es gibt kein blau-rot-grünes Projekt mehr.“

Nach den Wahlen
„Wir sind die Koalition der Gerechtigkeit, der Innovation, der Weitsicht und der sozialen Kohäsion.“

Eigentlich ganz schön clever: Eine Koalition, die den Eindruck vermittelte, nicht einmal mehr mit Gesellschaftspolitik punkten zu können, feiert gerade ihr Comeback – mit Gras, gratis öffentlichem Transport, Glyphosat-Verbot und geplanter Steuerreform. Man nehme den zusätzlichen Feiertag hinzu und die Erhöhung der Mindesturlaubstage für Arbeitnehmer von 25 auf 26 Tage pro Jahr und siehe da: Ganz so tot wirkt Blau-Rot-Grün dann doch nicht mehr. Zumindest oberflächlich betrachtet. Denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und genau diese Präzisierungen rund um die Umsetzung der geplanten Vorhaben hat Regierungsbildner Xavier Bettel gestern bei der Vorstellung der Stoßrichtung des neuen Koalitionsabkommens bewusst ausgeklammert.

Der Grund: Die Kommunikationsstrategie der drei Koalitionäre überlässt nichts mehr dem Zufall. Während lange Zeit nichts aus den Koalitionsgesprächen an die Öffentlichkeit drang, bedient man sich inzwischen der altbewährten Salamitaktik. Zunächst wurden die Namen möglicher Minister-Anwärter ins Spiel gebracht. Obschon gebetsmühlenartig darauf hingewiesen wurde, es gehe nicht um „Käpp“, sondern nur um Inhalte, zeigt sich immer deutlicher, dass sehr wohl zeitgleich über Posten und politische Inhalte diskutiert wurde.

Anschließend wurden die populärsten Vorhaben geleakt. Das Ziel hinter dieser Strategie: Alles dafür tun, dass bloß kein Parteigremium auf die wilde Idee kommt, das Koalitionsabkommen am Ende abzulehnen. Und wie es aussieht, stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, dass die Neuauflage der Dreierkoalition reibungslos Realität wird.

Denn die gestern vorgestellten inhaltlichen Schwerpunkte lassen sich als nichts anderes als das Ergebnis von Kompromissen und purem Pragmatismus einstufen. Vizepremier Etienne Schneider (LSAP) hat seine rote Linie rund um die Erhöhung des Mindestlohns durchgeboxt – wenn auch mit dem Schönheitsfehler, dass die Mehrkosten zwischen Staat und Arbeitgebern aufgeteilt werden. Die DP hat wiederum nicht die Reduktion der Betriebssteuer auf 21 Prozent ausgehandelt. Dafür trägt die geplante Senkung der Steuerlast um 1 Prozent für alle Unternehmen die liberale Handschrift. Auch die Staatsverschuldung will man weiterhin unter 30 Prozent des BIP halten, um das für Luxemburg sakrosankte „Triple A“ nicht zu gefährden. Die Grünen scheinen sich ihrerseits nicht in Sachen Tanktourismus durchgesetzt zu haben, dafür aber beim ambitionierten Ziel, dass bis 2025 ein Fünftel der hiesigen Agrikultur Biolandwirtschaft sein soll.

Das größte Sprengpotenzial haben somit die zunächst harmlos klingenden Maßnahmen. Durch die Aufhebung der Steuerklassen und die damit einhergehende Individualbesteuerung soll es zum Beispiel keine Verlierer geben. Wie komplex jedoch solche Vorhaben sind und ob es am Ende wirklich nur Gewinner gibt, wird sich noch zeigen müssen. Ähnlich steht es um die sexy klingende Maßnahme kostenloser öffentlicher Transport. Wenn dieses Vorhaben etwa nur auf Kosten der Grenzgänger umgesetzt werden kann, scheint die „Koalition der Gerechtigkeit, der Innovation, der Weitsicht“ ein sehr eigenartiges Verständnis von sozialer Kohäsion zu haben.

Marcel Gillander
2. Dezember 2018 - 16.39

Der öffentliche Transport wird gratis ohne dass die Regierung dabei klare Ziele verfolgt. Was will sie damit erreichen? Basiert diese folgenschwere Massnahme auf Expertisen, Untersuchungen oder Kundenbefragungen oder handelt es sich um ein einfaches Beispiel von "politique politicienne", von politischer Schacherei fern von allem Sachverstand der die langfristige Zukunft von Bahn und Bus nun geopfert wird? Ohne klare Zielsetzung droht die Einführung des Nulltarifs in einem Fiasko zu enden, schade. In den letzten Jahren ist viel erreicht worden in Punkto Image- und Qualitätssteigerung und ist die Akzeptanz und Nutzung des öffentlichen Transportes in breiten Bevölkerungsschichten gestiegen. Diese Fortschritte sind nun gefährdet.

