Das Fest der Fracht-Familie

Das Fest der Fracht-Familie

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ungewohntes Getümmel auf dem Frachtflughafen am vergangenen Freitag und Samstag. Der Cargo-Bereich der Luxair hatte sich einen begrenzten freien Tag einfallen lassen. Kunden, Politiker und Familienmitglieder der Beschäftigten waren eingeladen, hinter die Kulisse zu schauen.

Helmut Wyrwich

Fracht-Chefin und Luxair-Vorstandsmitglied Hjördis Stahl selbst stand hinter den Bratwurststand und verteilte gegrillte Mettwurst oder Bratwürste, Küchelchen und Getränke.
Ein zweiter Stand dieser Art befand sich zwischen den Lastwagen, um die Fahrer zu versorgen.
Der Zoll zeigte, was seine Drogenspürhunde können und wie die Hunde dressiert werden, und die Feuerwehr sprühte Wassersalut genau in dem Augenblick, wo die mit 120 Tonnen Fracht beladene Boeing 747-400 der Cargolux mit dem Namen „Niederanven“ zum Flug nach Kuwait und Hongkong startete.

Zwölf Gruppen mit Besuchern wurden am Samstagnachmittag durch die Fracht-Hallen der Luxair geschleust und durften auf den sechs Hektar der Hallen zuschauen, wie Fracht zu Paletten zusammengestellt wurde, wie Hubschrauber säuberlich in Einzelteile zerlegt, auf einer Palette zusammengestellt in einem riesigen Frachtregal standen und auf ihren Flug mit einer Frachtmaschine warteten, wie Blumen aus Ecuador eintrafen und innerhalb weniger Minuten nach ihrer Ankunft und der Registrierung in der Transithalle in Lastwagen verladen werden und auf den Weg nach Frankfurt, Stuttgart, Amsterdam gelangen.

Die Chance, den Berufdes Vaters zu sehen

Michel (12), Liz (15) und Mutter Karin stehen im Parkhaus gegenüber dem Cargocenter der Luxair und lassen sich einkleiden.

Die grün-gelbe Weste ist Pflicht. Sie tauschen außerdem Personalausweise gegen rote Badges, um mit ihrem Führer dann durch die Hallen zu laufen. Und dann sieht man sie zwei Stunden lang von einem Ort zum anderen wandern, von der Transithalle durch die große Frachthalle, in der die Fracht für die einzelnen Flugzeuge und Destinationen zusammengestellt wird. Michel und Liz, aber auch Mutter Karin wollten endlich einmal genau wissen, was Vater und Ehemann in seinem Beruf eigentlich tut und was das für eine Firma ist, in der er arbeitet.

Denn abgesehen davon, dass der Vater bei Luxair Cargo arbeitet, hatten Michel und Liz, gaben sie zu, keine große Vorstellung von Fracht, Fracht-Abwicklung und dem Unternehmen des Vaters.

Am Wochenende ist Stresszeit

Die drei Familienmitglieder haben Glück. Aber das ist von Luxair Cargo für die Besucher auch so inszeniert worden. Das Wochenende ist Stresszeit im Frachtbereich. Da kommen die Maschinen nach Luxemburg, laden ihre Fracht aus, werden erneut beladen und sind innerhalb von zwei Stunden nach der Landung wieder weg. Das muss auch so sein. Ein Flugzeug muss Geld verdienen.

Das tut es nur, wenn es fliegt und dabei voll bepackt ist mit Fracht. Luxair Cargo ist dabei die Abteilung der Luxair, die die Fracht zusammenstellt, Flugzeuge belädt, die die Flugzeuge entlädt, die Fracht aufteilt, Lastwagen belädt. Und das Ganze in einer möglichst kurzen Zeit.

Der Frachtflughafen Luxemburg ist nach Meinung von Frau Stahl genial konstruiert. Er ist lang, er ist nicht besonders tief. Das heißt, die Fracht kommt vom Lastwagen rein, wird in der Halle bearbeitet, geht in ein Zwischenlager und von dort direkt ans Flugzeug.
Das riesige Rechteck erlaubt die kürzest mögliche Bearbeitungszeit.

Michel, Liz und Karin haben Glück. Eine Frachtmaschine der Atlas Air, zugelassen in den USA, ist gelandet. Aus ihr werden 90 Tonnen Blumen aus Ecuador ausgeladen. Die Transithalle des Fracht-Terminals ist in eine Ecke des Geländes hineingebaut. Riesige flache Transporter fahren große Paletten mit Blumen – in der Überzahl weiße Rosen – von der Atlas-Air-Maschine in die Halle. Sie fahren dabei an weiß angestrichenen Lastwagen aus Diekirch vorbei, die für Karatschi bestimmt sind.

Sofortige Verladung der Transitware

In der Transithalle werden die Paletten gerade einmal zehn Meter zum nächsten Beladetor verschoben, dort unmittelbar auf Lastwagen verladen. Fünf Stunden später werden sie in den Niederlanden und in Deutschland an den Versteigerungsorten sein.
Die Besucher des Samstagnachmittags hatten so einen unmittelbaren Eindruck davon, was es heißt, eine Ware schnell umzuschlagen. Knapp eine Stunde nach Ankunft der Frachtmaschine waren die 90 Tonnen Blumen verteilt. Schneller geht es nirgendwo in Europa. Das zu zeigen war auch Sinn dieses Tages der offenen Tür für Kunden, Politiker und Familien.

Die Geschäftigkeit eines Samstagnachmittags stand am vergangenen Wochenende in scharfem Gegensatz zu der große Ruhe, die im vergangenen Jahr noch in den Hallen geherrscht hatte. Damals hätte man dort einen Fußballplatz einrichten können, so wenig Fracht hatte es gegeben.
Maschinen der Cargolux waren dort teilweise geparkt, und Gesellschaften namens „Cargo B“ waren in Konkurs gegangen. Eine der „Cargo B“-Maschinen, die in der Wüste in Kalifornien geparkt worden war, tauchte am Samstag wieder in Luxemburg auf. Sie fliegt nun unter pakistanischer Flagge.

Im laufenden Jahr nimmtdie Tonnage wieder zu

Die Fracht in Luxemburg hat ein außerordentlich hartes Jahr hinter sich. Bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise hatte die Luftfracht in Luxemburg nur einen Aufwärtstrend gekannt. Mit der Krise verlor der Flughafen in nur einem Jahr über 200.000 Tonnen abzufertigende Fracht. Und rutschte auf die Frachtmenge des Jahres 2003 ab. In diesem Jahr geht Hjördis Stahl von einem Zuwachs von 80.000 Tonnen aus. Das wäre ein Plus von zwölf Prozent.
Die für dieses Jahr prognostizierte Menge von 750.000 Tonnen abzufertigende Frachtmenge liegt aber immer noch um 130.000 Tonnen unter dem Rekordjahr 2007.

Luxair Cargo hat im vergangenen Jahr wegen des Fracht-Einbruchs für beinahe 160 Mitarbeiter keine Arbeit mehr gehabt. Für das Unternehmen ist die Frage der Entlassung dieser Mitarbeiter nie ein Thema gewesen, sagt Frau Stahl. Man habe sie überall eingesetzt, wo es irgendetwas zu tun gegeben habe. Und man sehe derzeit, dass der Frachtmarkt wieder anziehe und es wieder Arbeit für alle gebe. Für diesen Herbst sind Luxair Cargo 40 zusätzliche Fracht-Chartermaschinen zur Abfertigung angekündigt worden.
Luxair beschäftigt etwa 2.400 Menschen. Davon sind 1.300 im Frachtbereich angestellt.