Deutschland wählt „Weiter so“ und wird instabiler

Deutschland wählt „Weiter so“ und wird instabiler

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„Weiter so“ war das vorherrschende Motiv bei dieser Bundestagswahl. Und doch geht nichts so weiter. Der Bundestag ist nun ein Sieben-Parteien-Parlament mit einer neuen, erschreckend starken Rechtspartei. Die Regierungsbildung wird schwierig. Und die Volksparteien erodieren.

Das zeigt sich vor allem bei der SPD. Sie verdient die Bezeichnung Volkspartei jetzt fast schon nicht mehr. Die Union feiert, doch ist es ein Pyrrhussieg. Rund 33 Prozent sind ein historisch schlechtes Ergebnis, zumal ein Teil der Stimmen gar nicht der Partei an sich galt, sondern der Kanzlerin als Garantin des „Weiter so“. Wenn Merkel abtritt, steht auch die Union vor den neuen Realitäten. Auch ihr entschwinden die angestammten Milieus.

Die Scham ist vorbei

Dass diese Wahl eine Zäsur bedeutet, zeigt am deutlichsten das Ergebnis der AfD. Sie ist nicht trotz wohlkalkulierter rechtsextremer Ausfälle ihres Spitzenpersonals so stark geworden – sondern wegen ihnen. Auch die bisher noch verschämten Anhänger dieser Partei haben sich in der Wahlkabine „getraut“, das Kreuz bei den Rechtsnationalen zu machen. Die Scham ist vorbei.

Nach Jahrzehnten der politischen Stabilität wird die Regierungsbildung nun erstmals außerordentlich schwierig. Eine erneute große Koalition würde ihren Namen nicht mehr verdienen. Gut, dass die SPD so schnell entschieden hat, in die Opposition zu gehen. Das war auch eine Frage der Selbstachtung, denn es gibt eine andere Mehrheit – die Viererkoalition zwischen CSU, CDU, Grünen und FDP. Ein solches Bündnis wird zweifellos eine wackelige Angelegenheit. Und doch muss dieser Weg wenigstens versucht werden.

In der Gesamtschau lässt sich sagen: Diese Wahl hat eine Kanzlerin bestätigt. Aber das Land nicht voran gebracht. Im Gegenteil. Die politischen Verhältnisse in Deutschland sind mit diesem Sonntag deutlich instabiler geworden.

Ein Kommentar von unserem Korrespondenten Werner Kolhoff