„Corona-Hotspot“ Schifflingen Transparenz gegen Spekulation: Bürgermeister Weimerskirch regt Publikation von Coronazahlen pro Gemeinde an

„Corona-Hotspot“ Schifflingen  / Transparenz gegen Spekulation: Bürgermeister Weimerskirch regt Publikation von Coronazahlen pro Gemeinde an
Hat momentan einen schweren Stand: Schifflingens Bürgermeister Paul Weimerskirch Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der Schifflinger Gemeinderat vom vergangenen Freitag stand ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Noch während der Sitzung wartete Bürgermeister Paul Weimerskirch (CSV) auf eine Rückmeldung der Gesundheitsinspektion über die Coronatests aus der Albert-Wingert-Schule. Die kam unmittelbar nach der Sitzung und war schlecht. So schlecht, dass alle Schüler in kürzester Zeit unter Quarantäne gestellt wurden. Im Gespräch mit dem Tageblatt kommt Weimerskirch auf die turbulente Zeit zurück und fordert eine größere Transparenz im Umgang mit den Infektionszahlen.    

In Anbetracht der Schlagzeilen der letzten Woche könnte man meinen, Schifflingen wäre momentan Luxemburgs Corona-Hotspot schlechthin. Nachdem es in der zweiten Januarwoche zu einem größeren Ausbruch im Alters- und Pflegeheim „Am Schmëttbësch“ gekommen war, standen zuletzt die Schulen im Mittelpunkt. Erst die Lydie-Schmit-, dann die Albert-Wingert-Schule. Dort musste zunächst der Cycle 2, dann die gesamte Schule unter Quarantäne gestellt werden. Mit Spannung und auch etwas Sorge wird nun auf die Ergebnisse der Sequenzierung der positiven Proben gewartet. Die soll Aufschluss darüber geben, ob eine Virus-Mutation Ursache für die schnelle Verbreitung an der Albert-Wingert-Schule war. Schließlich war der Inzidenzwert in Schifflingen drei- bis viermal so hoch wie im Landesdurchschnitt.

Am 26. Januar war in der Albert-Wingert-Schule zunächst ein Lehrer positiv getestet worden, der in mehreren Klassen, aber hauptsächlich in Zyklus 2, tätig war. So mussten erst mehrere Klassen in Isolation (weil es Einzelfälle gab) oder sogar in Quarantäne (weil es mehrere Fälle gab). In der auf Distanz gehaltenen Klasse stellte man dann weitere vier Fälle fest – und unter den Schülern und Lehrern, die in Quarantäne waren, acht. Weil so viele Zyklus-2-Klassen betroffen waren, wurden alle Klassen dieser Stufe bis vergangenen Dienstag unter Quarantäne gestellt. Ende letzter Woche wurden dann die anderen Schüler von mobilen Teams innerhalb der Schule getestet. Dabei wurden elf neue positive Corona-Fälle entdeckt, was die Anzahl der Fälle in den letzten 15 Tagen auf insgesamt 34 ansteigen ließ. Für Paul Weimerskirch musste es also schnell gehen, selbst wenn Bildungsminister Claude Meisch (DP) noch am gleichen Tag die Schließung aller Grundschulen für diese Woche verkündete. Ob die Schulen nach der Ferien wieder öffnen, wonach es momentan aussieht, hängt demnach auch vom Resultat der Sequenzierung der Schifflinger Fälle ab. 

 Beispiel Deutschland

Unmittelbar nach der Gemeinderatssitzung bekam Weimerskirch die Zahlen aus der Albert-Wingert-Schule übermittelt und formulierte mit dem regionalen Grundschuldirektor Philippe Kloos den Brief an die Eltern der von der Quarantäne betroffenen Schüler. Der dient nicht nur als Information, sondern auch als Grundlage für den „congé pour raisons familiales“. „Ich muss sagen, dass die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Das gilt sowohl für die Gesundheits- wie auch für die Schulbehörden“, blickt Paul Weimerskirch zurück. Und dennoch wünscht er sich mehr Offenheit im Umgang mit der Pandemie. Er würde es befürworten, die Corona-Zahlen der einzelnen Gemeinden im Wochen- oder Zweiwochen-Rhythmus zu veröffentlichen. Warum, das erklärt er an einem Beispiel: „Ich bin am Samstag durch Schifflingen gegangen und wurde auf der Straße angesprochen, dass wir in der Gemeinde ja nun ein großes Corona-Problem hätten. Da habe ich zurückgefragt: Was meinen Sie denn, wie viele Corona-Fälle es in der Albert-Wingert-Schule gab? Er antwortete 450, dabei waren es 34.“

