Alain spannt den Bogen„Rising Stars“-Reihe bringt hervorragende Interpreten in tollen Programmkombinationen 

Alain spannt den Bogen / „Rising Stars“-Reihe bringt hervorragende Interpreten in tollen Programmkombinationen 
Die Aufführung mit dem „Orchestre philharmonique du Luxembourg“ unter Markus Stenz war trotz fehlender Akzente überzeugend Foto: Philharmonie/Alfonso Salgueiro

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 Editpress

In ihrer „Rising Stars“-Reihe präsentierte die Luxemburger Philharmonie in Zusammenarbeit mit der „European Concert Hall Organisation“ die junge Geigerin Diana Tishchenko, die bereits mehrere internationale Wettbewerbe gewonnen hat. Ehe sie ihre solistische Karriere eingeschlagen hat, ist die ukrainische Musikerin zuerst Geigerin, dann die jüngste Konzertmeisterin der „Gustav Mahler Youth Orchestra“ gewesen. Für dieses Konzert, das im großen Saal der Philharmonie stattfand und zu dem nur 100 Zuschauer zugelassen waren, hatte Diana Tishchenko die Fantasie für Violine und Klavier D 934 von Franz Schubert, das Auftragswerk A Box Of Darkness With A Bird In Its Heart for solo violin des portugiesischen Komponisten Vasco Mendonça (Jahrgang 1977) aus dem Jahre 2020 sowie die Sonate pour violon et piano von César Franck vorbereitet. Ihr Partner am Klavier war der ungarische Pianist Zoltan Fejervari, der erst vor kurzem eine fantastische CD mit Klavierwerken von Leos Janacek herausgebracht hat und ein hochtalentierter Ausnahmekünstler ist. Auch Diana Tishchenko war mit ihrer ersten CD Strangers in Paradise international angenehm aufgefallen, die sie zusammen mit Fejervari aufgenommen hatte.

Demnach ein perfekt eingespieltes Duo, was sich dann an diesem Konzertabend auch so bestätigte. Natürlich ist Schuberts Fantasie ein echtes Kammermusikwerk und auf einer großen Bühne fehl am Platz, aber Diana Tishchenko und Zoltan Fejervari kamen mit der Akustik relativ schnell sehr gut zurecht. Die recht musikantische Wiedergabe lebte vor allem von dem homogenen Spiel der beiden Musiker, die jeder für sich auf seinen Instrumenten mit makelloser Technik und einem feinen Gespür für Farben, filigrane Läufe und Stimmungen begeisterten. Die Interpretation war, im Gegensatz zu dem, was man in einem so großen Saal hätte annehmen können, erstaunlich intimistisch und zurückgenommen. Den Musikern kam es mehr auf eine geschmackvolle, sensible Ausleuchtung der Musik an als auf kraftvolles und allzu virtuoses Musizieren. Sehr subtil und klangschön, stilistisch perfekt und technisch brillant dann auch das folgende zeitgenössische Stück von Mendonça.

Gestalten von Emotionen

Diana Tishchenko zeigte auch hier, dass sie eine hochkarätige Violinistin ist, der es sehr viel auf Gestalten und Nachspüren von Emotionen geht. Bei A Box Of Darkness With A Bird In Its Heart stellte das Spiel der Solistin dann auch mehr Fragen, als es Antworten gab. Zudem hat Mendonça mit A Box ein düsteres, anspruchsvolles und wirkungsvolles Stück komponiert, das es dem Interpreten ermöglicht, eigene Visionen einzubringen. Weiter ging es mit der Franck-Sonate, ein Werk, mit dem der legendäre Dirigent Herbert von Karajan 1925 übrigens zum allerersten Mal öffentlich aufgetreten ist. Er spielte bei diesem Konzert im Salzburger Mozarteum den Klavierpart. Hochkarätig war dann auch die Interpretation der beiden jungen Musiker, die gekonnt eine sehr schöne und stimmige, aber nie zu blumige Interpretation wählten. Im Gegenteil, beide orientierten sich sehr klar an der Struktur des Werkes und boten eine in den Linien klare Lesart, die sowohl mit kühlen analytischen wie auch mit dynamischen und spielfreudigen Elementen auftrumpfen konnte. Das war ein in allen Punkten wirklich großartiger, nahezu perfekter Kammermusikabend. Auf den begeisterten Applaus des Publikums folgte mit Beau Soir von Claude Debussy eine stimmungsvolle Zugabe. Leider wurde der Konzertabend wieder einmal z.T. durch ein lang surrendes Handy und andere Publikumsgeräusche erheblich gestört.

Während sich Vasco Mendonças bei seiner Komposition A Box Of Darkness With A Bird In Its Heart von einem Gedicht des aus Kolumbien stammenden US-amerikanischen Autors Terrance Hayes inspirieren ließ, verarbeitet der australische Komponist Brett Dean in Carlo den Doppelmord des italienischen Prinzen und Komponisten Carlo Gesualdo an seiner Frau und ihrem Geliebten. Dazu benutzt Dean musikalisches Material aus dem 6. Madrigalbuch und ein Zitat aus der zweiten Nocturne der Tenebrae Responsoria. Carlo ist eigentlich eine musikalische Fantasie, die um die Gedanken Gesualdos kreist, ehe dieser den Mord begeht. Das Werk ist für Streichensemble und Sampler komponiert und fasziniert durch seine eindringliche Sprache, die sich immer wieder besonderer Effekte bedient.

Tolles Musikerlebnis

Die Aufführung mit dem „Orchestre philharmonique du Luxembourg“ unter Markus Stenz war überzeugend, auch wenn ich mir in der Interpretation ein wenig mehr Akzente und Schärfe gewünscht hätte. Als Einstieg in das Konzert dienten drei Auszüge aus Giovanni Gabrielis Sacrae symphoniae aus dem Jahre 1597, die somit zeitlich hervorragend zu Brett Deans Carlo passten. Diese Werke waren für Blechbläser komponiert und die Idee, Bläsergruppen bei dem Konzert auf zwei gegenüberliegende Türme zu verteilen, hatte einen klanglich guten Effekt, zumal die Musiker makellos intonierten und mit einem homogenen, schönen und runden Klang zu überzeugen wussten.

Nach dieser spannenden Entdeckungsreise durch zwei ungewohnte musikalische Welten wurde das Publikum mit einer ebenso dynamischen wie spielfreudigen Interpretation der Symphonie Nr. 104 von Joseph Haydn belohnt. Markus Stenz hatte sich für eine klassische und klanglich vollsymphonische Wiedergabe entschieden, die zwar nicht unbedingt dem heute gängigen Gusto entspricht, dafür aber sehr musikantisch und mitreißend daherkam. Hier vermischten sich historisch informierte Spritzigkeit mit der Eleganz Mozarts und der symphonischen Kraft Beethovens. Ein tolles Musikerlebnis und ein außergewöhnlicher, musikalisch hochinteressanter Konzertabend, bei dem die OPL-Musiker so richtig mitgingen.