Fluglotsen sind die permanenten Schutzengel am Findel

Fluglotsen sind die permanenten Schutzengel am Findel

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Während einer Flugreise hat sich bereits der eine oder andere Passagier gefragt, was eigentlich so alles zeitgleich im Tower geschehen muss, damit sein Flug problemlos abläuft. In Zeiten, wo der Luftverkehr tendenziell zunimmt, erscheint der Fluglotse immer mehr wie ein unumgänglicher Schutzengel. Wir haben uns mit der erfahrenen Fluglotsin Alice über den Alltag im Tower unterhalten.

Von Christian Schaack (Text und Fotos)

Tageblatt: Weshalb haben Sie diesen Beruf gewählt?
Alice: Ein guter Freund hat mir eines Tages den Tower ganz im Detail gezeigt. Dabei habe ich diesen Arbeitsplatz gleich als eine willkommene Herausforderung betrachtet. Ich habe damals bereits als Flugbegleiterin in der Luftfahrt gearbeitet und mich kurz danach umschulen lassen. Der Alltag verbleibt weiterhin sehr interessant und ich habe diese Entscheidung bis heute noch nicht bereut.

Wie lange dauert die Berufsausbildung?
Die Fluglotsen in Luxemburg waren immer Staatsbeamte, neuerdings gibt es jedoch parallel auch die Möglichkeit der Angestellten-Laufbahn. Dann folgen ein medizinischer Tauglichkeitscheck und der Feast-Test (First European Air Traffic Controller Selection Test). Letzterer wurde wissenschaftlich ausgearbeitet, um verschiedene unentbehrliche Fähigkeiten zu testen.

Nachdem man diese Hürden genommen hat, beginnt man eine mindestens neun Monate dauernde Ausbildung an der Akademie der deutschen Flugsicherung in Langen bei Frankfurt. Hier wird man nach einem Basic-Kurs als Tower- und/oder Radarlotse ausgebildet. Nachdem man die theoretische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, beginnt man den praktischen Teil. Ein erfahrener Instrukteur coacht und begleitet den Anwärter während mindestens 350 Arbeitsstunden. Danach wird man nach einem allerletzten praktischen Examen angestellt.

Was ist der Unterschied zwischen einem Tower- und einem Radarlotsen?
Die Towerlotsen im Aussichtsraum kontrollieren alle Flugzeugbewegungen mitsamt An- und Abflügen in der direkten Kontrollzone um den Flughafen. Die Radarlotsen hingegen überwachen und regeln den restlichen Luftraum über Luxemburg. So begleiten sie den gesamten Anflug eines Flugzeugs bis zum Endanflug, ab dann übernehmen die Towerlotsen. Bei Abflügen übernehmen die Radarlotsen die Flugzeuge ab dem Moment, wo sie in der Luft sind.

Welche menschlichen Qualitäten setzt der Beruf voraus?
Ein gewisses Organisationstalent, ein ausgeprägtes räumliches Denken, eine Multitasking-Veranlagung, soziale Kompetenzen und ein gutes Kurzzeitgedächtnis sind schon wichtig. Im Allgemeinen arbeitet man nie alleine: Jeder Dienst wird von mindestens zwei Leuten geleistet. Dies ermöglicht eine gerechte Aufgabenverteilung und eine indirekte Kontrolle, sprich eine verbesserte Sicherheit, denn vier Augen sehen mehr als zwei.

Gibt es in diesem Beruf viel Stress?
Es kommt nie so weit, dass man das Flugaufkommen nicht mehr meistern könnte. Während der Ausbildung wird man auf stressintensive Situationen wie z.B. Notlandungen bestens vorbereitet.

Der Findel ist jedoch durch seinen vielfältigen Flugverkehr schon eine Herausforderung an sich. Der Mix macht es: hier gibt es Instrumentenflüge, Sichtflüge, Flugschulen, Polizei- und Rettungshubschrauber, Militärmaschinen sowie alle möglichen Flugzeugtypen von Cessna 172 bis Jumbo-Jets. Man kann Luxemburg nicht mit einem Flughafen wie Frankfurt vergleichen, wo die Flugzeuge tatsächlich im Zwei-Minuten-Takt starten und landen. Deswegen wird die ganze Arbeit dort extrem geregelt und verbleibt im Gegensatz zu hier äußerst repetitiv.

