Alfred NobelDer Kaufmann des Todes – mit Herz für die Menschheit

Alfred Nobel / Der Kaufmann des Todes – mit Herz für die Menschheit
Eine Büste des berühmten Preisstifters in der Stockholmer Konzerthalle Foto: Jonathan Nackstrand/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Alfred Nobel ist der Gründer der weltberühmten Nobelpreise. Er wurde einst dank seiner Erfindung des Dynamits zu einem der reichsten Männer der Welt. Zeitlebens soll er im seelischen Konflikt zwischen seinem Erfolg, der auch die Kriege tödlicher machte, und seinem Herz für die Menschheit gelitten haben.

„Wo ein Mann seine Pferde hat, ist er daheim.“ Diese, zu Alfred Nobels Zeiten noch unbestrittene Weisheit, verhinderte, dass die Nobelpreise heute französisch sind. Denn Paris hatte nach dem Herzinfarkttod des Dynamiterfinders 1896 gefordert, seinen letzten Willen, die Gründung der Preisstiftung mit seinem hinterlassenen Vermögen, in der Grande Nation zu vollziehen, weil Nobel dort seinen Lebensmittelpunkt hatte. Nachdem Stockholm nachweisen konnte, dass Nobel seine russischen Pferde tatsächlich auf einem Hof im värmländischen Karlskoga hatte, war zumindest dieser Streit schnell beigelegt.

Eigentlich hätte Alfred Nobel auch den in Skandinavien äußerst gemeinen Nachnamen Olsson tragen können. Dann hieße heute auch der Preis so. Aber dank einiger Vorfahren, die ihren Nachnamen als zu schlicht empfanden – klingt er doch in skandinavischen Ohren wie Müller – wurde aus Olsson zunächst Nobelius und schließlich Nobel. So erhielt der spätere Preisgründer diesen Namen, als er am 21. Oktober 1833 in der damals kleinbürgerlichen Norrlandsgatan in Stockholm das Licht der Welt erblickte.

Die Familie hatte es nicht einfach. Alle litten unter dem schwer kranken und launischen Vater, dessen Maschinenwerkstatt ein paar Jahre später pleiteging. Aus den Nobelpreisen wäre denn auch nichts geworden, wäre die verarmte Familie nicht zu Alfreds neuntem Geburtstag ins noch weitgehend vorindustrielle Russland gezogen, wo es dem Vater gelang, ein Großunternehmen, das unter anderem Minen für die russische Armee produzierte, zu etablieren. Das ermöglichte der Familie 1863 die ehrenhafte Rückkehr nach Stockholm, wo sich Alfred als Sohn mit finanziellen Möglichkeiten dem Sprengmittelstudium widmen durfte.

Rasanter Aufstieg

Danach verlief Alfred Nobels Leben rasant. Der empfindsame Junge sprach neben Schwedisch und Russisch mit 17 schon fließend Deutsch, Englisch und Französisch. Nach seiner Entwicklung des weltbekannten Dynamits in den 1860ern, bei der sein 21-jähriger Bruder Emil durch eine Explosion ums Leben kam, konnte er seine Sprachkenntnisse und Weltgewandtheit auf unzähligen Reisen für den Aufbau eines für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großen Weltkonzerns mit rund 90 internationalen Dynamitfabriken nutzen. Zum einen dienten sie der Kriegsführung, zum anderen der Förderung von Bodenschätzen und des Eisenbahnbaus. Nobel war sozusagen der Bill Gates seiner Epoche. Der französische Schriftsteller Victor Hugo beschrieb seinen dadurch schon zu Lebzeiten berühmten Zeitgenossen als „Europas reichsten Vagabunden“, womit er auch auf Nobels große, nicht nur geografische, Unruhe anspielte.

Einerseits soll er der harte Ingenieur gewesen sein, der besessen an der Verbesserung von tödlichen Sprengmitteln und Munitionsschießpulver sowie deren Verbreitung arbeitete. Unzählige Menschen starben bereits zu Nobels Lebzeiten an dessen Produkten, weshalb man ihn gern als den „Kaufmann des Todes“ bezeichnete. Andrerseits aber war Nobel ein Gefühlsmensch und Feingeist. Er überließ das operative Geschäft seines Konzerns Geschäftsführern, was damals viel ungewöhnlicher war als heute. Einfach, weil er sich nicht für Wirtschaft interessierte.

Auch ein Preis für den Frieden

Stattdessen ging er in der Literatur und Poesie auf, schrieb selber ein Theaterstück, das ausgerechnet den Namen „Nemesis“ trägt, und war aufgrund seiner eigenen Kränklichkeit sehr an der lebensrettenden medizinischen Forschung interessiert. Diese Interessen führten letztlich zu den Literatur- und Medizinnobelpreisen. Der sogenannte Wirtschaftsnobelpreis hat eigentlich nichts mit Nobel zu tun. Er kam erst in den 1960er Jahren als von der schwedischen Reichsbank gestifteter Zusatzpreis.

Nachdem Nobel 1876 beschloss, seiner Einsamkeit ein Ende zu machen, und in Wiener Zeitungen annoncierte: „Vermögender hoch gebildeter, älterer Herr sucht sprachbegabte, reife Dame als Sekretärin und Haushälterin“, meldete sich ausgerechnet die charismatische, 33-jährige österreichische Friedensaktivistin Berta Kinsky. Er mochte sie sofort. Vielleicht gerade weil sie ihm selbstbewusst mitteilte, dass sie die Verwendung seiner Produkte für militärische Zwecke als verachtenswert empfand, und mit ihm viele aufrüttelnde Diskussionen führte. Berta wurde zentral für Nobels Entscheidung, neben den für sein Leben als Erfinder naheliegenden Chemie- und Physikpreisen auch einen Friedensnobelpreis in sein Testament mit aufzunehmen.