Historisches und architektonisches Esch (75)„Place de l’Hôtel de ville“ und „place de la Résistance“

Historisches und architektonisches Esch (75) / „Place de l’Hôtel de ville“ und „place de la Résistance“
Der Platz in Richtung des „Musée national de la Résistance“. Fünf Wege, die die fünf Kontinente symbolisieren, laufen in der Mitte des Platzes zusammen. Künstlerisch geschnittene Hecken umgeben den zentralen Rasen. Im Hintergrund ist die „Centrale thermique“ der Arbed zu sehen, die 2017 abgerissen wurde. Foto: Christof Weber

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Die beiden großen öffentlichen Plätze der Stadt, verbunden durch die längste Einkaufsstraße Luxemburgs, bilden das Rückgrat von Esch. Die place de l’Hôtel de ville als Verwaltungszentrum mit dem Rathaus, der Justice de Paix und dem „Schlassgoart“ – die place de la Résistance als kultureller Pol, auch bekannt als Carré culturel – mit dem Théâtre municipal, dem Musée national de la Résistance, der Casa d’Italia, dem Ariston, Espace Lavandier und dem Conservatoire de musique.

Um 1840 wurde das Zentrum des Dorfes durch die alte Kirche Saint-Jean (1887 abgerissen), den angrenzenden Friedhof und den Platz unter den Linden, auf dem die Märkte stattfanden, definiert. Mit dem Bau der Eisenbahn und des Bahnhofs (1860) wurde das Ortszentrum zunächst durch die Errichtung des Rathauses mit Friedensgericht und Gendarmerie auf dem Gelände des ehemaligen Presbyteriums (Standort des heutigen Rathauses) verschoben.

Der nächste Schritt bestand in der Sanierung und Bebauung des angrenzenden Platzes, der bis dahin eher ein Sumpf und ein Materialdepot gewesen war. 1869 beschloss der Stadtrat folgende Regelung: „In Anbetracht der Tatsache, dass es den Einwohnern von Esch bis jetzt erlaubt war, auf dem freien Platz zwischen der Alzette und dem Rathaus Bauschutt, Äste abzulegen und Dungplätze zu schaffen, was nicht mehr geschehen darf, da beabsichtigt ist, diesen Platz als Kirmesplatz zu reservieren und ihn als öffentlichen Platz zu nutzen.“ Die Überdeckung der Alzette erfolgte in mehreren Etappen, beginnend entlang des Platzes, wodurch dieser erheblich vergrößert wurde und Esch die Möglichkeit bekam, in Richtung Bahnhof ein neues Stadtviertel zu entwickeln.

Die Ostseite des Platzes wird besonders durch die reich verzierte Fassade der Maison Sichel geprägt, die in zwei Etappen im Abstand von 15 Jahren (1909 und 1923) errichtet wurde und das Pendant zum 1935 vom Stadtarchitekten Isidore Engler entworfenen Rathaus darstellt. Der Bau des neuen Friedensgerichts im Jahr 2009 stellte die Einheit des in den 1960er Jahren durch den Bau des Boulevard Berwart zerrissenen Stadtgefüges wieder her, einer Straße, die ohne Berücksichtigung der städtebaulichen Aspekte geplant worden war.

Der Platz wurde bis 2004 als Parkplatz genutzt, als ein internationaler Wettbewerb für seine Neugestaltung ausgeschrieben und von Christian Bauer und Peter Latz gewonnen wurde. Die Architekten schufen einen steinernen, multifunktionalen Platz über einer Tiefgarage mit rund 250 Parkplätzen. Die gesamte Fläche ist mit Granit gepflastert, mit Ausnahme der Busspur und eines Pflasterstreifens entlang der Fassaden.

Eine große Treppe samt Absatz überblickt den Platz wie eine Theaterbühne: Das einheitliche beige (Kalkstein) und graue (Schiefer) Pflaster suggeriert eine größere Dimension und unterstreicht die Wirkung des umgebenden historischen Erbes. Vier gusseiserne Platten in der Mitte des Platzes symbolisieren die Geschichte und den Reichtum, den die Stadt der Eisen- und Stahlindustrie verdankt. Ein Brunnen, der an den unterirdischen Flusslauf der Alzette erinnert, schließt die Ostseite des Platzes ab.