Welche besondere Begebenheit weist der Findel auf?
Der Flughafen ist geografisch gesehen ziemlich eingekesselt. Auf der einen Seite liegt die Stadt Luxemburg, im Süden Sandweiler und im Osten Niederanven. Durch einen „Buckel“ in der Mitte wird die Landebahn derart gekrümmt, dass man von einem Ende aus betrachtet das andere nicht sehen kann. Übrigens die Bezeichnungen „06“ an dem einen und „24“ an dem anderen Ende stammen von dem jeweiligen Winkel, in dem die Bahn gerichtet ist, also 060° und 240°.

Welche Grundregeln gibt es in Sachen Sicherheit?
Es gibt einen ellenlangen Prozedurenkatalog, Grundregeln und Gesetze, die sowohl international und national Vorschrift sind. Die Grundregeln kann man folgendermaßen resümieren: Der primäre Zweck jeder Flugverkehrskontrolle ist die Staffelung von Flugzeugen, um Kollisionen zu verhindern.

Dadurch wird auch der Verkehrsfluss organisiert und beschleunigt. Zudem wird die Bereitstellung von Informationen zur Unterstützung der Piloten gewährleistet. So muss zum Beispiel die Landebahn immer frei sein, bevor eine Lande- oder Starterlaubnis erteilt wird. Oder nach dem Start einer schweren Maschine vom Typ Boeing 747 muss man wegen der dadurch generierten gewaltigen Wirbelschleppe eine gewisse Wartezeit einhalten. Ein zu schnell darauf startendes Flugzeug könnte deswegen eventuell abstürzen.

Welche Rolle spielt das Wetter im Alltag?
Gewitter, Stürme oder Unwetter sind natürlich gefürchtet. Abrupt drehende Windrichtungen, Hagel und Blitz sind extreme Gefahrenquellen. Um diese zu umfliegen, benötigen die Piloten eine Reihe besonderer Anweisungen. Man weiß nie so richtig, was einen in einem Wolkenturm erwartet. Bei Nebel oder Schnee gibt es zusätzliche Spezialprozeduren. Je nachdem wie die Sichtverhältnisse sind, passen wir die Anweisungen daran an.

Bei Schneefall sind es die Lotsen, die entscheiden, wann die Bahn zum Schneeräumen geschlossen wird. Um die Bremswirkung bei Schnee oder Eis auf der Landebahn zu messen, fährt die Feuerwehr mit einem speziellen Fahrzeug die Bahn ab. Falls notwendig, beauftragt der Tower daraufhin die „Ponts et Chaussées“ mit den Säuberungsarbeiten.

Was sind die häufigsten Vorfälle, mit denen man zu tun hat?
Vorfälle wie z.B. Notlandungen gibt es regelmäßig. Diese sind bedingt durch technische Pannen oder medizinische Notfälle an Bord. Manchmal kann auch ein plötzlicher Wetterumschwung zu Notlandungen führen. Vogelschlag ist ein weiterer Auslöser. Bei Triebwerktreffern kann dies sogar deren Ausfall bedingen. Die Feuerwehr muss in diesem Fall schnellstens die Landebahn kontrollieren, um alle Tierreste zu beseitigen.

Wie kann man das Vogel-Problem lösen?
In der „Administration de la navigation aérienne“ gibt es eine spezifische Abteilung, die sich darum kümmert. Das sogenannte „Wildlife Management“ sucht nach Lösungen, und je nachdem wo sich Vogelschwärme absetzen, werden sie verjagt. Im Allgemeinen gibt es hier auf dem Flughafengelände viele Tiere. Es hoppeln Kaninchen herum und vor ein paar Jahren liefen sogar einige Male Wildschweine über die Landebahn. Auch Füchse streunen herum und all diese Tiere können potenziell Maschinen bei Start oder Landung beschädigen.

Welche Rolle spielt die Weiterbildung?
Ich konnte während meiner beruflichen Aufenthalte im Ausland schon zahlreiche Tower besuchen. Besondere Kontakte werden zum Beispiel mit den Kollegen in Frankfurt, Saarbrücken, Köln oder München gepflegt. Wenn neue Projekte und Systeme ausprobiert werden, stehen Flughafenbesuche an. Da sich die Technik ständig weiterentwickelt, werden regelmäßig Konferenzen und Messen besucht. So bleiben wir immer auf dem neuesten Technikstand und können verhindern, dass unsere Anlage veraltet. Die weltweit wichtigste und größte Jahresmesse findet übrigens in Madrid statt.

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