Trikolore links, „Roude Léiw“ rechts?

Trikolore links, „Roude Léiw“ rechts?

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Der Staatsrat ist von der Idee, dass zukünftig der „Roude Léiw“ gleichberechtigt neben der rot-weiß-blauen Trikolore wehen soll, nicht begeistert. Zu viele praktische Probleme würden sich in diesem Zusammenhang stellen, kritisiert die Hohe Körperschaft in einem rezenten Gutachten.

Tom Wenandy

Dass der Staatsrat nicht viel davon hält, der Fahne mit dem Roten Löwen zumindest zum Teil die gleichen Rechte einzuräumen wie der aktuellen rot-weiß-blauen Nationalflagge, ist seit längerem bekannt. Bereits in ihrem Gutachten vom 8. April 2008 zu einem Gesetzesvorschlag des CSV-Abgeordneten Michel Wolter hatte die Hohe Körperschaft ihr diesbezügliches Missfallen zum Ausdruck gebracht und unmissverständlich auf die Überflüssigkeit der Fahnendiskussion hingewiesen.

Wolter hatte im Spätsommer 2006 eine Änderung des Gesetzes vom 23. Juni 1972 bezüglich der Nationalembleme angeregt. Konkret schlug Wolter eine Ablösung der rot-weiß-hellblauen Nationalflagge durch eine dem luxemburgischen Wappen nachempfundene Fahne mit dem „Roude Léiw“ auf blau-silber gestreiftem Hintergrund vor.

Wenig Gegenliebe

Für seinen Vorschlag führte der damalige christlich-soziale Fraktionspräsident unterschiedliche Gründe an. Einer davon war das hohe Verwechslungspotenzial der luxemburgischen Nationalflagge mit der niederländischen.
In politischen Kreisen stieß der Vorstoß von Wolter aber auf wenig Gegenliebe. „Das Großherzogtum hat weitaus andere, größere Probleme“, war die fast einhellige Meinung.

Es dauerte dann auch nicht lange, bis Befürworter und Gegner von Wolters Vorschlag die Öffentlichkeit mit Werbung, Unterschriftenaktionen und Umfragen mobilisierten. Auf die „Initiativ Roude Léiw“ (die in wenigen Wochen fast 30.000 Unterschriften für den Fahnenwechsel sammeln konnte) folgten u.a. die „Initiativ Rout-Wäiss-Blo“ und die „Initiativ Schwaarzt Rëndvéi“.
Die bis dahin in dieser Form nie da gewesene „Pro und Contra“-Diskussion in der Bevölkerung fand ihr vorläufiges Ende Anfang Juli 2007, als die Regierung einen Kompromissvorschlag unterbreitete. Diesem zufolge soll bei offiziellen Anlässen, bei Kultur- oder Sportereignissen der „Roude Léiw“ zukünftig gleichberechtigt neben der Trikolore benutzt werden dürfen. Im Ausland soll jedoch weiterhin ausschließlich „Rot-Weiß-Blau“ als nationale Fahne zählen.

Diese Entscheidung wollte die Regierung denn auch dazu nutzen, gleichzeitig die Flaggen von Armee und Polizei sowie die in der Luftfahrt benutzte Kokarde gesetzlich zu definieren. Bisher waren diese Symbole staatlicher Zugehörigkeit lediglich in einem großherzoglichen Reglement geregelt.
Kein Ereignis in der jüngeren Geschichte des Landes könne eine Änderung der nationalen Symbole rechtfertigen, hieß es in der Stellungnahme der Regierung. Auch polarisiere diese Frage die Gesellschaft sehr stark. Es sei daher unvorsichtig, eine derlei tief einschneidende Veränderung der nationalen Symbole vorzunehmen.
Nachdem der Staatsrat kein gutes Haar an dem Vorschlag von Michel Wolter gelassen hat (siehe oben), ergeht es dem Gesetzentwurf der Regierung nicht viel besser. Zwar hat die Hohe Körperschaft keine formellen, sprich keine juristischen Einwände gegen den vorliegenden Entwurf, doch lässt sie es sich nicht nehmen, in ihrem Gutachten erneut auf ihre bereits im Rahmen von Wolters Gesetzesvorschlag formulierten Bedenken und Kritiken hinzuweisen.

Zwar erkennt der Staatsrat an, dass die Regierung wohl versucht hat, eine Kompromisslösung zu finden („le projet de loi (…) ménage certes la chèvre et le chou…“), er ist gleichzeitig aber auch der Auffassung, dass auf diese Weise eine Situation voller Unsicherheiten in Bezug auf die praktische Ausführung herbeigeführt wird. In anderen Worten: Der Staatsrat vermisst genaue Regeln bezüglich der korrekten Anwendung beider Flaggen.

Lächerlichkeit

„Sollen die öffentlichen Autoritäten – Staatschef, Parlament, Regierung, Gemeinden – den Roten Löwen und die Tricolore gleichzeitig oder abwechselnd nutzen? Soll bei öffentlichen Anlässen die eine Fahne links und die andere rechts der Straße wehen? Müssen beide Flaggen immer in gleicher Zahl präsent sein?“, fragt der „Conseil dEtat“ in seinem Gutachten nicht ohne eine gewisse Ironie. Auch befürchtet der Staatsrat, dass wenn Staat, Gemeinden und Behörden jeweils eine bestimmte Fahne vorziehen und die zweite ausschließen, aus einem Symbol der gemeinsamen Identität sehr schnell ein Ausdruck von Unterschieden und Besonderheiten werden könnte.
Veranstaltungen, die als Ereignisse der nationalen Einheit gedacht sind, riskierten aufgrund eines fehlenden, präzisen Protokolls, zu auf das Flaggenthema beschränkten Veranstaltungen zu verkommen. Allerdings glaubt der Staatsrat, dass die Ausarbeitung eines normativen Textes in Bezug auf die Ausführungsbestimmungen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Der Staatsrat jedenfalls sieht, wie er in seinem Gutachten schreibt, keine Lösung, ohne dabei in die Lächerlichkeit abzurutschen.