„Die Russen sind schnell zufrieden“

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Als der ehemalige luxemburgische Nationalspieler Mikhail Zaritski Anfang der 90er seinen Heimatverein Zenit verließ, um zu Borussia Mönchengladbach zu wechseln, hieß St. Petersburg noch Leningrad. In der russischen Premjer Liga wurden noch keine Millionen verdient und das Ziel eines jeden Profis war der Sprung ins Ausland.

Das Blatt hat sich mittlerweile gewendet und Zaritski ist vom Fußballer zum Barbesitzer geworden. Einschätzung vor dem Duell zwischen Russland und Luxemburg.

Mikhail Zaritski war viermal luxemburgischer Torschützenkönig und 1994 Meister mit Beggen. (Foto: Marcel Nickels)

Zaritski kann auf eine bewegte fußballerische Vergangenheit und mehrere Versuche im Profifußball zurückblicken. Der heute 40-Jährige ist der einzige gebürtige Russe, der je für die Roten Löwen aufgelaufen ist. Seit einigen Monaten führt er eine Bar in „Al Esch“ und trainiert nebenbei Erstdivisionär Berdorf/Consdorf.

Tageblatt: Wie ist Anfang der 90er Jahre der Wechsel von Russland nach Deutschland zustande gekommen?

Mikhail Zaritski: „Ich habe mit Zenit St. Petersburg an einem Turnier in Münster teilgenommen. Wir gewannen das Turnier und ich wurde zum besten Spieler gewählt. Zurück in Russland erhielt ich drei Angebote: von Borussia Mönchengladbach, Eintracht Frankfurt und Schalke 04. In der Heimat wollte Spartak Moskau mich auch haben. Damals war es eher unüblich, aus dem Ostblock in den Westen zu wechseln. Obwohl man zu der Zeit nicht so viel Geld in der russischen Liga verdient hat. Was heute dort verdient wird, ist der Wahnsinn und meines Erachtens auch übertrieben. Ich entschied mich schließlich für Mönchengladbach.“

„T“: Warum sind Sie trotz der guten Voraussetzungen in Luxemburg gelandet?

M. Z.: „Ich hätte nach Saarbrücken in die 2. Liga gehen können. Dann kam das Fax aus Beggen. Mir wurde erzählt, dass ich Champions League spielen könnte. Leider war ich so blöd und habe das Angebot angenommen. Das war mein größter Fehler.“

„T“: Waren Sie zu diesem Zeitpunkt schlecht beraten?

M. Z.: „Ich hatte einen Agenten aus der Tschechoslowakei, der mich schlecht beraten hat. Zu diesem Zeitpunkt beherrschte ich die deutsche Sprache noch nicht so gut und war noch sehr jung. Das war natürlich mein Nachteil.“

„T“: Nach einigen Jahren in Luxemburg haben Sie bei Fortuna Köln und Agios Nikolaos zwei weitere Versuche im Profifußball gestartet. Warum war dies nicht von langer Dauer?

M. Z.: „In Köln hatte ich Toni Schumacher als Trainer. Er hat seine Spieler mitgebracht und die wurden eingesetzt. Er war wirklich der schwächste Trainer, den ich je hatte. Der Beweis: Nachdem er bei Fortuna rausgeworfen wurde, hatte er nie wieder einen Posten als Chefcoach. Im Nachhinein hätte ich etwas länger bei Fortuna bleiben sollen und nicht sofort nach Griechenland wechseln sollen. Bei Agios Nikolaos hatte ich auch eine gute Zeit, aber leider wurde nicht so regelmäßig gezahlt. Danach sollte ich zu RKC Waalwijk wechseln, wo Joachim heute spielt. In meinem Vertrag, den ich mit Fortuna abgeschlossen hatte, war eine Ablösesumme von 500.000 Deutsche Mark (rund 250.000 Euro, d. Red.) festgehalten worden. Das konnte der Verein nicht zahlen. Danach bin ich für ein halbes Jahr zurück nach Griechenland gegangen und anschließend nach Luxemburg. Ein bisschen später hatte ich ein Angebot von Racing Straßburg. Doch kurz vor der Unterschrift verletzte ich mich schwer am Knie. Stéphane Henchoz, der damals in Liverpool spielte, hat mich beim Länderspiel zwischen Luxemburg und der Schweiz brutal abgegrätscht und dadurch musste ich Straßburg absagen.“

„T“: Zurück zu Ihrer eigentlichen Heimat. Wie hat sich der russische Fußball seit Ihrem Weggang verändert?

