Montag10. November 2025

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Der Eisenbahn Airbus

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Frankreich bietet Siemens die Gründung eines Eisenbahn Konglomerates an, quasi einen Airbus Konzern auf Schienen.

Den Traum vom „europäischen Champion-Weltunternehmen“ hat es in Frankreich immer gegeben. Im entscheidenden Augenblick ist er aber auch immer geplatzt. Im Bereich der Elektrotechnik hat dabei immer Siemens eine Rolle gespielt. Aber immer wieder hat sich Frankreich gegen Siemens entschieden.

Das könnte sich nun ändern. Frankreich bietet Siemens die Gründung eines Eisenbahn Konglomerates an, quasi einen Airbus Konzern auf Schienen. Die französische Alstom Gruppe und der Mobilitätsbereich von Siemens sollten zu einem Unternehmen verschmolzen werden, lautet der französische Wunsch.

Macron bringt einen Umschwung

Frankreich tritt spät in eine Diskussion ein, die Siemens seit langem mit dem kanadischen Hersteller Bombardier führt. Bombardier und Siemens denken an die Gründung zweier Joint ventures. Eines soll die Herstellung von Zügen betreffen unter Führung von Bombardier, ein anderes die Signaltechnik unter Führung von  Siemens. Die Gespräche laufen seit langer Zeit. Eigentlich sollte der Siemens Aufsichtsrat sich im August bereits mit dem Thema befassen, aber dann herrschte das große Schweigen.

In Frankreich herrscht mit dem neuen Staatspräsidenten Emmanuel Macron nicht nur die Vorstellung einer politischen Kooperation mit Deutschland. Macron denkt an eine politische Verzahnung mit Deutschland im wirtschaftlichen Bereich.  Der Vorschlag, Alstom mit der Mobilitätssparte von Siemens zu verbinden, eröffnet einerseits Siemens eine neue Option, bringt andererseits Frankreich ins Spiel der Restruktrierung der europäischen Eisenbahnindustrie, ein Spiel, das sich beinahe ohne die Franzosen organisiert hätte.

Passend zur französischen Wirtschaftsauffassung sollen Pariser Emissäre zunächst bei der Kanzlerin in Berlin vorgefühlt haben, ob die deutsche Regierung Vorbehalte gegen eine deutsch-französische Eisenbahnkooperation hätte. Hatte sie nicht. Einen Hintergedanken hat Paris aber doch: Sollte es einen „europäischen Eisenbahn Airbus“ geben, muss er französisch sein.

Schwierige Verhandlungen

Das Thema ist delikat. Vor drei Jahren stand die Einbringung der Alstom Generatorensparte in einen größeren Verbund an. Siemens hatte sich dafür nicht interessiert, wohl wissend, dass es eine Überschneidung in der Produktpalette gibt. Angesichts der Tatsache, dass als alleiniger Bewerber der US Konzern General Electric in Paris anklopfte, suchte der damalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg einen Partner, der einen „europäischen Champion“ mit Alstom gründen sollte.

Die Einladung erging an Siemens. Die Münchner aber dachten größer. Sie boten der französischen Regierung an, ihre Eisenbahnsparte mit der von Alstom zu verbinden und anderseits die Turbinensparte von Alstom zu übernehmen. Der damalige Staatspräsident Francois Hollande entschied sich dafür, die Turbinensparte an General Electric abzugeben. Um die Entscheidung entsprechend beeinflussen zu können, lieh sich die Regierung Alstom Aktien und Stimmrechte vom größten privaten Aktionär, Bouygues. Drei Jahre nach der französischen Absage nun also wieder wieder Siemens. Warum?

Restrukturierung unausweichlich

Europa kennt drei wesentliche Akteure im Mobilitätsbereich: das kanadische Unternehmen Bombardier mit seinen Fabriken in Deutschland,  dazu Siemens und Alstom. Daneben gibt es Spezialhersteller wie etwa die deutsche Vossloh Gruppe und auch spanische Hersteller.  Alle Hersteller suchen Aufträge in Europa und weltweit. Die heimischen Märkte und auch Europa sind für das Überleben der einzelnen Unternehmen zu klein geworden. Alstom ist im Prinzip ein finanziell gesunder Konzern. Allerdings nur durch internationale Aufträge mit Produktionen weltweit, die keine Arbeit in Frankreich schaffen. Bombardier befindet sich in Schwierigkeiten. Siemens sucht entweder die Trennung von seiner Sparte oder eine Fusion oder Kooperation durch Joint Ventures. Die Restrukturierung der Eisenbahn-Industrie ist unausweichlich, soll es nicht zu Zusammenbrüchen kommen. Der Druck zur europäischen Kooperation kommt aus China. Dort hat sich die Industrie zu einem gigantischen Eisenbahnkonzern zusammengeschlossen, der nun weltweit auftritt und bei Aufträgen mit bietet.

