Friedensnobelpreis für Anti-Atom-Kämpfer? 

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Man hat das Gefühl, es könne jederzeit eskalieren. Nordkorea testet Atomwaffen, will gar eine Wasserstoffbombe gezündet haben. US-Präsident Donald Trump demonstriert mit Kampfjets seine Macht. Auch der Iran spielt wieder mit den Muskeln und erprobt Raketen. Abrüstung und die Vision einer atomwaffenfreien Welt scheinen so weit entfernt wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. In dieser angespannten Weltlage wird in der kommenden Woche der Friedensnobelpreis vergeben. Kann und wird die wohl wichtigste politische Auszeichnung ein Zeichen setzen gegen ein neues Aufrüsten?

Friedensforscher sehen den Kampf gegen Atomwaffen in diesem Jahr als das große Thema. „Es wäre angemessen, wenn der Preis an eine Gruppe oder eine Person ginge, die sich für nukleare Abrüstung einsetzt“, sagt der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith. Die internationale Anti-Atomwaffenkampagne Ican könnte so ein Kandidat sein.

„Nicht mehr nur Theorie“

Der norwegischer Friedensforscher Henrik Urdal vom Prio-Institut hat die „Architekten“ des Atomabkommens mit dem Iran ganz oben auf der Liste: Den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. „Wir sind in einer Situation, in der die Anwendung von Atomwaffen nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit ist“, betont Urdal. Die internationale Gesellschaft müsse dazu beitragen, die Entwicklung und Verbreitung von Atomwaffen zu begrenzen. „Es ist wichtig, dass Nordkorea sieht, dass das Abkommen mit dem Iran international honoriert wird.“

Sarif und Mogherini hatten 2015 die 20 Monate langen Verhandlungen zu einem historischen Abkommen organisiert, mit dem Teheran auf die Entwicklung von Kernwaffen verzichtet. Alle Beteiligten – auch die USA – bescheinigen dem Iran bisher, die Vereinbarung einzuhalten. Doch Trump betont immer wieder, es sei der schlechteste Deal, den sein Land je unterschrieben habe.

Trump und Putin unter den Kandidaten

Als der Iran am vergangenen Wochenende seine Mittelstreckenrakete zeigte, stellte der US-Präsident das Abkommen sofort infrage. „Der Iran hat gerade eine ballistische Rakete getestet, die in der Lage ist, Israel zu erreichen. Sie arbeiten auch mit Nordkorea zusammen. Mit unserem Abkommen ist es nicht weit her!“, twitterte er. Auch in der UN-Generaldebatte hatte er mit dem Ende der Vereinbarung gedroht.

Gerade deshalb sei es jetzt so wichtig, die erfolgreichen Gespräche mit einem Preis zu würdigen, meint der norwegische Historiker Asle Sveen. „Ein Friedensnobelpreis würde es den USA viel schwieriger machen, sich aus der Vereinbarung rauszuziehen.“

Nominiert wurden die Kandidaten für den Friedensnobelpreis allerdings schon im Frühjahr – bevor die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA so deutlich wurden. In diesem Jahr musste das fünfköpfige norwegische Nobelkomitee zwischen 215 Personen und 103 Organisationen wählen. Auch Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin sind darunter – neben Papst Franziskus und den syrischen Weißhelmen, die schon im vergangenen Jahr als heiße Kandidaten galten.

Keine „Belohnung für eine symbolische Aktion“

Kristian Harpviken, Urdals Vorgänger als Prio-Direktor, setzte auf seiner im Frühjahr veröffentlichten Liste möglicher Preisträger die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU ganz nach oben. Sie hatte Trump wegen seiner Einreiseregelung für Ausländer vor Gericht attackiert, setzt sich für Meinungsfreiheit, gegen Todesstrafe und Polizeigewalt ein. Immer wieder wird auch die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas genannt. „Wenn es beim Friedensnobelpreis wirklich um Frieden geht, dann sind sie es“, meint der Direktor des schwedischen außenpolitischen Instituts, Mats Karlsson.

Er hoffe, dass der Preis an jemanden gehe, der sich mit seiner Arbeit über viele Jahre bewiesen habe – statt einer „Belohnung für eine symbolische Aktion“. Ein Preis für Taten also statt für Hoffnung, wie beispielsweise der 2009er Preis an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama.

Urdal sieht das anders: Ein Friedensnobelpreis könne Dinge anstoßen, auf den richtigen Weg bringen, sagt er. „Letztes Jahr hat der Nobelpreis für Präsident Juan Manuel Santos dazu beigetragen, den Friedensprozess in Kolumbien neu zu fokussieren.“ Eine Auszeichnung für das Atomabkommen mit dem Iran könne riskant sein. „Wir wissen nicht, ob das Abkommen langfristig Erfolg haben wird“, sagt Urdal. Doch um etwas zu bewegen, müsse die Jury solche Risiken eingehen.