Radsport / Von Freitagabend bis Samstagmorgen: Razzia und Blutabnahme: Die lange Nacht von Gaggiolo

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Für die Luxemburger Teilnehmer bei der WM war die Nacht zum Samstag kurz. Am Freitagabend fand eine fünfstündige Razzia statt, am Samstagmorgen mussten alle neun Elitefahrer zur Blutentnahme. Petz Lahure aus Varese

Für die Luxemburger Teilnehmer bei der WM war die Nacht zum Samstag kurz. Am Freitagabend fand eine fünfstündige Razzia statt, am Samstagmorgen mussten alle neun Elitefahrer zur Blutentnahme.

Petz Lahure aus Varese

Der Luxemburger Delegation wird die Nacht zum 27. September 2008 noch lange in Erinnerung bleiben. Wie das Tageblatt bereits in seiner Samstagsnummer berichtete, traten gegen acht Uhr am Abend rund 20 Mann ins Hotel Gonzaga in Gaggiolo ein. Sie waren adrett gekleidet und hatten eine ärmellose Jacke unter dem Arm, die sie im Innern des Hotels anzogen.
Auf dem Rücken prangte weiß auf grau die Schrift „Carabinieri“. Die Polizisten gehörten der Spezialeinheit NAS („Nuclei Antisofisticazione e Sanita“) an, die regelmäßig in Italien bei Anti-Doping-Razzien zum Einsatz kommt.
Es war fast so gespenstisch wie damals beim „Blitz von San Remo“ im Giro 2001: Bei der Razzia stellten die „Carabinieri“ die Zimmer und Autos des gesamten Luxemburger Teams, einschließlich Frauen, U23-Fahrer und Betreuer, auf den Kopf. So wie ihre Kollegen im Juni vor sieben Jahren das „Hôtel des Anglais“, in dem die Mannschaften Telekom mit Jan Ullrich und Mercatone Uno mit Marco Pantani übernachteten.

Pomaden und Pulver

Fünf Stunden, von 20.00 bis 1.00 Uhr, dauerten die Durchsuchungen. Der Vorgesetzte der Spezialtruppe nannte keinen Anlass für die Razzia, sondern verriet lediglich, er und seine Truppe würden im Auftrag des Staatsanwalts von Varese, Maurizio Grigo, handeln. Ob nun die Veröffentlichungen der Süddeutschen Zeitung über Frank Schleck (siehe „T“ vom Samstag) oder ein Sauerstoffzelt, das Benoît Joachim angeblich bei der WM-Vorbereitung benutzt hat, der Anlass war, sei dahingestellt.
Fast auf die Minute genau trafen jedenfalls die Enthüllungen der Münchner Zeitung über Schleck und das Eingreifen der italienischen Polizei zusammen.
Die lange Nacht von Gaggiolo war für die Luxemburger Beteiligten alles andere denn eine Spaß-Angelegenheit. Immer wieder liefen die Polizeibeamten mit Pomaden, Salben und Tabletten von einem Zimmer ins andere, ließen das meiste von einem italienischen Arzt begutachten und verschwanden dann wieder. Ein Schlafgemach nach dem anderen wurde durchsucht, die Polizisten wühlten in den Koffern, leuchteten mit Taschenlampen unter die Matratzen und untersuchten sogar die Steckdosen. Nach den Zimmern kamen die Teamautos und ein CSC-Materialwagen an die Reihe.
Gefunden wurde laut Nick Clesen, dem Präsidenten der Technischen Kommission der FSCL, nichts. Tageblatt-Informationen zufolge aber nahmen die Carabinieri zwei Salben, Puder und einige Tabletten mit, um sie näher zu begutachten. Zum Resultat der Untersuchung wollte der zuständige Leiter der Razzia nichts sagen. „Ich bin nicht da, um Kommentare zu machen“, meinte er: „Ich führe einen Auftrag aus und mache einen Bericht an den Staatsanwalt. Von dort geht die Sache weiter an einen Richter.“
Laut dem Betreiber des Hotels Gonzaga weilten die Carabinieri noch bis 3.30 Uhr im Lokal, wo sie zusätzlich betriebseigenes Material unter die Lupe nahmen.
Als am frühen Samstagmorgen jeder glaubte, endlich seine Ruhe gefunden zu haben, wurden die Dopingfahnder erneut im Hotel vorstellig. Allen neun Luxemburger Fahrern, die für die Elite-WM eingeschrieben waren, wurde Blut abgezapft. Für Benoît Joachim war dies die vierte Kontrolle in vier Tagen.