RadsportEvenepoel will bei Lombardei-Rundfahrt Geschichte schreiben

Radsport / Evenepoel will bei Lombardei-Rundfahrt Geschichte schreiben
Nach seinem schweren Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt 2020 feierte Remco Evenepoel im Mai beim Giro sein Comeback Foto: AFP/Luca Bettini

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Rund 14 Monate nach seinem schweren Sturz bei „Il Lombardia“ will Remco Evenepoel heute das „Rennen der fallenden Blätter“ gewinnen. Beim Radsport-Monument aber trifft Belgiens Jungstar auf die „Crème de la crème“. Am Start sind u.a. Weltmeister Julian Alaphilippe, Tour-Sieger Tadej Pogacar und Vuelta-Gewinner Primoz Roglic.

Wir schreiben den 15. August 2020. In Italien steht trotz des „Ferragosto“-Feiertags das Radsport-Monument „Il Lombardia“ auf dem Programm. Die Covid-19-Pandemie hat es so gewollt. Am Start ist auch der zweifache Juniorenweltmeister von Innsbruck 2018 (Straße, Zeitfahren), Remco Evenepoel, für den bis 40 Kilometer vor der Ankunft auf dem Lungo Lario Trento von Como fast alles nach Wunsch läuft. 

Sein Mannschaftskollege Dries Devenyns hat mit einem Höllentempo dafür gesorgt, dass die Spreu vom Weizen getrennt ist und oben auf der berüchtigten „Mauer von Sormano“ nur mehr sieben Fahrer für den Erfolg infrage kommen. Neben Remco Evenepoel sind dies Bauke Mollema, Vincenzo Nibali und Giulio Ciccone (alle drei Trek-Segafredo), der spätere Sieger Jakob Fuglsang und Aleksandr Vlasov (beide Astana) sowie George Bennett (Jumbo-Visma).

Überschätzt

In der gefährlichen Abfahrt, wo 2017 bereits die Belgier Jan Bakelants und Laurens De Plus sowie der Italiener Simone Petilli stürzten, bläst der Spezialist für halsbrecherische Unternehmen, Vincenzo Nibali, zum Angriff, sodass die Spitzengruppe weit auseinandergezogen wird. Am Schwanz der langen Kette versucht Evenepoel immer wieder, so nah wie möglich an seinem Vordermann zu bleiben. 

Der junge Mann hat aber seine Abfahrtskünste überschätzt. Eingangs einer Linkskurve prallt er mit dem Vorderrad in eine schmale, steinerne Brücke, die Rennmaschine bleibt stehen, der Fahrer fliegt aus dem Sattel, schlägt mit dem Helm auf der Brückenmauer auf und wird fünf Meter in die Tiefe geschleudert. Die schnell am Unfallort eingetroffenen Sanitäter fahren den Verletzten, der viel Glück im Unglück hat, in die Klinik Sant’Anna von Como, wo die Ärzte einen Beckenbruch und Quetschungen an der rechten Lunge feststellen.

Es braucht lange Zeit, bis Evenepoel wieder genesen ist und auf ein Rad steigen darf. Im Mai 2021 feiert er beim Giro seine „Rentrée“, doch ist er mit dem schweren Streckenplan überfordert. Monate danach aber scheint es wieder zu funktionieren. Am letzten Montag liefert Evenepoel den Beweis, dass mit ihm bei der Lombardei-Rundfahrt gerechnet werden muss. Im strömenden Regen gewinnt er nach 140 km Flucht (die letzten 35 km solo) die „Coppa Bernocchi“, die vor ihm nur ein Belgier (Rik Van Looy, 1956, 1957) davongetragen hat.

Der Jungstar aber muss heute mit einer starken Konkurrenz rechnen. Am Start sind neben Weltmeister Julian Alaphilippe etliche frühere „Lombardia“-Gewinner wie Vincenzo Nibali, Thibaut Pinot, Bauke Mollema, Daniel Martin oder Esteban Chaves. An die Ufer des „Lago di Como“ kommen auch Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar, Vuelta-Gewinner Primoz Roglic, die Gebrüder Adam und Simon Yates, Romain Bardet, Tao Geoghegan Hart, Rigoberto Uran und Aleksandr Vlasov. Unter den eingeschriebenen Fahrern ist diesmal kein Luxemburger.

Neue Strecke

Die Fahrer der Lombardei-Rundfahrt müssen sich mit einem überarbeiteten Parcours auseinandersetzen. Die neue „Lombardia“ führt von Como (Start um 10.20 Uhr) nach Bergamo, doch ist die 239 km lange Strecke derjenigen von 2014 oder 2016 nur in verschiedenen Teilen ähnlich. Von 1995 bis 2003 war Bergamo schon einmal für längere Zeit Ankunftsort des „Rennens der fallenden Blätter“. 

Der berühmte Anstieg zur Madonna del Ghisallo ist nicht mehr Teil des Finales, die Fahrer erreichen ihn schon nach 38,6 Kilometern. Danach gibt es fünf weitere Steigungen. Höchster Punkt ist der Zambla Alta (1.257 Meter) rund 64 km vor dem Ziel. Den letzten längeren Anstieg (Passo di Ganda) müssen die 175 Konkurrenten aus 25 Mannschaften 31,8 Kilometer vor der Ankunft bewältigen. In Bergamo selbst gibt es noch eine gut einen Kilometer lange, bis zu zwölf Prozent steile Rampe, bevor eine 3,1 Kilometer lange Abfahrt ins Ziel führt. Die Ankunft ist zwischen 17.40 und 18.15 Uhr vorgesehen.

Rekordsieger in der Lombardei ist Fausto Coppi mit fünf Erfolgen (1946, 1947, 1948, 1949, 1954). Nur ein Luxemburger ist ganz oben im Palmarès zu finden (François Faber 1908), ein anderer stand einmal auf der untersten Stufe des Podiums (Frank Schleck 2005 als Dritter hinter Paolo Bettini und Gilberto Simoni).