Corona in den AlpenRingen um den Skiurlaub: Wintersportregionen  lehnen Italiens Ruf nach Lockdown ab

Corona in den Alpen / Ringen um den Skiurlaub: Wintersportregionen  lehnen Italiens Ruf nach Lockdown ab
Geschlossene Skipiste in Österreich Foto: AFP/Barbara Gindl

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stimmt in den aus Italien ertönenden Ruf nach einem europaweiten Skisport-Lockdown ein. Aus den Wintersportregionen hallt es dagegen: Es wird alles ganz sicher sein!

Derzeit ist in vielen wichtigen Urlaubsdestinationen an Skifahren ohnehin nicht zu denken. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird die Wintersportorte nicht vor dem 10. Januar öffnen. In Österreich werden zwar vielerorts trotz Total-Lockdowns schon die Schneekanonen angeworfen, doch auch nach dem 6. Dezember wird angesichts absehbar weiter hoher Infektionszahlen die Wirtschaft nur schrittweise wieder hochfahren (können). Mit 5.800 Neuinfektionen am Mittwoch ist zwar eine Trendwende erreicht, die Zahlen sind aber, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nach wie vor „dramatisch hoch“ – in Relation zur Bevölkerung dreimal so hoch wie in Deutschland.

Italiens Regierungschef Giuseppe Conte plant für die Weihnachtszeit eine Wintersport-Zwangspause, möchte das aber nur im europäischen Verbund tun – und rennt damit beim bayerischen Ministerpräsidenten offene Türen ein: Der deutsche Lockdown-Hardliner Markus Söder (CSU) empfände es als einen „Akt europäischer Solidarität“, würden alle Skigebiete zusperren. Und er hat dabei besonders Österreich im Auge, das Hauptzielgebiet deutscher Wintersportler. Es wäre besser, „wenn wir nicht nur in Deutschland sagen: keine Ski-Gebiete, kein Tourismus – sondern auch Österreich dazu bringen würden“, sagte Söder in der TV-Sendung „BILD-Live“, worauf die Bild-Zeitung gestern gleich „Ski-Schlacht zwischen Kurz und Söder“ titelte.

„Ski-Schlacht“

Ganz so kriegerisch geht es der österreichische Bundeskanzler allerdings nicht an. Sebastian Kurz (ÖVP) weicht der Frage nach einer Öffnung der Wintersportorte vorerst noch aus. Man werde versuchen, bei den Öffnungsschritten sinnvoll und gerecht zu entscheiden. Erst nächste Woche soll es Details über Lockerungen der seit Mitte November geltenden harten Lockdowns geben. Da aber in Österreich bis zu einem Viertel der Wirtschaftsleistung direkt oder indirekt am Tourismus hängen, ist klar, dass die Regierung ein Skiurlaubsverbot vermeiden möchte, wenn es irgendwie vertretbar ist.

Wenn die EU tatsächlich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann muss sie dafür auch bezahlen

Gernot Blümel, österreichischer Finanzminister

Kurz steht unter massivem Druck der Tourismuslobby, die schon im Frühjahr zu Beginn der Pandemie hinter den Kulissen erfolgreich für ein möglichst langes Hinauszögern der Sperren und damit auch für den „Fall Ischgl“ gesorgt hatte. Die Vorarlberger Landesräte Christian Gantner (Tourismus) und Marco Tittler (Wirtschaft), beides Parteifreunde von Kurz, bezeichneten die Lockdown-Rufe aus Italien und Bayern in einer gemeinsamen Erklärung als „die völlig falsche Botschaft“. Die steirische Seilbahn-Wirtschaft verwies auf die „umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen“. Gondeln würden regelmäßig desinfiziert, die Zahl der transportierten Personen werde limitiert und die Gäste bekämen zu den Tickets kostenlos Schlauchschals („Buffs“) als Masken.

Garantie unmöglich

Dass aber selbst höchste Sicherheitsvorkehrungen keine Garantie bieten, führt gerade der Österreichische Skiverband vor: Der Cheftrainer und zwei Top-Skispringer sind Corona-positiv, obwohl man beim ÖSV ganz besonders aufpasst. Was dem ÖSV in den eigenen Reihen nicht gelingt, kann den auf die Kooperationsbereitschaft ihrer Gäste angewiesenen Skitouristikern schon gar nicht gelingen. Da hilft es auch wenig, wenn die Österreicher Après-Ski schon gestrichen haben. Das Gedränge an Hotelbars, vor Skiliften und in Gondeln oder Einkaufsstraßen wird nicht zu vermeiden sein.

Doch nicht nur Kurz ist mit Widerstand konfrontiert. Conte geht es in Italien nicht besser. Auch dort laufen die Skiregionen Sturm. Die Präsidenten der norditalienischen Provinzen verweisen auf ausgearbeitete Maßnahmen und Vorschriften, die den Skiurlaub im Hinblick auf das Virus völlig gefahrlos machen sollen. Und vor allem verweist man darauf, dass eine Sperre in Italien nur zu einer Verlagerung des Tourismus in andere Länder führen würde. Sollte sich Rom für ein Skiurlaub-Verbot über die Weihnachtsfeiertage entschließen, sollte dies für ganz Europa gelten, so die Forderung aus den Ski-Regionen.

Und auch Markus Söder spürt Gegenwind aus der Tourismusbranche. „Dieser Wunsch gefällt uns natürlich nicht“, erklärte der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte und preist die im Sommer bewährten Hygienekonzepte an. Söders Koalitionspartner, die Freien Wähler (FW), gingen sofort auf Distanz. Thomas Bareiß (CDU) hatte als Tourismusbeauftragter der Bundesregierung zunächst noch gemeint, er sei „überzeugt, dass Skifahren in einem gewissen Umfang und unter klaren Kriterien ohne Probleme möglich ist“. Doch bei der Videoschalte der Länderchefs mit Kanzlerin Angela Merkel fand Söder gestern Abend Verbündete. Der Sender n-tv berichtete von einem Papier, wonach Deutschland sich auf europäischer Ebene für eine Aussetzung des Skitourismus bis zum 10. Januar einsetzen werde.

Europa muss zahlen

Regional oder national begrenzte Ski-Lockdowns sind wegen der kleinräumigen Konkurrenzsituation in den Alpen kaum vorstellbar. Tatsächlich liefe das Zusperren einer Region nur auf eine Verlagerung in andere Regionen hinaus, wo es dann erst recht zum Covid-förderlichen Gedränge käme. „Es darf nicht sein, dass in einigen EU-Ländern die Skipisten offen sind, während wir schließen müssen“, polterte etwa der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti.

Wenn es allerdings eine europäische Lösung – sprich: einen europaweites Skiurlaubsverbot – geben sollte, dann wissen die Skinationen auch schon, wohin sie die Rechnung schicken wollen: „Wenn die EU tatsächlich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro“, rechnet der österreichische Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vor. Wenn die EU das wirklich wolle, „dann muss sie dafür auch bezahlen“.