Nervosität vor Großdemonstrationen von Opposition und Regierung in Serbien

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Mit einer Kampagne für die „Zukunft Serbiens“ versucht Staatschef Aleksandar Vucic die monatelangen Dauerproteste zu kontern: Unbedingt will er beim nahenden Demonstrations- Kräftemessen in Belgrad die Opposition mit Hilfe von aus dem ganzen Land herbeigekarrten Partei- Claqueuren übertrumpfen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Aus seinem angefressenen Präsidentenherzen macht Serbiens allgewaltiger Vormann Aleksandar Vucic keine Mördergrube. „Fünf Monate beleidigen sie uns, während wir unsere Arbeit tun, Fabriken eröffnen und Grundsteine legen“, erregt sich der dünnhäutige Staats- und Parteichef der regierenden SNS über die seit Ende November anhaltenden Dauerproteste gegen Vetternwirtschaft, die Knebelung der Pressefreiheit und Aushöhlung der Gewaltenteilung beim EU-Anwärter: „Sie lügen – und verstehen nicht, dass hier jemand wirklich die Unterstützung des Volkes hat.“

Tatsächlich liegt Vucic in den Popularitätsumfragen weiter einsam vorn und obsiegt seine SNS auch dank ihrer Medienmacht noch bei jeder Nachwahl. Doch die Proteste zeugen von wachsendem Unmut über die Demokratie-Defizite im faktischen Einparteienstaat – und verstören nicht nur auf dem internationalen Parkett das von Vucic sorgfältig gehegte Bild des entschlossenen „Reformers“.

Um die ihn sichtlich nervenden Dauerproteste zu kontern, tingelt der machtbewusste Landesvater seit Mitte März auf einer „Kampagne für die Zukunft Serbiens“ durch die Provinz, um beifallsumtost den Aufbruch in bessere Zeiten zu geloben. Nun bläst Serbiens autoritär gestrickter Dominator zum Demonstrationskräftemessen mit der Opposition in der Hauptstadt – und gelobt für den 19. April die „größte Kundgebung der letzten 40, 50 Jahre“: „Es werden zwölf bis 15 Mal mehr kommen als am 13. April.“

Opposition hat Transportprobleme

Tatsächlich ruft auch Serbiens wenig heterogene Opposition an diesem Samstag zur landesweiten Großkundgebung in die Hauptstadt. Im Gegensatz zur SNS, die laut Presseberichten ähnlich wie bei der Visite von Kreml-Chef Wladimir Putin im Januar 50.000 Anhänger mit rund tausend Bussen in die Hauptstadt karren will, machen den Vucic-Gegnern indes logistische Probleme zu schaffen: Viele Busunternehmen lehnen aus Angst vor Inspektionen und Behördenschikanen den Transport von Oppositionsanhängern dankend ab.

Wurden die Proteste zunächst vor allem von unabhängigen Bürgern dominiert, versuchen die Oppositionsparteien mittlerweile, das Heft in die Hand zu nehmen: Vor allem die von linksliberalen bis rechtsklerikalen Kräften reichende „Allianz für Serbien“ hat sich in den letzten Wochen mit der Besetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RTS oder der Belagerung des Präsidentenpalastes und des Rathauses zu profilieren versucht. Die SNS spricht aufgeregt von „Gewalt“. Doch auch viele Demonstranten scheinen von der von der Opposition forcierten Radikalisierung der Proteste kaum begeistert: Es ist laut einer Umfrage eher der Unmut über Vucic und über die Zustände im SNS-Staat als die Unterstützung für die Opposition, der sie auf die Straßen treibt.

Mit Unterstützung der Staatsressourcen werde es der SNS problemlos gelingen, beim Demo-Wettstreit die Opposition zu übertreffen und die gelobten 150.000 Anhänger aufmarschieren zu lassen, orakelt der Kommentator der Zeitung Blic. Doch es sei offensichtlich, dass es Vucic nicht geglückt sei, die Proteste gegen ihn zu parieren. Im Gegenteil: Mit seiner Zukunftskampagne habe er die Zahl der verbitterten Bürger nur vergrößert.

Tatsächlich hat sich Vucic selbst zum unfreiwilligen Namensgeber und Inspirator der Protestbewegung gemacht. „Marschiert, so viel ihr wollt. Ich werde euch keine einzige Forderung erfüllen – selbst wenn fünf Millionen von euch kommen sollten“, hatte der SNS-Chef angesäuert nach den Protesten im November erklärt. „Einer von fünf Millionen“ ist seitdem das spöttelnde Motto der Samstags-Proteste.