NachbarschaftWas Sie noch nicht über Belgien (und Luxemburg) wussten

Nachbarschaft / Was Sie noch nicht über Belgien (und Luxemburg) wussten
Spätestens seit 1739 werfen die Einwohner von Namur schon geschnittene Kartoffeln ins kochende Öl Illustration: Kim Kieffer

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Belgien und Luxemburg sind eng verbunden – nicht nur wirtschaftlich. Trotzdem gibt es einige Dinge, die selbst eingefleischte Fans unserer Nachbarn vielleicht noch überraschen könnten – von der Flagge bis zum Führerschein.

Für Teilnehmer des Straßenverkehrs vielleicht eine kleine Überraschung: Die Inhaber eines belgischen Führerscheins sind die einzigen, die in China problemlos eine einheimische Fahrerlaubnis erhalten, ohne einen zusätzlichen Test absolvieren zu müssen. Während andere Bewerber zahlreiche administrative Hürden nehmen müssen, geht das für Belgier in wenigen Stunden. Es ist das Ergebnis eines bilateralen Abkommens, das beide Länder vor 30 Jahren abgeschlossen haben. Dabei ist der belgische Führerschein der jüngste in Europa: Erst am 1. Januar 1967 führte Brüssel Führerscheine ein – mit fast einem halben Jahrhundert Verspätung hinter den Nachbarländern.


51.691 Menschen pendeln täglich von Belgien nach Luxemburg zum Arbeiten. Zehn Jahre zuvor waren es noch 40.563 Personen.


156.000 Luxemburger sind 2023 nach Belgien in Urlaub gefahren. Für viele Luxemburger ist „Vakanz op der belscher Plage“ eine feste Konstante im Jahr. 1.589 Luxemburger Haushalte haben ein Feriendomizil an der Küste, davon 600 alleine in Knokke-Heist.


589 Tage war Belgien 2010 und 2011 ohne gewählte Zentralregierung – und damit länger als der Irak nach dem Sturz von Saddam Hussein. Übertroffen wird dieser Rekord nur noch von Belgien selbst: Zwischen dem 19. Dezember 2018 und dem 1. Oktober 2020 war das Königreich 642 Tage ohne gewählte Exekutive, mitten in der Corona-Pandemie.


Gibt es einen Artikel über Belgien ohne Pommes? Natürlich nicht – die berühmten goldenen Kartoffelstifte gehören in Flandern und Wallonien mittlerweile zum immateriellen Kulturerbe. Spätestens seit 1739 werfen die Einwohner von Namur schon geschnittene Kartoffeln ins kochende Öl, damit sind Pommes Frites älter als die italienische Pasta alla Bolognese. Die besten Pommes Belgiens gibt es laut dem jährlichen Ranking der Website les-friteries.be übriges in Aubange bei „Chez Bryan“, zehn Minuten hinter der luxemburgischen Grenze.


Sowohl in Belgien als auch in Luxemburg werden mit die besten Gehälter in der Europäischen Union ausbezahlt. Absoluter Spitzenreiter unter den 27 Staaten war 2022 Luxemburg – mit einem durchschnittlichen Gehalt von 75.409 Euro. Auf dem dritten Platz hinter Dänemark liegt Belgien mit 52.466 Euro. In der gesamten EU liegt der Durchschnitt bei nur 35.329 Euro im Jahr.


Fast ein Fünftel (18%) aller Luxemburger Studenten studiert in Belgien – das sind rund 3.500 junge oder weniger junge Menschen. Mit 1.288 Studenten aus Luxemburg ist Brüssel überdies die beliebteste aller ausländischen Studiendestinationen, weit vor Paris, Berlin oder London.


Die belgische Verfassung regelt auch die Farben der Flagge – laut Artikel 193 ist diese in den Farben rot-gelb-schwarz zu hissen. Nur: Die belgische Farbe folgt der Verfassung nicht. Sie ist nicht rot-gelb-schwarz, sondern schwarz-gelb-rot. Der belgische Verfassungsexperte Jogchum Vrielink erklärt das so: Bei der Niederschrift des Grundgesetzes 1830 galt „rouge-jaune-noir“ in horizontaler Anordnung. Im Januar 1831 brachten Überlegungen, die Fahne sei der des ehemaligen holländischen Feindes zu ähnlich, die Belgier dazu, ihre Flagge umzudrehen – seither hängt sie eigentlich verkehrt herum.


1921 unterzeichnen Luxemburg und Belgien ein Abkommen zur Gründung einer Wirtschaftsunion (UEBL). Eine Währungsunion folgte 1929, als die Parität (1 BEF = 1 LUF) zwischen dem Luxemburgischen und dem Belgischen Franken per Gesetz festgeschrieben wird. Belgische Münzen und Banknoten wurden so zum gesetzlichen Zahlungsmittel in Luxemburg. Am 1. Januar 1999 führten dann elf EU-Mitgliedstaaten den Euro als schriftliches Geld ein. Die Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen erfolgte am 1. Januar 2002. Der gemeinsame Franken war Geschichte. Die schöne, langjährige Geschichte der Partnerschaft hatte gleichzeitig, 1982, auch für einen Tiefpunkt in der Beziehung der beiden Länder gesorgt. Damals hatte Belgien – ohne Absprache mit Luxemburg – den gemeinsamen Franken abgewertet.


Luxemburgische und belgische Haushalte sind die wohlhabendsten in der EU. 2021 nannte ein durchschnittlicher Haushalt in Luxemburg stattliche 718.000 Euro sein Eigen. In Belgien sind es 242.4000 Euro, in der Eurozone 123.5000 Euro, so die letzten Zahlen des „Household Finance and Consumption Survey“. Grund für den Luxemburger Ausreißer: Die exorbitanten Immobilienpreise. Nach Luxemburg, den Niederlanden und Malta zählt Belgien als das europäische Land, in dem der Wert der durchschnittlichen Wohnimmobilie eines Haushaltes am höchsten ist. Der Unterschied zu Luxemburg ist allerdings enorm: 858.000 Euro gegen 296.400 Euro. 


Die Zahl der belgischen Banken in Luxemburg ist in den letzten Jahren deutlich rückläufig: Während der Finanzplatz im Jahr 2008 ganze 16 Kreditinstitute mit belgischem Ursprung zählte, so waren es 2024 nur noch drei. Das zeigen Zahlen der Luxemburger Zentralbank.


Belgien ist Luxemburgs wichtigster Partner für den Import von Produkten (7,2 Milliarden Euro). Das Königreich verweist Deutschland (5,9 Milliarden) und Frankreich (2,9 Milliarden) auf den zweiten bzw. dritten Platz. Zusammen standen diese drei Nachbarländer 2021 für mehr als 70 Prozent der Luxemburger Importe. Auch beim Verkauf von Waren ins Ausland spielen die drei Nachbarländer eine wesentliche Rolle für das Großherzogtum. Luxemburg erwirtschaftet mit allen dreien ein Defizit.