Alstom wird nicht alleine stehen bleiben können. Frankreich braucht Siemens und Siemens darf wählen. Mit Bombardier sind die Gespräche an dem Punkt, dass der Aufsichtsrat das Modell der Beständigkeit der beiden Joint Ventures prüfen kann und es möglicherweise schon in der kommenden Woche dem Modell der Fusion der eigenen Eisenbahnsparte mit Alstom, gegenüberstellen kann. Das Problem ist: In allen Fällen stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Alle drei bieten Signaltechnik, den Bau von Hochgeschwindigkeitszügen, von Vorortzügen, von Regionalzügen und zum Teil auch Straßenbahnen an. Die Produktüberschneidungen sind groß. Der Abbau von Arbeitsplätzen, die Zusammenlegungen von Produktionen in der Folge unvermeidbar.

Kein Kommentar von Siemens  

Hier aber wird das französische Angebot schwierig. Siemens äußert sich nicht zu den Verhandlungen. Nach französischen Presseberichten soll der deutsche Konzern bereit sein, seine Mobility Sparte in den Alstom Konzern im Rahmen einer Kapitalerhöhung einzubringen. Dafür will Siemens die Kapitalmehrheit, sprich die Mehrheit im Verwaltungsrat.

In Frankreich redet man von einer „ausgeglichenen Hochzeit“ und betont der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, dass ein Zusammengehen von Siemens und Bomardier als „ärgerlich“ eingestuft wird.  Mit anderen Worten: Frankreich bringt notgedrungen Alstom in eine Ehe ein, um die zwischen Siemens und  Bombardier zu verhindern. Gleichzeitig sollen die Konditionen so sein, dass sie Frankreich angenehm sind. Regierungssprecher Castaner: „Wir sind nicht beunruhigt, wenn große Unternehmen an einem Zusammengehen arbeiten, solange die Synergien sich nicht auf die Arbeitsplätze auswirken.“ Diese politische Vorstellung dürfte  in der wirtschaftlichen Realität kaum zu verwirklichen sein.

Die Bewertung beider Bereiche liegt jeweils um die sieben Milliarden Euro. Alstom hat mit dem Bouygues Konzern einen Referenz Aktionär in Höhe von 29 Prozent des Kapitals. Kommt die Fusion der Eisenbahnbereiche zustande, würde der Anteil auf 15 Prozent sinken. Siemens Mobility macht einen Umsatz von 7,8 Milliarden Euro, Alstom von 7,3 Milliarden. Siemens erreicht den Umsatz mit 27.1200 Mitarbeitern, Alstom mit 32.800.

Aber bitte französisch

Die französischen Vorstellungen sind sehr klar. „Alstom darf keine Tochtergesellschaft von Siemens werden“, wird eine anonyme Finanzquelle zitiert. Das neue Unternehmen soll seinen Sitz in Frankreich haben. Es soll an der Pariser Börse notiert werden. Es soll ein Unternehmen nach französischem Recht sein. Der Vorstand soll französisch bleiben. Der Vorsitz soll weiter bei Henri Poupart –Lafarge liegen, derzeitiger Vorstandsvorsitzender von Alstom. Sprich: Siemens soll seine Mobility Sparte in ein französisches Unternehmen einbringen. Das ist weit entfernt von von einem „europäischen Champion“ oder einem „Eisenbahn Airbus“.

Frankreich macht Druck auf eine Entscheidung. Die von Bouygues ausgeliehenen Stimmrechte in Höhe von 20 Prozent verfallen am 5. Oktober. Und am 17. Oktober verfällt die Option der französischen Regierung, vom Mischkonzern Bouygues 15 Prozent des Kapitals zu kaufen. Danach hat die Regierung in Paris offiziell keinen Einfluss mehr. Der Verwaltungsrat von Alstom soll sich am kommenden Dienstag zusammenfinden, um über eine Fusion mit Siemens Mobility zu beraten.

Die Münchner haben dann die Wahl zwischen Alstom oder Bombardier als Partner.

Zweifler
23. September 2017 - 19.42

"Aber bitte französisch" - das sagt eigentlich alles.

Andererseits: die französischen Bemühungen um ein "französisches Europa" gibt es schon immer - und heute reden alle von der angeblichen (zumindest wirtschaftlichen) "Vormachtstellung" Deutschlands in Europa.