Was Weimerskirch zum Schluss kommen lässt, dass es besser wäre, wenn alle Zahlen in die Öffentlichkeit kämen. „Wir sind in Schifflingen in keiner glücklichen Situation, aber auch nicht in einer katastrophalen. In der Lydie-Schmit-Schule wurde das Virus nicht weitergegeben, in der Albert-Wingert-Schule schon. Doch dort  wurde sehr schnell mit der Quarantäne reagiert, was sich im Nachhinein als genau richtig herausstellte.“  Der Eindruck einer katastrophalen Situation würde entstehen, wenn nicht alle Zahlen transparent seien. „Die Bürger müssen wissen, was los ist. Dann kann man Corona-Schutzmaßnahmen auch besser rechtfertigen“, sagt Weimerskirch, „es gibt keine offiziellen Zahlen pro Gemeinden, dabei wäre das transparenter und offener“. Als Beispiel nannte Weimerskirch, wie in Deutschland mit Zahlen aus den verschiedenen Landkreisen umgegangen wird. In dieser Hinsicht ist das Großherzogtum allerdings ein gebranntes Kind, denn die geleakte Corona-Karte mit Infektionszahlen nach Kantonen hatte im Sommer 2020 für Polemik und Vorwürfe der Stigmatisierung ganzer Gegenden gesorgt. Vor allem der Süden mit Esch und Differdingen war schlecht weggekommen, worüber die Geschäftswelt und die damals noch geöffnete Gastronomie alles andere als erfreut waren. 

Gelangte vergangene Woche in die nationalen Schlagzeilen: die Albert-Wingert-Schule in Schifflingen. Albert Wingert war übrigens Lehrer, Politiker und Widerstandskämpfer gegen die Nazis. 
Gelangte vergangene Woche in die nationalen Schlagzeilen: die Albert-Wingert-Schule in Schifflingen. Albert Wingert war übrigens Lehrer, Politiker und Widerstandskämpfer gegen die Nazis.  Foto: Editpress/Julien Garroy

„Verheerend“ nennt Weimerskirch die Wirkung der Karte damals. Trotzdem glaubt er, dass Transparenz noch immer die beste Taktik ist: „Sobald es einen positiven Fall in der Nähe gibt, spekulieren die Menschen. Und die sozialen Medien tun dann ein Übriges“, sagt er. Aber: „Natürlich ist es für mich nun leicht, mehr Transparenz zu fordern. Mir ist schon bewusst, dass das nicht so einfach ist. Jede Gemeinde hat andere Voraussetzungen und vor allem in den kleineren Gemeinden kann die Publikation von Zahlen zu Schwierigkeiten führen.“ Zumal es in der Pandemie sehr schnell geht, die Zahlen von heute sind morgen schon überholt. Wie etwa im Schifflinger Altersheim. Dort hatte es vor Weihnachten Probleme in einem Gebäudeflügel gegeben. Zwischen den Feiertagen wurden sämtliche Bewohner getestet, wobei kein positiver Befund herauskam. In der zweiten Januarwoche waren dann plötzlich 17 Bewohner und zehn Pfleger infiziert. Inzwischen sind alle geimpft. 

Zusammenarbeit funktioniert

Paul Weimerskirch betont, dass die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden funktioniere. „Paulette Lenert und ihre Leute machen einen guten Job. Auch sie mussten erst einmal ihre Erfahrungen mit der Pandemie machen.“ Das würde erklären, weshalb zu Beginn verpasst wurde, einen institutionellen Weg zur Einbindung der Gemeinden zu finden. Der Informationsfluss funktioniere seit langem aber gut, über eine spezielle Telefonnummer könne man als Gemeinde jederzeit die neuesten Informationen erhalten, so Weimerskirch. „Trotzdem wäre es für die Gemeinden sicherlich von großem Wert, in regelmäßigen Abständen Bulletins von den Behörden über die Corona-Lage im Land und vor allem in der eigenen Gemeinde zu bekommen.“ Selber kontaktiert werde man nämlich momentan nur, wenn die Zahlen besonders schlecht seien. Jedenfalls habe man durchaus auch Einflussmöglichkeiten. Nachdem die Situation in den Schulen bekannt wurde, hat zum Beispiel die Schifflinger Gemeinde darum gebeten, verstärkt im Large Scale Testing berücksichtigt zu werden, was dann auch geschah.  

Syvicol sieht Veröffentlichungen pro Gemeinde kritisch

Der Präsident des Gemeindesyndikats Syvicol steht der von Paul Weimerskirch angeregten Publikation der Coronazahlen pro Gemeinde kritisch gegenüber. „Das geht nicht wegen der kleinen Gemeinden. Die haben teilweise so geringe Einwohnerzahlen, dass bereits Fälle in zwei Familien zu falschen Aussagen führen“, so Emile Eicher (CSV) gegenüber dem Tageblatt, „allerdings verstehe ich Paul Weimerskirch auch ganz gut. Es ist immer schwierig, wenn man reagieren muss. Prinzipiell müssten die Gemeinden besser informiert werden.“ Eicher regt deshalb an, präventiver zu arbeiten. Anhand von Daten aus den Kläranlagen zu Beispiel könne man ein Frühwarnsystem für die Gemeinden erstellen. Dann wisse jeder, wo die Probleme sind.