Brexit verunsichert Luxemburger an britischen Unis

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Kaum eine Bevölkerungsgruppe hat homogener gegen den Brexit gestimmt als die Studenten und Dozenten der britischen Unis. Nun könnten gerade sie vom Brexit schlimm getroffen werden. Mittendrin: Mehr als 130.000 EU-Studenten, darunter auch etwa 1.200 Luxemburger. Ihre Studiengebühren könnten steigen.

Von Eric Belche

Studenten sollen von der Einschränkung der Personenfreizügigkeit nicht betroffen sein, so die vor zwei Wochen veröffentlichte Verhandlungslinie der britischen Regierung.
Doch Unsicherheit sei trotzdem unter den Studierenden verbreitet, erzählt uns der Luxemburger Pierre Beck. Er studiert an der Universität Cambridge. Beck fürchtet, dass die Studiengebühren steigen werden: „Für meinen Bachelor wurde mir von meiner Uni versichert, dass die Kosten die gleichen bleiben“, erzählt der Luxemburger. Für den Master sei dies jedoch ungewiss. „Wenn die Studiengebühren weiter steigen, muss man sich gut überlegen, ob ein Studium in England den ohnehin schon höheren Preis tatsächlich wert ist“, so der Mathematikstudent.

Weshalb könnte es zu einer Erhöhung der Beiträge kommen? Momentan garantiert eine EU-Regelung, dass EU-Ausländer innerhalb der EU die gleichen Studiengebühren wie Bürger ihres Studienlandes zahlen. Konkret bedeutet dies: Sowohl Engländern als auch Europäern werden etwa 9.000 Pfund pro Jahr in Rechnung gestellt. Studenten ohne europäische Staatsbürgerschaft zahlen momentan hingegen fast das Doppelte.
Verlässt das Vereinigte Königreich die EU, ist man nicht mehr an EU-Gesetze gebunden. Zurzeit ist demnach völlig unklar, ob die Luxemburger künftig mit anderen internationalen Studenten in einen Topf geworfen werden und den gleichen Preis wie sie zahlen müssen.

Profitdenken treibt Gebühren in die Höhe

Kurzfristig ist eine Gleichstellung zwischen EU-Bürgern und Drittstaatlern jedoch nicht zu erwarten. Universities UK, der Dachverband der britischen Universitäten, gab Anfang Juli bekannt, dass die Gebühren bis einschließlich des Studienjahres 2019/2020 konstant bleiben.

Auch Phillippe Roukoz, der dieses Jahr sein Studium an der London School of Economics abgeschlossen hat, glaubt nicht, dass die europäischen Studierenden sofort stärker zur Kasse gebeten werden. Mittelfristig sei dies aber durchaus möglich. Zur Ungewissheit des Brexit käme eine weitere Tendenz hinzu. „Die Unis sind immer mehr an Profiten interessiert“, sagt der Wirtschaftsstudent. Die steigenden Kosten würden in Großbritannien immer mehr durch die Studiengebühren gedeckt.

Trotzdem rät die Vereinigung luxemburgischer Studenten in Großbritannien (SLSB) jungen Leuten noch immer, ein Studium im Vereinigten Königreich zu beginnen, so Präsident Alex Mersch dem Tageblatt gegenüber. Einerseits könne man seine Bewerbung fast kostenfrei zurückziehen, falls es große Veränderungen bei den Gebühren geben sollte. Andererseits sitze man mit den Bildungseinrichtungen in einem Boot: „Die Unis sind auf die europäischen Studenten angewiesen: Sowohl Qualität als auch Finanzen würden ohne sie leiden.“ Britische Unis seien daran interessiert, weiter auf europäische Forschungsgelder zurückgreifen zu können. In diesem Kontext erscheint es unwahrscheinlich, dass das Geben vom Nehmen getrennt werden kann.

Weniger Forschungsgelder, mehr Ressentiments

Gemischte Gefühle gibt es bei den luxemburgischen Dozenten in Großbritannien. Der Luxemburger Professor Michel Goedert, der an der Universität Cambridge forscht, gibt sich gelassen: „Bis jetzt hat sich der bevorstehende Brexit noch nicht bemerkbar gemacht“, so der Neurowissenschaftler dem Tageblatt gegenüber. Interessant werde es, wenn im März 2019 der Brexit in Kraft treten werde. Der Luxemburger, der Anfang des Jahres den mit einer Million Euro dotierten „Brain Prize“ gewann, befürchtet jedoch, dass der Austritt Großbritanniens den Zugang zu europäischen Forschungsgeldern erschweren könnte: „Je nachdem wie der politische Kompromiss ausfällt, könnten Ressourcen wegfallen.“ Da die EU-Gelder jedoch ohnehin nur 15 Prozent seines Forschungsbudgets ausmachen, sei dies nicht überlebenswichtig für seine Projekte.

Allgemein sei er nicht außergewöhnlich besorgt, auch wenn er den Ausgang des Volksentscheids persönlich bedauere, so Goedert. Die britischen Unis seien insgesamt sehr proeuropäisch. Doch weite Teile der Brexit-Ressentiments richten sich gegen die teilweise als abgehoben empfundenen Akademiker. Ausgerechnet der ehemalige Bildungsminister Michael Gove gab im Zuge der Leave-Kampagne einen Satz von sich, der das Paradoxon des Referendums ausdrückt. „Großbritannien hat genug von Experten!“, posaunte Gove, der wie Boris Johnson an der prestigeträchtigen Universität Oxford studiert hat. Dabei sind es vor allem die gut ausgebildeten Führungskräfte, gegen die sich Brexit-Befürworter positionieren. Den Vorwurf, dass sich die akademische Elite abgekapselt hätte, lässt Goedert jedoch nicht gelten: „Die Topuniversitäten sind zwar sehr selektiv“, berichtet der Luxemburger, „doch hier ist mehr die Leistung als das Einkommen oder die Herkunft ausschlaggebend.“ Es sei eher die Unterteilung in staatliche und private Sekundarschulen, die zu verschiedenen sozialen Klassen führe. Schüler der teuren Privatschulen seien anders vorbereitet für ein Studium an einer Eliteuniversität.

Ein weiterer luxemburgischer Dozent zieht jedoch andere persönliche Konsequenzen als der Cambridge-Professor. Marc Goergen, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität Cardiff, wird nach 26 Jahren in Großbritannien nach Madrid umziehen, um dort an einer privaten Business School zu unterrichten. Der bevorstehende Brexit ist für ihn einer von mehreren Gründen. Aber auch die Veränderung der Atmosphäre an den britischen Unis sei spürbar: „Vor allem beim Rentenstreit wurde sichtbar, dass keine Kollegialität mehr unter den verschiedenen Ebenen der Universität besteht.“ Anfang dieses Jahres hatten die Gewerkschaften der Akademiker gegen massive Rentenkürzungen demonstriert. Der darauffolgende Streik der Lehrkräfte hatte den Betrieb an vielen britischen Unis wochenlang lahmgelegt. Sein Umzug sei also auch auf weitere Gründe zurückzuführen, erläutert uns Goergen. Viele Akademiker hätten sich aber gewünscht, dass man als Zunft viel aktiver gegen den Austritt mobilisiert hätte. Der Luxemburger bedauert demnach, jetzt umsiedeln zu müssen.