Der digitale ZahlendribblerÜber Arno Funcks Lebenswerk im Dienste des Luxemburger Fußballs

Der digitale Zahlendribbler / Über Arno Funcks Lebenswerk im Dienste des Luxemburger Fußballs
Arno Funck sitzt täglich bis zu sechs Stunden vor dem Computer – im Dienste seiner Leser Foto: Editpress/Alain Rischard

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Statistikfreunde dürften es schon seit 25 Jahren wissen: Bei Arno Funck findet man alle Zahlen, die etwas mit dem Luxemburger Fußball zu tun haben. Über den Menschen hinter der komplettesten „Oldschool“-Internetseite des Landes.

Arno Funck ist nicht nur ein Mann von Zahlen und Statistiken, sondern auch im Alltag ein durchstrukturierter Mensch. Am Dienstag gebührt seine Aufmerksamkeit traditionell den Reserven, den Damen, den Junioren und dem Futsal. Bis zu sechs Stunden am Tag sitzt der Rentner täglich vor seinem Rechner und aktualisiert Datenbanken auf www.fussball-lux.lu. Auf freiwilliger Basis versteht sich. Seit den ersten Pflichtspielen aus dem Jahre 1909 bis zu den Resultaten vom vergangenen Wochenende: Auf seiner Internetseite sind alle Ergebnisse der Luxemburger Fußballmeisterschaften zu finden. 

„Damals hatte ich 41 Jahre“, blickt der frühere Zollbeamte mit einem Lachen zurück an den Moment, als er erstmals mit seiner Website online ging. „Die Zeit verfliegt.“ Doch dank seiner akribischen Arbeit eines Vierteljahrhunderts bleibt diese der Nachwelt nicht nur erhalten – sondern seine Hände fassten peinlich genau zusammen, was sich in den vergangenen 115 Jahren auf den Luxemburger Fußballplätzen abspielte. Von den Ergebnissen aller Ligen bis runter zu den Cadets über die Aufstellungen aller Pokalfinals bis hin zu der Liste sämtlicher Fußballer, die in ihrer Karriere das Trikot der „Roten Löwen“ übergestreift haben: Funck hat aufgrund seiner Detailversessenheit wohl die kompletteste digitale Dokumentation des Landes aufgebaut.

Nicht vergleichbar mit der heutigen Zeit

Dabei war es die eigene Neugier, die ihn vor exakt 25 Jahren dazu trieb, die Recherche zu starten: „Ich bin ein Fußballverrückter. Doch zu dieser Zeit steckt das Internet noch in den Kinderschuhen. Ich habe kaum Informationen über den nationalen Spielbetrieb und die Geschichte gefunden.“ Zu den leichtesten Aufgaben gehörte ganz am Anfang, die Resultate vom Wochenende zu sammeln, um sie mitsamt der Tabellen in die Homepage einzufügen. „Man konnte einen Tag später zwar wohl alle Spielberichte im Tageblatt oder im Luxemburger Wort nachlesen, allerdings wollte ich das Ganze auch online verewigen. Es waren eben andere Zeiten – und nicht vergleichbar mit dem, was wir heute kennen, wo fast alles in Sekundenzeit im Internet steht.“

Die Schätze sind in der guten Stube des Hauses gelagert, inklusive des Buchs des 100-jährigen Bestehens der FLF
Die Schätze sind in der guten Stube des Hauses gelagert, inklusive des Buchs des 100-jährigen Bestehens der FLF Foto: Editpress/Alain Rischard

Die Idee hinter seinem Projekt war aber auch, die nationale Fußballgeschichte zu entdecken und digital festzuhalten. Der erste Ansprechpartner bei seinen Recherchen war die FLF, zudem gab es bei Bedarf Unterstützung von den beiden deutschsprachigen Zeitungen. „Zudem habe ich mir damals auch selbst die Programmiersprache beigebracht, ich hatte vorher nie etwas mit HTML am Hut. Es war eine Mordsarbeit“, sagt Funck heute.