Pol
2. Dezember 2018 - 11.33

Man merkt sehr schnell. dass Dhiraj Sabharwal nicht so recht mit dem Resultat der Wahlen zufrieden ist. Natürlich hat er ein Recht auf eine seine eigene Meinung, aber schlecht machen und meckern bringt im Nachhinein auch nichts. Es wäre interessant zu wissen, wie Dhiraj Sabharwal sich seine ideale Koalition denn so vorstellen würde und wie er das dann alles umsetzen und vor allem finanzieren würde. Für mich ist es wichtig, dass der Wählerwille umgesetzt wird. Dass das in einer Koalition nicht immer einfach ist, wissen wir alle. Kompromisse sind immer noch besser als das blinde Durchsetzen von ideologischen Doktrinen.

de Korrekten
1. Dezember 2018 - 18.12

De Korrekten : Gratis öffentlechen Transport as un sech eng gut Iddie - oder vielleicht och net - well wann bis vill Leit , deenen et leider net esou gut am Liewen geet , an zb op der Strooss liewen , op Iddie kommen , den ganzen Daag daat öffentlecht Verkeiersmettel ( zb en Zuchwaggon ) als Wunneng ze gesin ( speziell an der kaaler Joereszäit ) dann kann een se net firun Dier setzen well Gratis heescht Gratis an gellt fir all Awunner . Ech gin jo derfun aus dat den öffentlechen Transport dann och fir all Auslänner dei bei eis op Besuch kommen Gratis as . Ech sin vill mam öffentlechen Transport ennerwee an et as elo schon deelweis Chaotesch duerfir sin ech emol gespaant waat mam gratis Transport op eis duer kennt

Le républicain
1. Dezember 2018 - 3.52

Politik ist eben die Kunst des Möglichen, sagte schon Bismarck. Und Gambia II hat es wieder einmal bewiesen.

anne
30. November 2018 - 16.28

Kann een sëch och 1 Arbescht a sëngem Land sichen. Et kann en net nemmen Kiischt vum Kuch huelen Huelen un dass et ierch jo bestemmt net schlecht geed mat ärem Revenue vun hei bei ierch an ärem Land

vancouver
30. November 2018 - 15.02

Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs ist sicherlich schon lange notwendig. Ich bin Grenzgänger und würde auch gerne davon profitieren, was aber nicht am Preis sondern an den fehlenden Angeboten liegt. Und ich teile die Ansicht des Kommentators, dass dieses Projet nicht vorrangig die Grenzgänger belasten darf. Wir freuen uns über die Entfernungspauschale, weil wir ja im Vergleich mit den meisten Luxemburgern auch sehr hohe Autokosten für die Fahrt zur Arbeit haben. Die Grenzgänger haben durch die letzte Steuerreform schon erhebliche Einschnitte erfahren, ich möchte nicht noch weiter die Kosten einer Luxemburger Politik tragen, die mir im Gegenzug nichts bringt

tarzan
30. November 2018 - 12.27

die steuerreform für privatpersonen wird wohl zum letzten nagel im lsap-sarg. Man wird sich nochmal wehmütig an die gute alte 10-sitze zeit erinnern.

Jacques Zeyen
30. November 2018 - 9.31

Der Wählerauftrag wurde umgesetzt.Das ist schon einmal ein erstes Ergebnis. Die "Yesterday-Partei" bleibt auf der Oppositionsbank und darf sich in Demut üben. Nur,kein Wort von bezahlbaren Wohnungen!! Aber das wird schon noch. Gratis Transport im öffentlichen Verkehr? Naja-wenn dann die Züge nicht bald aussehen wie französische Autobahnklos!?Denn es geht hier ja wohl um die Abschaffung des Kontrollschaffners. Obwohl,bezahlt wird der öT sowieso über die Staatskasse,oder denkt jemand die Kosten würden über Tickets gedeckt? Und solange eine Zugfahrt aus dem Ösling in die Hauptstadt für eine Familie teurer wird als mit dem Auto,kann ein Gratistransport sie vielleicht zur Benutzung des Zuges verleiten. Wenn dann aber die meisten Sitze von Wegelagerern und Säufern "belegt" sind,weil kein Kontrollpersonal mehr vor Ort ist,nimmt die kleine Familie dann doch lieber das Auto.