BrüsselBeim Sondergipfel hat die EU viele Ankündigungen gemacht, aber wenig geliefert

Brüssel / Beim Sondergipfel hat die EU viele Ankündigungen gemacht, aber wenig geliefert
Ratspräsident Michel führte durch den Gipfel, die Beschlüsse blieben vage Foto: AFP/Johanna Geron

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Europa macht mobil: Nach dem Kampf gegen die Corona-Pandemie hat sich die EU nun auch der militärischen Verteidigung verschrieben. Europa wolle ein starker Partner der Nordatlantik-Allianz sein, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Vor allem bei der Cyberabwehr und dem Kampf gegen Desinformation soll die Zusammenarbeit ausgebaut werden, hieß es nach einem zweitägigen Videogipfel in Brüssel. Die EU, einst eine rein zivile Organisation und sogar Friedensnobelpreisträger, will zudem mehr Aufgaben bei Rüstung und Verteidigung übernehmen.

Was sie dabei genau leisten kann und gegen wen man sich schützen will, soll ein „Strategischer Kompass“ definieren. Er werde im März 2022 vorgelegt, sagte Michel. Der „Kompass“ stützt sich auf eine geheime Bedrohungsanalyse, in der Russland und China – wie in der NATO – als Hauptgegner beschrieben werden. Die EU hat nun ein Jahr Zeit, um ihre Strategie zu definieren.

Das Hauptthema des zweitägigen virtuellen Gipfels war jedoch Corona. Die 27 EU-Staaten wollen ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen die Pandemie vertiefen und verstärkt gegen die Virus-Mutationen vorgehen. Verbindliche Beschlüsse wurden jedoch nicht gefasst.

Vielmehr stellten sich die Staats- und Regierungschefs hinter den Vorschlag der EU-Kommission, nach Vorbild der amerikanischen Barda eine eigene Behörde aufzubauen, die sich mit der Pandemie beschäftigt. Sie soll Hera heißen und mit privaten Firmen zusammenarbeiten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte ihr Versprechen, bis Ende des Sommers 70 Prozent der EU-Bevölkerung geimpft zu haben. Bisher geht es allerdings eher schleppend voran.

Wenig Fortschritt bei Impfausweisen

Wenig Fortschritt brachte die Debatte um Impfausweise. Die EU-Kommission wurde beauftragt, die technischen Details für einen europaweit einsetzbaren digitalen Ausweis auszuarbeiten. Dies dürfte drei Monate dauern, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Dagegen dämpfte von der Leyen die Erwartungen: Es werde „mindestens“ drei Monate dauern. Bisher hat es Brüssel nicht einmal geschafft, eine gemeinsame Corona-Tracing-App an den Start zu bringen.

Zudem ist unklar, wofür ein solcher Impfpass am Ende gut sein kann. Österreich, Griechenland und andere stark vom Tourismus abhängige Länder hatten vor dem EU-Gipfel einen sogenannten grünen Pass nach dem Vorbild Israels gefordert. Dort erlaubt der Ausweis etwa Besuche in Fitnessstudios, Schwimmbädern, Theatern oder Hotels. Griechenland brachte auch eine beschleunigte Abfertigung von Passagieren mit Impfpässen an Flughäfen ins Spiel.

Andere Länder, darunter Frankreich und Deutschland, sehen diese Ideen noch skeptisch. „Wir setzen uns sehr dafür ein, dass sich die Mitgliedstaaten in dieser Frage annähern“, sagte Michel. Das dürfte allerdings nicht einfach werden. Auch nach einer Einigung werde es nicht so sein, dass der Impfpass alleine darüber bestimme, wer reisen könne, betonte Merkel. Dazu könnten auch Tests beitragen. Die Kanzlerin verweist auf Kinder, die sich derzeit gar nicht impfen lassen könnten.