Lothringen kämpft um seinen Flughafen

Lothringen kämpft um seinen Flughafen
(dpa)

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Richtig abgehoben hat der Flughafen Metz-Nancy-Lorraine (MNL) nie. Er hat den Anspruch, Aushängeschild für Lothringen zu werden, nie erfüllt. Jetzt setzt man auf Luxemburg.

Einen Flughafen zu haben war in den letzten 40 Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Anspruch jeder Region in Frankreich. Flughäfen waren eine Frage der Reputation. Lothringen leistete sich gleich drei kleine. In Metz hatte die Luftwaffenbasis Frescaty sich dem privaten Luftverkehr geöffnet, in Nancy gab es einen privaten Flughafen und auch die Vogesen leisteten sich ihre Start- und Landepiste. Ein zentraler Flughafen war seit 1963 im Gespräch zwischen den Handelskammern in Nancy und in Metz.

Dabei wurde damals schon nicht berücksichtigt, dass der Norden Lothringens mit der Metropole Metz zum Einzugsgebiet des Flughafens Luxemburg gehörte. Der Osten mit dem Industriegebiet rund um Forbach und Saargemünd gehörte zum Einzugsgebiet von Saarbrücken und die Vogesen sind nur eine Stunde vom Flughafen Mulhouse/Basel entfernt. Diese Flughafensituation zeigt die Situation Lothringens insgesamt. Es handelt sich nicht um eine einheitliche Region, sondern um ein Gebiet, das von seinen Rändern und Nachbarn jeweils stark beeinflusst wird. Es gibt keinen geografischen zentralen Punkt von Bedeutung in Lothringen.

Weniger Passagiere

Die Bürgermeister von Metz und Nancy focht das nicht an. Der Flughafen Metz-Nancy-Lorraine wurde gebaut. Der erste Flug fand 1991 nach Marseille statt. Richtig abgehoben hat der Flughafen eigentlich nie. Nach zehn Jahren gelang es ihm 350.000 Passagiere zu befördern, eine Zahl, die danach nie wieder überschritten wurde. Im Gegenteil, mit der Ankunft des TGV-Est stellte Air France die Flüge nach Paris, Nantes und Clermond-Ferrand ein. 2010 gab es gerade noch 250.000 Passagiere, die von Metz-Nancy-Lorraine abflogen. Im vergangenen Jahr schließlich übergaben die Handelskammern in Metz und in Nancy die Geschäftsführung für den Flughafen an die Region Lothringen. Die wechselte als erstes den in der Fachwelt anerkannten Geschäftsführer gegen die Presseprecherin des Präsidenten der Region aus. Die Begründung: Der Flughafen brauche Marketing.

Was macht man mit einem Flughafen, der im Grunde keine Bedeutung hat und von Anfang an von der Politik auch sabotiert wurde? Die Region Lothringen will ihn zu neuem Leben erwecken, beschlossen die Region und der Wirtschafts- und Sozialrat. Letzterer debattierte Ende vergangener Woche Ende vergangener Woche zwei Stunden lang über die Zukunft seines Provinz-Flughafens. Das Ergebnis: Man wolle den Tourismus entwickeln, man wolle den Passagierverkehr entwickeln, und man wolle die Fracht entwickeln. Dabei suche man, so heißt es in einem 87 Seiten starken Dokument, eine „geteiltes Wachstum“ durch Kooperation mit einem Partner, sprich Luxemburg. So etwas ist nicht neu: Es gibt für einen Flughafen nur diese Entwicklungsmöglichkeiten.

Unglückliche Beziehung

Der Flughafen Metz Nancy Lorraine verzeichnet 42 Prozent seiner Passagiere nach Lyon, 21 Prozent nach Algier und 19 Prozent nach Nizza. Im Jahre 2011 wurden 260.000 Passagiere abgefertigt. Air France – zukünftig mit seiner Low Cost Gesellschaft HOP – sichert 64 Prozent der Flüge, Air Algerie 24 Prozent und Twin Jet 12 Prozent.

Die Beziehungen des lothringischen Flughafens zu Luxemburg waren von Beginn an nicht glücklich. Luxair hatte aus gutem Willen heraus einen London Flug in Lothringen unterbrochen, was wirtschaftlich wenig Sinn machte. Die lothringischen Tourismus Veranstalter schlossen sich zu einem Arbeitskreis zusammen und „vergaßen“ dabei, Luxair mit einzuladen. Luxair stellte seine Aktionen auf dem lothringischen Flughafen ein.

Ein Geburtsfehler

Innerhalb Lothringens wird der Flughafen boykottiert. Nancy hat seinen Flughafen nie wirklich aufgegeben. Und Epinal hat Kontakte nach Indien entwickelt. Indische Investoren interessieren sich für den Vogesen Flughafen, der mit einer Fahrzeit von einer Stunde und 20 Minuten gleich weit von Mulhouse und von Metz-Nancy-Lorraine entfernt liegt. Die Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialrates geht davon aus, dass der Flughafen im Großraum Metz/Nancy ein Einzugsgebiet von 232.000 Menschen hat, in Lothringen insgesamt 2,3 Millionen. Allerdings sind das nur die jeweiligen Einwohnerzahlen, die nicht mit Passagierzahlen gleichgesetzt werden können. Die 350.000 Passagiere, die der Flugzahlen im Maximum abfertigte, dürften auch für die Zukunft eine Maximalzahl sein.

Der lothringische Flughafen hat einen schwerwiegenden Geburtsfehler. Es ist bei der Trassierung der Strecke TGV Est nicht gelungen, Flughafen und Eisenbahn miteinander zu verbinden. Der lothringische TGV Bahnhof ist gut einen Kilometer vom Flughafen entfernt. Die Möglichkeit, Eisenbahn und Flugzeug miteinander zu verbinden, wurde verpasst.

Protest und Jobverlust

Die Fracht schließlich als eine der Lebensstützen des Flughafens war schon von dem früheren Präsidenten des Regionalrates, Gérard Longuet entdeckt worden. DHL hatte mit seiner Hilfe einen Stützpunkt für den französischen Osten und den deutschen Südwesten in Metz-Nancy Lorraine eingerichtet. Allerdings: Die Anwohner blockierten die Lastwagen aus Mannheim und demonstrierten gegen die Nachtflüge. DHL gab auf. 120 Arbeitsplätze gingen verloren.

Heute denkt Lothringen wieder an Expressfracht, aber auch Fracht aus China und soll mit Luxemburg dazu verhandeln. Nicht umsonst aber sagt Patrick Abate in der Diskussion zum Flughafen, dass das nicht nur dazu führen könne, dass man die Nachtflüge für Luxemburg übernehmen würde. Abate ist Vizepräsident der Region Lothringen, zuständig für die Infrastruktur.

Millionen Investitionen

Der Flughafen Metz-Nancy-Lorraine beschäftigt heutzutage 200 Personen. Im Umfeld haben sich Unternehmen niedergelassen, die weitere 800 Personen beschäftigen. In Lothringen gibt es über 150.000 Arbeitslose. Lothringen kämpft daher um jeden Arbeitsplatz und natürlicherweise um den Flughafen. Der Regionalrat beteiligt sich laut Gutachten mit 7,6 Millionen an nötigen Investitionen und mit jährlichen Subventionen von über einer Millionen Euro damit die Parkplätze kostenlos sind. In Lothringen wird es auf Dauer einen Flughafen geben, der ohne massive öffentliche Finanzhilfe nicht überlebensfähig sein wird.