EU-BudgetkompromissKaczynskis Juniorpartner in Polen sieht sich betrogen und droht mit Koalitionsbruch

EU-Budgetkompromiss / Kaczynskis Juniorpartner in Polen sieht sich betrogen und droht mit Koalitionsbruch
Polens Premier Mateusz Morawiecki hat trotz der Milliarden Euro, die er für das Land gesichert hat, Ärger zu Hause mit den Hardlinern Foto: AFP/John Thys

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Die meisten Polen atmeten am Freitag auf. In letzter Minute konnte das doppelte Veto Warschaus und Budapests verhindert und ein EU-Budgetkompromiss erzielt werden. Damit können die dringend nötigen Corona-Hilfsgelder fließen, auch wenn die solidarische Verschuldung in Polen umstritten ist. Doch was die meisten interessiert ist Geld und Stolz, und damit die Abwehr einer Erniedrigung durch Brüssel.

Dicke Luft herrschte am Freitag dafür im Regierungslager. Zwar sprach Premierminister Mateusz Morawiecki von einem „doppelten Sieg“. Man habe den bisher vorgesehenen Mechanismus der Koppelung von Auszahlungen an die Rechtsstaatlichkeit gestoppt und sich mehr Geld aus dem neuen Finanzpaket gesichert, lobte sich Jaroslaw Kaczynskis Regierungschef. Auch PiS-Parteigründer Kaczynski, Polens starker Mann, gab sich am Freitag zuversichtlich.

Ganz andere Töne waren aus dem Lager der PiS-„Falken“ zu hören. Witold Waszczykowski, immerhin ehemaliger Außenminister, kritisierte das Abkommen genauso wie er zuvor die Möglichkeit eines Kompromisses abgeschlagen hatte. Ähnlich äußerten sich der ehemalige Verteidigungsminister Antoni Macierewicz und sogar Jacek Sariuzs-Wolski, ein ehemaliger EU-Parlamentarier, der allerdings der PiS nur nahestehe.

Noch schärfere Töne hagelte es im Lager von Justizminister Zbigniew Ziobros kleiner, rechter Koalitionspartei „Solidarisches Polen“. „Leider kommt nun der Mechanismus, der die Nutzung der Polen zustehenden EU-Haushaltsmittel von der willkürlichen und ideologischen Bewertung der Kommission abhängig macht“, schrieb Ziobro. Die Vize-Parteivorsitzende und EP-Abgeordnete Beata Kempa, einst Kanzleichefin in Warschau, sprach in Brüssel gar von „der Aufgabe der Souveränität zugunsten fremder Staaten“. „Dieser herausposaunte Erfolg ist in Wirklichkeit keiner“, sagte Vize-Justizminister Michel Wos und drohte in Warschau offen mit dem Auszug der Ziobro-Anhänger aus der Kaczynski-Regierung.

Allerdings soll die für die Regierungsmehrheit der PiS enorm wichtige Minipartei laut Insidern selbst gespalten sein. Viele „Falken“ fürchteten gleichzeitig um ihre Pfründe und Parlamentssitze, hieß es in Warschau. Allgemein wurde erwartet, dass die sogenannten „Ziobristen“ von Solidarisches Polen nun besonders laut „Verrat!“ schreien würden, um erst später recht zu behalten, wenn die ersten Rechtsstaatsmechanismus-Kürzungen ab voraussichtlich 2023 zu greifen beginnen. 2023 ist auch das nächste Wahljahr in Polen.  Ein Koalitionsbruch zuvor würde vorgezogene Neuwahlen bedeuten. In Umfragen liegt Ziobros Solidarisches Polen jedoch unter der Fünfprozenthürde.

Orban sieht weitere große Probleme

Polen will den Rechtsstaatsmechanismus, der die Kürzung von EU-Finanzhilfen ermöglicht, nun erst einmal vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg prüfen lassen.

Mehr Einigkeit als in Polen herrschte in Ungarn, wo Ministerpräsident Viktor Orban in seiner Regierungspartei „Fidesz“ keine derart starken Fraktionen hat. Orban bezeichnete die Einigung in Brüssel etwas weniger vollmundig als sein polnischer Amtskollege Morawiecki, „als einen ersten Schritt“. „Wir alle sind uns bewusst, dass wir jetzt nur eine Etappe abgeschlossen haben“, sagte der große Taktiker vorsichtig. Für Ungarn seien da zum Beispiel die Migration oder „familienfeindliche Anordnungen“ aus Brüssel weitere große Probleme. „Wir haben gewonnen, weil in schwierigen Zeiten von Corona- und Wirtschaftskrise keine Zeit ist, um ideologische und politische Debatten zu führen, die uns alle nur behindern“, sagte Orban.

Der oppositionelle ehemalige Außenminister Peter Balazs warnte Orban und auch Morawiecki indes, dass der EuGH weit schneller entscheiden könnte als angenommen. „Orban hat ein wenig Zeit vor den Wahlen in 2022 gewonnen“, sagte Balazs. Doch das EU-Parlament könne den EuGH um ein beschleunigtes Verfahren bitten, gab der Orban-Kritiker zu bedenken.

Fabienne
12. Dezember 2020 - 13.38

Seht gut, es gibt also noch Lichtblicke in Polen.