Ich hatte fast Angst davor, die Bücher aus den Jahren 1910 anzufassen, denn sie drohten auseinander zu fallen

So kam es, dass Funck seine Freizeit Anfang der 2000er in den Archiven des Verbands verbrachte – und Einblicke in heilige Räume bekam, die sonst wohl nur den wenigsten geöffnet werden: „Ich hatte fast Angst davor, die Bücher aus den Jahren 1910 anzufassen, denn sie drohten auseinander zu fallen.“ Auf rund 25 Quadratmetern waren in den Büros (die sich damals noch in der Straßburger Straße befanden) neben wichtigen Dokumenten ebenfalls Fahnen und Trikots vergangener Jahre gestapelt. „Mich interessierten aber nur die Bücher, da ich die Zahlen für meine Datenbank brauchte. Einige Saisons waren nicht komplett zu Ende gespielt worden oder wurden wegen Streitigkeiten im Verband abgebrochen. Es war nicht so einfach, das alles herauszufinden.“

Erst werden Programme und Ergebnisse verglichen, dann links auf der eigenen Homepage eingefüllt: Die Reserven werden dienstags auf www.fussball-lux.lu aktualisiert
Erst werden Programme und Ergebnisse verglichen, dann links auf der eigenen Homepage eingefüllt: Die Reserven werden dienstags auf www.fussball-lux.lu aktualisiert Foto: Editpress/Alain Rischard

Selbst zehn Jahre nach dem „Launch“ am 1. Juli 1999 war die Suche nach einigen Resultaten noch nicht abgeschlossen: „Ich habe mir noch Jahre später Mikrofilme in den Archiven angesehen. Es war besonders schwierig, die Meisterschaften des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren.“ Doch auch das hat Funck geschafft: Selbst das Logo der „Gau-Liga Moselland Gruppe West“, die forcierten Umbenennungen (zum Beispiel wurde aus der Jeunesse die Schwarz-Weiss Esch/Alzig) und Tabellen dieser Jahre sind im Detail auf fussball-lux.lu verewigt. 

Für jeden, den es interessiert

Er weiß, dass er ein Lebenswerk erstellt hat: „Meine Seite ist für jeden gedacht, der sich für den Luxemburger Fußball interessiert. Das, was ich geschaffen habe, soll auch in Zukunft noch Bestand haben.“ Eben anders als die zahlreichen Vereine, die inzwischen aufgelöst wurden oder aufgrund von Fusionen nicht mehr bestehen. „Davon gibt es mehr als umgekehrt“, weiß Funck.

Er hat mich angerufen, um eine Antwort für den portugiesischen Verband vorzubereiten. Es ging darum, herauszufinden, ob Dan da Mota der erste FLF-Nationalspieler mit portugiesischen Wurzeln gewesen war. Wir sind die komplette Liste dann gemeinsam durchgegangen.

Bei der FLF ist man sich bewusst, welchen Mehrwert die Arbeit von Arno Funck bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte hat. „Ich würde nicht behaupten, dass ich täglich auf seiner Internetseite unterwegs bin, aber regelmäßig“, berichtet beispielsweise Verbandspräsident Paul Philipp. „Erst vergangene Woche gab es einen traurigen Grund, der mich veranlasst hat, vorbeizuschauen. Ich erinnerte mich zwar danach, dass Furio Cardoni für die Nationalmannschaft gespielt hatte, aber ich konnte nicht einschätzen, ob es jetzt ein- oder zehnmal gewesen war. Bei Arno Funck findet man solche Informationen innerhalb weniger Sekunden.“ 

Bibliothek auf bestimmte Zeit geplündert

Im vergangenen Jahr besuchte der 61-jährige deutsche Autor und Fußballliebhaber Hardy Gründe mehrere Luxemburger Fußballplätze und besichtigte u.a. das Monnericher Gelände. Hintergrund seiner Visite war die Recherche für ein 400-seitiges Werk, das im August unter dem Titel „Luxemburg – Geschichte einer Fußball-Liebe“ erscheint. Einen Besuch stattete er ebenfalls Arno Funck ab, dessen Bibliothek seither um die Hälfte ihrer Schätze erleichtert ist. Spätestens im Sommer, wenn das Buch auf dem Markt ist, dürfte das Regal dann wieder aufgefüllt werden.

