Lufthansa will Langstrecke von Air Berlin nicht

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Welche Teile von Air Berlin lassen sich retten? Die Beschäftigten müssen bangen.

Ein Einstieg der Lufthansa bei Air Berlin könnte die Hälfte der Flotte retten und Tausenden einen Arbeitsplatz sichern – die erhoffte Übernahme auch der Langstrecken-Jets würde aber platzen. Vor den Beratungen der Gläubiger der insolventen Fluggesellschaft am Donnerstag preschte der Dax-Konzern mit Eckdaten zu seinem Angebot im Bieterprozess um Air Berlin vor.

Lufthansa wolle die 38 bereits angemieteten Mittelstrecken-Maschinen und 20 bis 40 weitere Flugzeuge von Air Berlin kaufen, sagte Vorstandschef Carsten Spohr in Frankfurt. Damit könnten zahlreiche Air-Berlin-Beschäftigte zur Lufthansa-Tochter Eurowings kommen. An der Langstrecke der Berliner, deren Zukunft auch nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi besonders unsicher ist, hat Lufthansa allerdings kein Interesse.

Air Berlin hatte zahlreiche Langstrecken angeboten, vor allem von Düsseldorf und Berlin aus. In den vergangenen Monaten hatte die Fluggesellschaft ihr Langstrecken-Angebot aber bereits merklich ausgedünnt. Die letzte Langstrecke von Berlin aus fällt in einer Woche weg.

„Wir glauben, bald bis zu 3.000 neue Mitarbeiter begrüßen zu können“, sagte Spohr. Die Gewerkschaft Verdi lobte den Schritt, schränkte aber ein, dass man sich bei den Fernverbindungen mehr erhofft habe. „Wir begrüßen, dass die Lufthansa so viele Beschäftigte einstellen will. Doch wir bedauern auch, dass sie an der Langstrecke offenbar kein Interesse hat“, sagte eine Sprecherin der dpa in Berlin.

Am Montag soll der Aufsichtsrat Zuschläge erteilen

Am Donnerstag berieten die drei Gläubigerausschüsse des Air-Berlin-Dachkonzerns, der deutschen Gesellschaft und der Techniksparte über die vorliegenden Angebote. Aus Branchenkreisen hieß es, es könnten dabei schon Vorentscheidungen fallen. Am späten Nachmittag war zunächst unklar, wie lange die Gespräche noch laufen sollten. Am Montag soll der Aufsichtsrat die Zuschläge erteilen.

Neben der Lufthansa haben weitere Fluggesellschaften und Unternehmer für Teile oder die ganze Firma den Finger gehoben – darunter Easyjet, die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG (International Airlines Group) sowie ein Bündnis aus Condor und Niki Lauda. Easyjet bekräftigte nach dem Bekanntwerden des Lufthansa-Vorstoßes, seinerseits ein Angebot für Kurzstrecken-Teile der Air Berlin abgegeben zu haben – ohne Details zu nennen. Es gebe noch „eine Reihe von Unklarheiten“, hieß es zur Begründung.

IAG in London wollte die Lage nicht kommentieren, Condor ebenso. Der chinesische Betreiber des Flughafens Parchim, Jonathan Pang, reichte nach Angaben eines Vertreters fast eine Woche nach dem Ablauf der Bieterfrist noch ein Angebot ein. Air Berlin bestätigte dies nicht.

Bei den Langstrecken-Routen ist das Risiko von Jobverlusten nach wie vor groß. „Wir sind der Ansicht, dass aber gerade dieser Bereich ein guter Markt ist. Da sind gute Arbeitskräfte, die das Geschäft zu einem Erfolg führen können“, erklärte Verdi. In den Verhandlungen mit den Käufern werde man daher „weiter darauf dringen, dass es Betriebsübergänge“ vom alten auf die neuen Eigentümer geben kann.

144 Flugzeuge, 8.000 Mitarbeiter

Insgesamt betreibt Air Berlin mit rund 8.000 Mitarbeitern eine Flotte von 144 Flugzeugen. 38 davon samt Besatzungen hat Eurowings schon geleast, die Lufthansa-Billigtochter wirbt auch neues Personal an. Zur Aufnahme erfahrener Air-Berlin-Piloten konnte Eurowings aber noch keine Vereinbarung mit der Pilotengewerkschaft erzielen.

Air Berlin – die nach Lufthansa bisher zweitgrößte deutsche Fluglinie – hatte Mitte August Insolvenz angemeldet. Ihr Gesamtverkauf an einen Bieter gilt als unwahrscheinlich. Spohr wandte sich gegen die Auffassung, dass die Lufthansa schon mit der Teilübernahme eine Monopolstellung gewinne. Der Marktanteil würde sogar bei einer Komplettübernahme unter 50 Prozent bleiben, betonte er. Dennoch werde die Lufthansa nicht für weitere Flugzeuge von Air Berlin bieten. „Viel mehr glauben wir kartellrechtlich nicht machen zu können.“

Verdi fürchtet um Arbeitsplätze

Der Lufthansa-Chef kündigte an, dass Eurowings „aus eigener Kraft“ Langstreckenflüge auch aus Berlin anbieten werde. Bislang startet die Gesellschaft ihre Überseeflüge ausschließlich von Köln aus. Starts ab Düsseldorf und München sind bereits angekündigt worden.

Verdi befürchtet, dass viele Arbeitsplätze wegfallen. Angst gebe es vor allem in Bereichen, deren Einstellung schon vor dem Verkauf angekündigt wurde, sagte Gewerkschafter Volker Nüsse: „Wenn die Langstrecke nicht mehr im Flugplan ist, kann auf sie auch nicht geboten werden.“ Unsicher schien im Bieterverfahren auch die Zukunft der Beschäftigten in der Verwaltung und in der Technik.