Gefangen im IranAustralierin Kylie Moore-Gilbert kommt frei – im Austausch mit drei in Thailand inhaftierten Iranern

Gefangen im Iran / Australierin Kylie Moore-Gilbert kommt frei – im Austausch mit drei in Thailand inhaftierten Iranern
Mehr als 800 Tage im Iran inhaftiert: die britisch-australische Islamwissenschaftlerin Kylie Moore-Gilbert Foto: AFP/Irib News Agency

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Wegen angeblicher Spionage saß die britisch-australische Akademikerin Kylie Moore-Gilbert über zwei Jahre im Iran im Gefängnis. Nun kam die Forscherin, die stets ihre Unschuld beteuert hat, im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Über 800 Tage verbrachte die britisch-australische Islamwissenschaftlerin Kylie Moore-Gilbert im Gefängnis im Iran. Als sie nun im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freikam, sagte sie, sie verlasse das Land „mit bittersüßen Gefühlen“ und „als eine Freundin“. Moore-Gilbert, eine Dozentin der Universität von Melbourne, war wegen angeblicher Spionage zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie hatte den Vorwurf stets bestritten und ihre Unschuld beteuert.

Ein Video ihrer Freilassung wurde zunächst vom iranischen Fernsehen IRIB News sowie über die Tasnim-Website verbreitet. In dem kurzen Film ist die junge Frau mit grauem Hijab und teilweise mit Maske in einem Raum am Flughafen Teherans zu sehen und später in einem Kleinbus. In einem zweiten kurzen Video besteigt Moore-Gilbert dann ein Flugzeug – untermalt von recht dramatischer Musik.

„Präzedenzfall für den Iran“

Das erste Video zeigt auch drei im Ausland festgehaltene Iraner, die im Austausch für die Akademikerin freigekommen sein sollen. Einer der Männer sitzt im Rollstuhl. Die drei Iraner sollen in Thailand inhaftiert gewesen sein, nachdem sie geplant hatten, den dortigen israelischen Diplomaten zu ermorden. Die australische Regierung wollte dies jedoch nicht weiter kommentieren. Farnaz Fassihi, eine iranisch-amerikanische Journalistin für die New York Times, schrieb jedoch auf Twitter, dass solch ein Deal zwischen Iran und Australien „einen Präzedenzfall für den Iran“ darstellen würde. Das Land hätte somit die Bürgerin eines Landes als Geisel genommen, um dann „weltweit“ Forderungen zu stellen und seine eigenen Inhaftierten aus einem anderen Land freizupressen.

Ein Screenshot vom iranischen Staatsfernsehen zeigt die drei in Thailand freigelassenen Iraner
Ein Screenshot vom iranischen Staatsfernsehen zeigt die drei in Thailand freigelassenen Iraner  Foto: AFP/Irib News

Moore-Gilbert dankte der australischen Regierung und ihren Unterstützern in einem Statement. Die Akademikerin sprach von einer „langen und traumatischen Tortur“, betonte aber auch, „nichts als Respekt, Liebe und Bewunderung für die große Nation Iran und ihre warmherzigen, großzügigen und mutigen Menschen“ zu haben. Sie verlasse das Land – trotz der Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt gewesen sei – „mit bittersüßen Gefühlen“. „Ich bin als Freundin und mit freundlichen Absichten in den Iran gekommen“, schrieb sie. Diese Gefühle seien „nicht nur noch intakt, sondern sogar gestärkt“. Außerdem bat sie um Privatsphäre für sich und ihre Familie, „während einer zweifellos herausfordernden Phase der Anpassung“.

„Schreckliche Tortur durchgemacht“

Australiens Premierminister Scott Morrison bestätigte in einem Interview mit dem australischen Sender Channel 7, dass die Wissenschaftlerin in der Obhut australischer Beamter sei. Er habe am Donnerstagmorgen mit ihr gesprochen und sagte, „es war wunderbar, ihre Stimme zu hören“. Moore-Gilbert habe „eine schreckliche Tortur durchgemacht“ und er sei „einfach nur froh, dass Kylie nach Hause kommt“. Auch die australische Außenministerin Marise Payne äußerte sich in einem Statement als „äußerst erfreut und erleichtert“ über die Freilassung der 33-Jährigen. „Ich wünsche Dr. Moore-Gilbert alles Gute für ihre Genesung und ihre Rückkehr ins Leben in Australien“, schrieb Payne. Zweifellos werde sie dabei auf „die gleiche Stärke und Entschlossenheit“ zurückgreifen, die ihr geholfen habe, die Haftzeit zu überstehen.

Ich will eine freie Frau sein und ein freies Leben führen

Kylie Moore-Gilbert

Moore-Gilbert war im September 2018 auf dem Flughafen von Teheran festgenommen worden, nachdem sie eine Konferenz besucht hatte. Die iranischen Sicherheitskräfte warfen ihr Spionage vor. In einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit war die Forscherin, die stets ihre Unschuld beteuert hat, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Im Juli war Moore-Gilbert aus dem berüchtigten Gefängnis Evin, in dem sie Monate in Einzelhaft verbracht hatte, dann vorübergehend in das noch schlimmere Qarchak-Gefängnis verlegt worden. Dort sollen ihr laut eines Berichts des Guardian zwei andere Inhaftierte auf Schritt und Tritt gefolgt sein und sie überwacht haben. Der australische Journalist Peter Greste, der selbst wegen seiner Arbeit 400 Tage in einem Gefängnis in Ägypten verbracht hat und wie Moore-Gilbert als „politischer Gefangener“ galt, nannte die Vorwürfe gegen die Akademikerin in einem Twitter-Post im September „absolut an den Haaren herbeigezogen“.

In Isolationshaft gehalten

Australische Konsulatsangestellte konnten die inhaftierte Frau in den vergangenen zwei Jahren ab und zu besuchen. Sie soll während der Haftzeit häufiger krank gewesen sein. In einer seltenen Sprachaufnahme, die dem Guardian im Juli zugespielt worden war, sagte die Forscherin, die an mehreren Nahrungsmittelallergien leidet, sie könne nichts essen. „Ich fühle mich so unglaublich hoffnungslos … Ich bin so deprimiert.“ In bereits älteren Briefen, die aus dem Gefängnis geschmuggelt wurden, enthüllte sie, sie habe ein Angebot abgelehnt, im Namen Teherans im Austausch für ihre Freiheit zu spionieren.

„Ich bin kein Spion“, zitierte der Guardian einen solchen Brief im Januar. „Ich war noch nie ein Spion und ich habe kein Interesse daran, für eine Spionageorganisation in einem Land zu arbeiten.“ Wenn sie den Iran verlasse, wolle sie „eine freie Frau sein und ein freies Leben führen, nicht im Schatten von Erpressung und Bedrohung“. In den Briefen, die sie zwischen Juni und Dezember 2019 schrieb, kam ans Tageslicht, dass Moore-Gilbert isoliert in einer winzigen, sechs Quadratmeter großen Zelle gefangen gehalten wurde, in der das Licht 24 Stunden am Tag an war. In diesen Briefen schrieb sie zudem, sie fühle sich „verlassen und vergessen“.

Iran ist für seine Menschenrechtsverletzungen bekannt. Erst im September war der iranische Ringer Navid Afkari trotz internationaler Proteste hingerichtet worden. Ihm war vorgeworfen worden, bei einer Demonstration vor zwei Jahren einen Sicherheitsbeamten getötet zu haben. Offiziell hieß es, er habe die Tat gestanden, doch er selbst, seine Familie und Menschenrechtsorganisationen prangerten an, dass das Geständnis durch Folter erzwungen worden sei.