Rupie, Rubel und Real im Sturzflug

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Der Kurs der indischen Rupie auf einem historischen Tiefstand, der russische Rubel, die indonesische Rupie und der brasilianische Real im Keller - die Währungen großer Schwellenländer haben zuletzt massiv an Wert verloren.

Erinnerungen werden wach an die Asienkrise 1997. Damals hatte der Einbruch des thailändischen Baht eine verheerende Kettenreaktion ausgelöst. Experten aber beobachten die jetzigen Entwicklungen mit einer gewissen Ruhe: Sie sehen eine notwendige Kurskorrektur, angetrieben vor allem von der vorsichtigen Abkehr der USA von ihrer großzügigen Geldpolitik.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff kritisierte vor anderthalb Jahren, die USA und Europa würden über niedrige Zinsen und günstige Kredite die Welt mit einem „Tsunami“ an billigem Geld überschwemmen.

Am Donnerstag sank der Kurs der Rupie weiter, auf zwischenzeitlich knapp 66 Rupien für einen Dollar – ein neuer Negativ-Rekordwert. Analysten warnten kürzlich, der Wert könne weiter sinken, auf bis zu 70 Rupien pro Dollar. Bei „großem Pessimismus“ könnten Währungen auf einem viel niedrigeren Stand verharren als eigentlich angebracht.

Keine Wiederholung der Währungskrisen der 1990er Jahre

Bereits in den vergangenen Wochen hatten die Währungen Russlands, Brasiliens und Indonesiens einen so niedrigen Wert erreicht wie zuletzt vor rund vier Jahren. Der thailändische Baht hat seit April ebenfalls stark an Wert eingebüßt. „Es gibt eine negative Aneinanderreihung, aber ich denke nicht, dass uns eine Wiederholung der Krisen der 90er Jahre bevorsteht“, sagt Jean Medecin vom Vermögensverwalter Carmignac Gestion.
Vor 16 Jahren war der Baht Ausgangspunkt der Asienkrise. Damals zogen Investoren, die an der finanziellen Gesundheit des Landes zweifelten, massiv Kapital aus Thailand ab. Die Krise weitete sich auf den gesamten Kontinent aus, schnell wurde aus der Finanzkrise auch eine Krise der Realwirtschaft: Denn weil Kapital abgezogen wurde, fehlten Kredite, in der Folge brachen Konsum und Investitionen ein.

Heute sehen sich die Schwellenländer besser gewappnet. Der indische Premierminister Manmohan Singh verwies kürzlich auf viel höhere Währungsreserven seines Landes. Auch Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman fragte auf seinem Internetblog: „Warum Panik?“ So sei es Indien gelungen, seine Schulden gegenüber dem Ausland massiv zu verringern.

„Anpassungsphänomen“

Maarten-Jan Bakkum von Investmentmanager ING IM sieht den Kursverlust bei den Schwellenländer-Währungen als „schmerzhaftes Anpassungs-Phänomen“: „Nach rund einem Jahrzehnt des Höhenflugs ihrer Devisen stehen die Schwellenländer jetzt vor strukturellen Problemen. Und weil es an Reformen fehlt, um diese zu lösen, vollzieht sich die Korrektur über die Wechselkurse.“

Beschleunigt wird dieser Prozess durch die US-Notenbank Fed. Diese hatte zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise die Märkte lange Zeit mit billigem Geld überflutet. Auf der Suche nach höheren Renditen legten Investoren ihr Geld daher in den Schwellenländern an. Im Mai kündigte die Fed aber an, ihre Geldpolitik wieder normalisieren zu wollen. Die Folge: Investoren ziehen ihre Gelder aus den Schwellenländern ab, weil es attraktiver werden kann, das Geld bei steigenden Zinsen in den USA anzulegen.

Die Ankündigung der Fed bedeutete „das Ende des kostenlosen Geldes, das die Schwellenländer überflutet hatte“, wie Jean Medecin von Carmignac Gestion sagt. Und die Staaten, die sich jetzt über einen Kursverfall sorgen, hatten an dieser Geldflut durchaus Kritik geübt.

Brasilien spricht von einem „Währungskrieg“

Brasilien etwa beschwerte sich noch vor eineinhalb Jahren über einen „Währungskrieg“ der Industrienationen: Staatschefin Dilma Rousseff kritisierte, die USA und Europa würden über niedrige Zinsen und günstige Kredite die Welt mit einem „Tsunami“ an billigem Geld überschwemmen. Dadurch würden US- und EU-Exporte billiger, das Nachsehen habe die brasilianische Industrie, deren Exportfähigkeit geschwächt werde.
Solche Kritik ist angesichts der Kursverluste der Schwellenländer-Währungen verstummt. Cédric Tille vom Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung zieht folgende Bilanz: „Auf gewisse Weise ernten die Schwellenländer jetzt, was sie verlangt haben.“