M. Z.: „Der Fußball hat sich sehr verändert. Immer mehr Ausländer strömen in die erste russische und ukrainische Liga. Diese Meisterschaften sind interessant geworden und locken viele Zuschauer an. Das ist natürlich nur dadurch möglich geworden, dass richtig viel Geld dahintersteckt.“

„T“: Ist das der richtige Weg?

M. Z.: „Das ist eine gute Frage. Ob die Vereine auf lange Dauer den Spielern so viel Geld bieten können, weiß man heute noch nicht. Und außerdem sind die russischen Vereine ja auch keine Ausnahme. Bei Schalke laufen ja auch nicht so viele Deutsche herum und bei Chelsea stehen nicht so viele Engländer unter Vertrag. Schönen Fußball schauen sich die Zuschauer eben gerne an und es ist im Prinzip egal, wer da spielt.“

„T“: Hatten Sie in den letzten Jahren einmal die Möglichkeit, bei Ihrem Ex-Verein Zenit St. Petersburg vorbeizuschauen?

M. Z.: „Leider hatte ich die Gelegenheit nicht. Ich habe mir nur vor Kurzem eine Champions-League-Begegnung zwischen Zenith und Bayer Leverkusen angesehen. Dort habe ich zwei alte Bekannte getroffen, die jetzt dem Trainerstab angehören. Es hat sich schon einiges verändert. Jetzt ist auch noch die neue Fußballarena hinzugekommen. Aber als ich noch dort gespielt habe, hatten wir eigentlich auch gute Rahmenbedingungen.“

„T“: Wie stark ist Ihr Interesse an der russischen Nationalmannschaft?

M. Z.: „Ich schaue mir oft Länderspiele im Fernsehen an, auch weil ich selbst Juniorennationalspieler war.“

„T“: Was denken Sie über die neue Generation?

M. Z.: „Die Russen werden etwas zu schnell verwöhnt. Zu meiner Zeit warst du mit 19 Jahren einfach nur ein junger Spieler, heute bist du bereits ein Star. Das entwickelt sich zu schnell und ab und zu geht es schnell wieder nach unten. Viele Spieler bauen ab, wenn sie selbst merken, dass sie gut sind. Viele sind sehr überheblich.“

„Russland gewinnt“

„T“: Es ist also ein Mentalitätsproblem?

M. Z.: „Viele Spieler geben in der dritten Hälfte mehr Gas als in der ersten. Das ist natürlich ein Problem. Wir haben damals auch viel gefeiert, haben aber auch auf dem Platz unseren Mann gestanden. Fast kein russischer Spieler hat sich in einer ausländischen Topliga durchgesetzt. Und das hat nichts mit der Klasse zu tun, denn die Leistungen, die verschiedene Spieler abrufen, sind teilweise fantastisch. Aber ihr Charakter steht vielen im Weg. Im Ausland bekommen Spieler wie Arschawin nicht die Anerkennung wie in Russland. In St. Petersburg ist er ein Star, in England nur einer von vielen talentierten Spielern.“

„T“: Wie schätzen Sie die Leistungen der luxemburgischen Nationalmannschaft ein?

M. Z.: „Ich schaue mir ab und zu ihre Spiele an. Die Nationalmannschaft hat sich sehr positiv entwickelt. Mittlerweile gibt es wieder ein paar Profis und es wird auch offensiver gespielt. Das gefällt mir. Allerdings stelle ich in der BGL Ligue das Gegenteil fest. Diese Spiele kann man sich teilweise nicht mehr anschauen. So viele Fehlpässe werden gespielt und nur wenige Torchancen werden ausgenutzt. Es fehlt einfach die Show. Früher hatte man in jeder Mannschaft Typen, wegen denen die Zuschauer auf den Platz gekommen sind.“

„T“: Russland gegen Luxemburg, wie lautet Ihr Tipp?

M. Z.: „Russland gewinnt 2:0 oder 3:0. Die Russen wissen, dass sie das Spiel gewinnen werden. Mittlerweile versucht die Mannschaft, etwas offensiver zu spielen. Als ich noch gespielt habe, hatten die Stürmer ab und zu nur drei Ballkontakte.“

„T“: Die Kasan-Arena, in der die Partie stattfinden wird, ist einer der Austragungsorte der WM 2018 in Russland. Kommt dieses Turnier zum richtigen Moment?

M. Z.: „Ich denke schon. Die sind bereit. Vom organisatorischen Standpunkt her wird es eine super Weltmeisterschaft. Die Stadion und die Trainingsmöglichkeiten werden auf höchstem Niveau sein. Viele Menschen werden zu den Spielen kommen und die meisten Partien werden ausverkauft sein.“