In Anlehnung an den Fluchtlinienplan von Wirtz/Kratznick definierte der Architekt Paul Flesch um 1910 die städtebauliche Planung des Stadtteils Brill mit der rue de l’Alzette als breite Arterie ab der Kreuzung mit der heutigen rue de la Libération, den senkrecht und parallel dazu verlaufenden Straßen und dem großen Platz, der place du Brill hieß (Brill ist ein sumpfiges Gebiet).

1911 wurde das erste Gebäude der Brill-Grundschule eingeweiht. 1921 öffnete das Kino Nouveautés-Palace an der Stelle des heutigen Stadttheaters, das 1962 eröffnet wurde, seine Pforten. Die Westseite des Platzes wird von einer homogenen Reihe dreigeschossiger neoklassizistischer Häuser mit Dachgeschoss gebildet, in die 1938 ein neues Kino, das Rex mit seiner Art-déco-Fassade, integriert wurde.

1956 wurde das Musée national de la Résistance eingeweiht, flankiert von zwei Flügeln, in denen das Friedensgericht und das Arbeitsamt untergebracht waren und die durch eine Kolonnade verbunden sind, welche das Totendenkmal beherbergt. Dieses architektonische Ensemble prägte von nun an den Platz, der ab 1987 place de la Résistance heißt. Das Resistenzmuseum befindet sich derzeit im Umbau und soll 2022 seine Türen wieder öffnen.

Anlässlich ihres hundertjährigen Bestehens im Jahr 2006 wollte die Stadt ihrer Bevölkerung ein Projekt zur Neugestaltung des Platzes durch den Wiener Künstler André Heller anbieten: ein geschlossener Garten (Hortus conclusus), umgeben von großen grünen Arkaden, die in zwei überdimensionalen, einander gegenüberstehenden Pflanzenfiguren mit goldenen Masken gipfeln. Aus ihren Mündern sprudelt ein Wasserstrahl hervor. Dieses Projekt war heftig umstritten und wurde schließlich 2007 von einer Mehrheit der Escher Bevölkerung abgelehnt.

Im Jahr 2009 wurde ein internationaler Wettbewerb für die Neugestaltung der place de la Résistance und den Bau einer Tiefgarage für 500 Fahrzeuge ausgeschrieben. Das Siegerprojekt des Berliner Architekten Kamel Louafi sah den Platz als grüne Oase im dicht besiedelten Stadtteil Brill vor, als Gegenentwurf zum stark steinern geprägten Rathausplatz.

Zwei Platanenreihen östlich und westlich des Platzes und zwei mit lichtdurchlässigem Polykarbonat verkleidete Pavillons rahmen eine Rasenfläche ein, die von wellenförmigen Buxushecken umgeben ist. Skulpturale Bronzeelemente in Form der umgebenden Hecken markieren die Eingänge zu den fünf Wegen, die in der Mitte des Rasens zusammenlaufen. Sie symbolisieren die fünf Kontinente und erinnern so an die Multikulturalität des Viertels.

Steckbrief

Place de l’Hôtel de ville:
Auftraggeber: Stadt Esch/Alzette
Architekt: CBA Christian Bauer Architekten
Landschaftsarchitekt: Peter Latz, Kranzberg (D)
Place de la Résistance:
Auftraggeber: Stadt Esch/Alzette
Landschaftsarchitekt: Kamel Louafi, Berlin,
Architekten: Krebs-Kunkel, Berlin (Pavillons) 

Die Eingänge zu den Wegen sind durch Bronzeelemente markiert, die in ihrer Form den Hecken ähneln
Die Eingänge zu den Wegen sind durch Bronzeelemente markiert, die in ihrer Form den Hecken ähneln Foto: Christof Weber
Der zentrale Platz der Stadt wurde 2004 neugestaltet. Sein steinerner Charakter unterstreicht seine multifunktionale Nutzung für städtische Großveranstaltungen.
Der zentrale Platz der Stadt wurde 2004 neugestaltet. Sein steinerner Charakter unterstreicht seine multifunktionale Nutzung für städtische Großveranstaltungen. Foto: Christof Weber