„Ich sauge alles auf“ – Tullio Forgiarini über Bücher und Inspiration

„Ich sauge alles auf“ – Tullio Forgiarini über Bücher und Inspiration

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Von Jo-Anne Wagner

Im richtigen Leben ist Tullio Forgiarini „Proff“ im Lyzeum in Wiltz. In seiner Freizeit schreibt er Theaterstücke und Bücher. Im Mai wurde die italienische Übersetzung von „Amok“ veröffentlicht. Das Tageblatt traf Tullio Forgiarini, Jahrgang 1966, bei einer gemütlichen Tasse Kaffee.

Tageblatt: Eine Erstübersetzung Ihres Buches „Amok“ wurde vor einiger Zeit veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Tullio Forgiarini: Im Kontext des Literaturpreises der Europäischen Union, den ich 2013 für „Amok“ gewonnen habe, konnte ich dieses Buch von einem europäischen Verlag übersetzen lassen. Die Kosten wurden selbstverständlich von der EU übernommen.

Wieso haben Sie Italienisch als Sprache für die Übersetzung gewählt?
Das war eher zufällig als geplant. Ich bekam viele Anfragen unter anderem aus Serbien und Bulgarien. Das Problem aber war, dass es das Buch bislang nur auf Luxemburgisch gab und leider nicht auf Deutsch, Französisch oder Englisch. Es war also schwierig, einen Übersetzer für diese Sprachen zu finden. Somit ergab sich dann schlussendlich die Gelegenheit, mit dem Luxemburger Übersetzer Christian Welter zusammenzuarbeiten, der das Buch schließlich ins Italienische übersetzt hat.

Aber, Sie sind doch italienischer Abstammung …
Ja! Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich lese, dass ein Buch von Tullio Forgiarini von einem Christian Welter ins Italienische übersetzt wurde. Leider reichen meine Italienisch-Kenntnisse nicht für eine gute Übersetzung aus. Dennoch bin ich sehr stolz darauf – back to the roots, wie man zu sagen pflegt …

Im großen Ganzen inspiriere ich mich an realen Alltagssituationen

Tullio Forgiarini

Vor einigen Jahren wurde das Buch ebenfalls verfilmt. Wie ist die Idee zustande gekommen?
Die Anfrage kam eigentlich von mir. Ich habe mein Buch Produzenten geschickt und gefragt, ob sie nicht Lust hätten, daraus einen Film zu machen. Die Idee ist sofort gut angekommen. Der Regisseur und die Schauspieler wurden ausgewählt und der Dreh konnte beginnen. Da ich nicht aktiv an der Verfilmung teilgenommen habe, verlief für mich aber alles ohne Stress. Dennoch konnte ich das Drehbuch selber schreiben. Seltsamerweise fand ich das Schreiben des Szenarios aber eher leicht. Ich glaube, dass meine Bücher ziemlich visuell sind, und so konnte ich mir beim Schreiben bereits alles wie einen Film vorstellen. Das hat mir die Arbeit erheblich erleichtert.

Wo nehmen Sie eigentlich die Inspiration für Ihre Bücher her?
Im großen Ganzen inspiriere ich mich an realen Alltagssituationen. Ich vergleiche mich oft mit einem Schwamm: Ich sauge alles auf und verwende es danach für meine Geschichten weiter. Ich interessiere mich eben für einfach alles. Aus diesem Flickwerk an persönlichen und alltäglichen Situationen entstehen dann meine Werke – da ist nicht mehr viel erfunden.

Oftmals wird gesagt, dass man nur das schreiben kann, was man auch kennt. Wie sehen Sie das?
Richtig. Ich bin der Meinung, dass gute literarische Werke immer einen persönlichen Touch haben sollen. Dennoch muss man die richtige Balance finden, um nicht zu viel von sich preiszugeben. Für das Buch „La Ballade de Lucienne Jourdain“ zum Beispiel habe ich mich für die Hauptfigur hauptsächlich an meinem Umfeld, aber auch an mir selber inspiriert. Schließlich sagte der französische Autor Gustave Flaubert ja auch von seinem Hauptcharakter „Madame Bovary, c’est moi!“

Aber Ihre Bücher haben oft neben dem realistischen auch einen fantastischen und übertriebenen Flair, oder?
Ich glaube, charakteristisch für meine Bücher sind vor allem mein starker Hang zum Romantisch-kitschigen, mein schwarzer Humor, aber auch die sozialkritischen Situationen, die unter anderem von Missbrauch und Vergangenheitsbewältigung handeln. Da ich Professor im Lyzeum bin, denke ich, dass ich die letzteren Thematiken aber weniger von mir als von meinen Schülern ableite. Oft ziehe ich auch die luxemburgische Gesellschaft ins Lächerliche und übertreibe.

Haben Sie Pläne für die Zukunft?
Ich will unbedingt wieder auf Französisch schreiben. Da ich diese Sprache etwas verlernt habe, zwinge ich mich momentan, nur Bücher auf Französisch und nicht mehr nur auf Deutsch und Englisch zu lesen. Ich würde ebenfalls gerne ein weiteres Theaterstück veröffentlichen, für das ich bereits einige Ideen habe. Auch einen weiteren Film schließe ich nicht aus – natürlich, wenn es sich so ergibt. Aber Ideen gehen mir eigentlich nie aus. Das Problem ist leider nur, es dann auch zu machen – und das ist nicht immer so einfach.