Instagrammer räumt Esch aufMarius Remackel auf Anti-Littering-Mission

Instagrammer räumt Esch auf / Marius Remackel auf Anti-Littering-Mission
Marius Remackel hat den Instagram Account „eschington_trashington“ vor knapp einem Jahr ins Leben gerufen. Seitdem versucht er, Esch ein bisschen sauberer zu machen – und postet darüber.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Egal, ob die Sonne scheint, es regnet, schneit oder hagelt, mit dem Hund muss Marius Remackel so oder so zweimal am Tag raus. Wieso dann nicht gleich ein wenig Müll aufsammeln? Das dachte sich der 38-jährige Escher vor knapp einem Jahr und begann auf Instagram zu dokumentieren, was er in seiner Stadt so alles findet.

Ein verregneter Donnerstagnachmittag im Dellhéicht-Viertel in Esch: Marius Remackel ist auf seiner fast täglichen Mission unterwegs. Der gebürtige Escher will seine Stadt ein wenig sauberer machen. Getreu dem Motto der lokalen Kampagne „Sief keen Drecksak“ hat er fast zeitgleich mit deren Beginn, im Februar 2019, den Instagram-Account „eschington_trashington“ gestartet. Seitdem sammelt er Müll, fotografiert seine Beute für das soziale Medium und entsorgt sie anschließend sachgerecht.

Marius Remackels Ziel am Donnerstag ist der Parkplatz neben dem Friedhof. Da der junge Vater im Dellhéicht-Viertel wohnt, ist er dort am häufigsten unterwegs. Ab und an auch im Claire-Chêne-Viertel und manchmal an anderen Stellen in Esch. Parkplätze, davon ist er überzeugt, sind die schmutzigsten Orte der Stadt.

Auf dem Weg in Richtung Friedhof läuft der 38-Jährige an manchen Taschentüchern, Plastikflaschen und Parktickets vorbei. Wer einmal über verschmutzte Straßen nachdenkt, dem fällt auf einmal viel mehr Müll auf. Um es mit den Worten des Escher Bürgermeisters Georges Mischo zu sagen: Es gibt in der Tat eine Menge „Knaschtpittien“ in Esch. „Inzwischen fällt es mir nicht mehr schwer, auch mal etwas liegenzulassen“, sagt Remackel. Am Anfang sei das anders gewesen. Er habe sich beherrschen müssen, nicht immer alles aufzuheben. „Meine Tochter ist fast fünf und fragt mich manchmal: ‘Papa, musst du das jetzt echt aufheben?’. Das arme Kind muss sich jetzt schon für mich schämen“, lacht der zweifache Vater.

Fehlende Mülleimer

Besonders in den Straßen, in denen es keinen Mülleimer gibt, überlegt er es sich zweimal, ob er etwas aufheben will. „Je nachdem, wo ich bin, müsste ich den Dreck vier oder fünf Straßen weit mit mir herumtragen“, sagt er und fragt sich dabei, wie die Gemeinde die Aufteilung der Mülleimer-Standorte plant. Was ihm am Anfang auch mehr ausgemacht hat als heute: „Du siehst zwei Tage nachdem du alles aufgesammelt hast, nichts mehr von dem, was du geschafft hast.“ Frustrieren lässt er sich dadurch aber nicht.

Mit seinen Instagram-Posts will der junge Vater Aufmerksamkeit darauf lenken, wie viele Ressourcen verschwendet werden
Mit seinen Instagram-Posts will der junge Vater Aufmerksamkeit darauf lenken, wie viele Ressourcen verschwendet werden Foto: Editpress/Julien Garroy

Ein Freund, der ebenfalls Dreck aufsammelte, hat Marius Remackel zu dem Projekt “eschington_trashington” inspiriert. Der hat inzwischen aus verschiedenen Gründen damit aufgehört. „Ich führe das sozusagen weiter“, sagt er. Mit dem Teilen auf Instagram will er zeigen, was in Esch so alles auf dem Boden landet, und andere dazu inspirieren, sich auch ab und an zu bücken. „Ich erhoffe mir aber auch, dass der eine oder andere sich vermehrt Fragen bezüglich Ressourcenverschwendung stellt“, so Remackel. Zum Beispiel, ob die Cola von der Tankstelle wirklich sein muss oder auch einfach gewartet werden kann, bis derjenige zu Hause ist.

Littering auf Parkplätzen am schlimmsten

Auf dem Parkplatz neben dem Friedhof angekommen, wird klar, wieso der 38-Jährige der Überzeugung ist, Autostellplätze seien die schmutzigsten Orte der Stadt. Ein Blick in die Ecken und in die Hecken dahinter ist selbsterklärend. Auf seinem Streifzug sammelt Remackel die üblichen Verdächtigen ein: Zigarettenpackungen, Bierdosen, Plastikflaschen, Schokoriegel-Verpackungen und Parktickets. Auch ein Klassiker: Die Werbekärtchen der „Garage Frank“: Dinge, die laut Remackel zur „Hall of Fame“ der Fundstücke gehören. Auch dabei: Capri-Sonne-Verpackungen. „Dabei frage ich mich, wer zur Hölle diese ganzen Capri-Sonnen eigentlich trinkt“, lacht er.

Die Hecke entlang des Parkplatzes neben dem Friedhof gleicht einer Müllhalde
Die Hecke entlang des Parkplatzes neben dem Friedhof gleicht einer Müllhalde Foto: Editpress/Julien Garroy

Der Tageblatt-Fotograf findet unterdessen ein intaktes Bierglas. „Solche finde ich sehr häufig. Vermutlich aus dem Pitcher“, sagt Remackel. Zu Hause habe er bereits eine ganze Kollektion davon. Dieses will er im Glasmüll entsorgen. Ein paar Meter weiter hebt er einen roten Stoffsack auf. Ein Überrest der Weihnachtszeit, vermutet er. Etwas wirklich Wertvolles oder besonders Außergewöhnliches habe er noch nie gefunden. Höchstens mal ein paar ordentlich nebeneinander aufgestellte Schuhe oder andere Kleidungsstücke. „Das finde ich schon eigenartig“, sagt er.