Die gegenseitige Hilfestellung beruht seit Tag eins auf Gegenseitigkeit. „Die FLF hatte mir gleich alle Türen geöffnet.“ Über die Jahre wuchs der Respekt: „Ich habe ihm schon öfters zu verstehen gegeben, dass ich seine Arbeit sehr schätze“, fügte Philipp hinzu. Und selbst als ein Experte auf dem Gebiet der nationalen Fußballgeschichte war Funck manchmal die erste Anlaufstation, da dieser sowohl das offene Ohr als auch die nötigen Antworten parat hatte, wenn sein Fachwissen benötigt worden war: „Der Präsident hat mich einmal kontaktiert, um eine Antwort für den portugiesischen Verband vorzubereiten. Es ging darum, herauszufinden, ob Dan da Mota der erste FLF-Nationalspieler mit portugiesischen Wurzeln gewesen war. Wir sind die komplette Liste dann gemeinsam durchgegangen.“ Und siehe da: Er war tatsächlich der allererste.

Besondere Anfragen oder Rückmeldungen bilden eigentlich die Ausnahme. Erklärungen gibt es dafür mehrere: Einerseits ist die Seite übersichtlich, sodass statistisches Material leicht zu finden ist – aber vor allem ist sie so komplett, dass selbst Funck nicht wüsste, welche Kategorien er noch hinzufügen könnte: „Vor ein paar Jahren hat man mich allerdings darum gebeten, die Jugendmeisterschaften hinzuzufügen. Das habe ich gemacht.“ Robert Heinisch, ehemaliger Präsident des Betriebsfußballs, ging noch pragmatischer vor: Er hat Funck gleich sämtliche Tabellen vorbeigebracht – weshalb diese dann ebenfalls komplett digitalisiert wurden.

Einen Schönheitspreis muss ich damit ja nicht gewinnen – und ich wüsste auch gar nicht, wie das ginge …

Was sich über die Jahre nie verändert hat, ist die Optik der Seite. Eigentlich muss man sagen: Es macht den Charme des Ganzen aus. Funck nennt das grellgrüne Design („es soll den Rasen widerspiegeln“) mit gutem Gewissen „oldschool“ – denn „einen Schönheitspreis muss ich damit ja nicht gewinnen – und ich wüsste auch gar nicht, wie das ginge …“ Die Informatik-Tücken haben ihm schon einmal einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht, im wahrsten Sinne des Wortes: Vor zwei Jahren wurde sein automatisches Zähler-Kästchen von externer Seite überschrieben. Seither werden nicht mehr die Besucher der Website angezeigt, sondern ein Link, der zu einer kubanischen Reise-Agentur führt. „Ich denke, dass da Studenten am Werk waren, die etwas ausprobiert haben“, meint er achselzuckend. So endet die User-Zählung 2022 bei 750.000, unfreiwillig von einem Tag auf den nächsten. 

Selbst die UEFA hat mit Funck zusammengearbeitet

„Eigentlich ist es schade, dass sie damit aufgehört haben“: Die Rede ist von den Entscheidungsträgern der UEFA, die 2018, nach acht Jahren, den Druck ihres europäischen Jahrbuchs des Fußballs eingestellt haben. Auch Luxemburg war in diesen Büchern jedes Mal auf rund zehn Seiten vertreten – mal mehr, mal weniger erfolgreich: Die Statistiken, Zahlen, Aufstellungen der Pokalfinals, Einsatzzeiten der Nationalspieler und Ähnliches lieferte Arno Funck dem Dachverband in Nyon. 

Ebenfalls unauffindbar ist inzwischen das Tool, das ihm erlaubte, zu beobachten, welche Rubriken das größte Interesse erweckten. „Aber es waren meist die Informationen über die Nationalmannschaft und aktuelle Ergebnisse.“ Damit nicht auch noch andere Elemente seiner wertvollen Aufarbeitung verloren gehen, will Funck irgendwann einen geeigneten Nachfolger finden. „Solange ich dazu in der Lage bin, werde ich weitermachen. Vielleicht muss ich mich danach irgendwann an die Zeitungen oder die FLF wenden, damit die Arbeit fortgesetzt wird. Vielleicht entfallen dann die aktuellen Resultate … Aber es liegt mir am Herzen, dass der geschichtliche Aspekt erhalten bleibt.“ So weit ist es ohnehin noch nicht. 

Fan des BVB und der „Roten Löwen“

Um der Aktualität Woche für Woche folgen zu können, hat Funck das Interesse am Reisen verloren. Selbst die Besuche im Stadion wurden im Laufe der Jahre weniger. Mittlerweile ist das Büro, das den zentralen Platz im heimischen Wohnzimmer einnimmt, „alles, was ich brauche“. Im Hintergrund läuft von morgens bis abends Musik:  Rock, Blues, französisches – Hauptsache „keine Sauereien von Dingen, die draußen passieren. Davon will ich nichts mehr wissen.“ Rodange, Petingen, Käerjeng, Schouweiler, Ehleringen oder sein allererster Verein, Küntzig, gehörten früher jahrelang zu den Lieblingszielen am Sonntagnachmittag. Bevor der ehemalige Zollbeamte zur Armee ging, hütete er das Küntziger Tor. Sein Herz hatte er bereits mit sechs Jahren an Borussia Dortmund verloren.

Zwischen 2011 und 2018 gab Arno Funck sein statistisches Material an die UEFA weiter, die acht Jahre lang das „Jahrbuch des europäischen Fußballs“ herausgab
Zwischen 2011 und 2018 gab Arno Funck sein statistisches Material an die UEFA weiter, die acht Jahre lang das „Jahrbuch des europäischen Fußballs“ herausgab Foto: Editpress/Alain Rischard

Den gleichen Enthusiasmus löst heute aber nur noch ein anderes Team aus: die FLF-Auswahl. Wenn die „Roten Löwen“ spielen, bereitet Funck schon vor dem Anpfiff sämtliche Kästen vor. „Ich schaue mir nach Spielende aber immer noch die Interviews an, bevor ich mich hinter den Rechner setze.“ 

Anders als früher liest Funck heute am darauffolgenden Tag nicht mehr alle Tageszeitungen durch, um Zahlen, Schiedsrichterbesetzungen, Auswechslungen oder Zuschauerzahlen herauszufiltern. Bevor er seine Daten eintippt, vergleicht er die Angaben der FLF jetzt direkt auf dem Bildschirm und stellt sie anderen Internetseiten gegenüber, vorzugsweise bei den Kollegen von fupa.lu.

Der ganze Aufwand, den er seit Jahren betreibt, hat Funck nie einen Cent beschert. Stattdessen nutzt er seine Popularität, um Familienangehörigen und seinem Wein-Lieferanten etwas Werbefläche zur Verfügung zu stellen. Umsonst, versteht sich. An der uneigennützigen Einstellung des 65-Jährigen hat sich auch nach (fast) 25 Jahren nichts geändert. „Es ist nach wie vor eine Heidenarbeit, aber das macht mir Spaß.“ Und die Nachwelt dürfte das zu schätzen wissen. Oder um es mit den Worten von Paul Philipp zu sagen: „Man muss eingestehen, dass es sich eigentlich um eine trockene Angelegenheit handelt, die Seite Tag für Tag instand zu halten. Zudem stellt sich die Frage, ob sich damals jemand anderes gefunden hätte, der diesen Job hätte übernehmen wollen. Solche Leute gibt es nicht zuhauf. Es wäre nämlich immer schwerer geworden, alle Informationen zu bekommen, hätte es noch länger gedauert, bevor damit begonnen wurde … Ich kann nur sagen, dass es ein enormer Verdienst ist.“

An diesen Exemplaren hat Arno Funck mitgearbeitet
An diesen Exemplaren hat Arno Funck mitgearbeitet Foto: Editpress/Alain Rischard