Bei skurrilen Funden überlegt sich Remackel manchmal, wie die dahin gekommen sein könnten. „Es gibt einen Instagram-Account von einem Engländer, der sich lustige Geschichten zu seinen Funden überlegt“, erzählt er, als er auf dem Parkplatz die Kartonverpackung eines Kinderwagens entdeckt.

Wieso Menschen Dinge einfach auf den Boden schmeißen, wenn sie sie nicht mehr brauchen, kann der 38-Jährige nicht nachvollziehen. „Mir wurde von klein auf beigebracht, dass man das nicht tut. Daran habe ich mich zu 99 Prozent gehalten.“ Besonders regt es ihn bis heute auf, wenn Müll zwei Meter von einem Mülleimer entfernt auf dem Boden liegt.

Mir wurde von klein auf beigebracht, dass man nichts auf den Boden wirft. Daran habe ich mich zu 99 Prozent gehalten.

Marius Remackel, Instagrammer „eschington_trashington“

Dass Passanten ihn dabei mit schiefem Blick beobachten, wie er Dreck einsammelt, daran hat sich Marius Remackel inzwischen gewöhnt. Aufmerksamkeit auf sein Projekt zu lenken und zu erklären, was er genau macht, ist aber auch einer der Gründe, wieso er das Ganze auf Instagram teilt. Die Sorge, andere könnten schlecht von ihm denken, habe sich schnell gelegt. Wenn mal jemand ihn darauf anspricht, was er genau tut, sei das Feedback meist sehr gut. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen nachfragen“, sagt er.

Je besser das Wetter, desto mehr Schmutz liegt in Esch rum. Auch an Neujahr hatte Marius Remackel alle Hände voll zu tun. Als er am 1. Januar seinen täglichen Spaziergang macht, kommt er an einem guten Dutzend demontierter Mülleimer vorbei. „Ich habe den Hund nach Hause gebracht und bin zurückgegangen, um mich an der Reparatur zu versuchen.“ Tatsächlich hat er den Dreh nach kürzester Zeit raus und bringt die Mülleimer wieder in Ordnung. Auch das dokumentiert er auf Instagram. „Wieso soll ich den Gemeindedienst rufen, wenn ich es einfach schnell selbst machen kann? Für mich gehört es dazu, etwas für die Allgemeinheit beizutragen“, sagt er. Außerdem habe er etwas dazugelernt.

Gefährliche Gegenstände

Was ihn am gleichen Tag wütend gemacht hat: Auf dem Spielplatz fand er ungezündete Böller und Feuerzeuge. „Wenn Kinder in Gefahr sind, geht es eindeutig zu weit.“ Er habe auch schon Whiskey-Flaschen in der Nähe der Schule gefunden.

Spritzen hingegen noch nicht so häufig. Nur einmal, als er eine Ecke auf dem „Gaalgebierg“ aufräumen will, die sehr verschmutzt ist, findet er mehrere Spritzen. „Die habe ich nicht aufgehoben. Das ist mir dann doch zu riskant.“ Ein anderes Mal habe noch eine Spritze in der Nähe des Krankenhauses gelegen. „An anderen Orten habe ich bisher keine gefunden“, sagt er.

Zigarettenschachteln, Bierflaschen und Dosen gehören zu den Dingen, die in Esch am häufigsten rumliegen
Zigarettenschachteln, Bierflaschen und Dosen gehören zu den Dingen, die in Esch am häufigsten rumliegen Foto: Editpress/Julien Garroy

Innerhalb eines Jahres ist Marius Remackel teil einer weltweiten Community geworden. Ob in Chicago oder Madrid: Menschen, die Unrat aufsammeln und das online teilen, gibt es viel mehr, als man denkt. „Es gibt sogar Challenges, bei denen es dann zum Beispiel darum geht, so viele Zigarettenschachteln wie möglich aufzusammeln”, sagt er. Zwar habe er bereits an verschiedenen teilgenommen, bisher aber immer verloren. „Manche sammeln unglaubliche 300 Zigarettenschachteln in einem Monat.“

Auch außerhalb seiner Spaziergänge macht sich der 38-Jährige Gedanken um die Umwelt. Remackel versucht, Verpackungen weitestgehend zu vermeiden, seinen Müll zu reduzieren und auf dem Markt einzukaufen. Auch das Auto bleibt immer öfter zu Hause stehen. Der Escher arbeitet in Düdelingen. Bei gutem Wetter fährt er mit dem E-Bike dorthin. Innerhalb Eschs ist er meist zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs.

Parktickets findet der junge Vater ebenfalls unzählige
Parktickets findet der junge Vater ebenfalls unzählige Foto: Editpress/Julien Garroy

Nachdem Marius Remackel genug Müll aufgesammelt hat, breitet er seine Beute auf einer kleinen Mauer aus. Das obligatorische Instagram-Foto darf natürlich nicht fehlen. Vielleicht motiviert er ja damit den einen oder anderen, das Kärtchen von „Garage Frank“ beim nächsten Mal nicht einfach auf den Boden zu schmeißen – oder sogar die Plastikflasche am Wegrand aufzuheben. Wer den Escher auf seiner Mission, seine Stadt ein wenig sauberer zu machen, begleiten will, kann das auf dessen Instagram-Seite „eschington_trashington“ tun.