„Die Kultur wandelt sich“

„Die Kultur wandelt sich“
(Reuters)

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In Europa geht die Kaufkraft zurück. Die USA haben sich inzwischen zu einem Luxus-Schwellenland entwickeln. Dior & Co entdecken das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" neu.

Satte 600 Dollar für ein Paar Freizeitschuhe würden die meisten Männer wohl nicht unbedingt auf den Tisch legen. Auch dann nicht, wenn die begehrten Sneaker vom Edelmodehaus Dior stammen. Doch US-Kunden wie der 30-Jährige, der gerade im New Yorker Nobel-Kaufhaus Saks stöbert, gönnen sich inzwischen öfter mal solche Einkäufe. „Die Kultur wandelt sich“, sagt er. „Männer werden modebewusster.“ In den USA geht es mit Wirtschaft und Aktienmarkt bergauf, den wohlhabenden Amerikanern sitzt das Geld inzwischen wieder lockerer in der Tasche.

Mit der Finanzkrise 2008 waren die Umsätze im Geschäft mit Luxusgütern in der weltgrößten Volkswirtschaft eingebrochen. Doch langsam kehren Zuversicht und Kauflust zurück. Im vergangenen Jahr erreichte das Edel-Business bereits wieder Vorkrisen-Niveau. Erstmals seit Jahrzehnten erzielten zudem der Branchenprimus LVMH mit Marken wie Dior und Louis Vuitton sowie die Puma-Mutter PPR mit Gucci in den USA höhere Wachstumsraten als in China, das lange als Eldorado der Branche galt. Experten rechnen mit einer Fortsetzung des Trends.

Neue Läden spriessen aus dem Boden

Auch ein wachsender Zufluss kaufkräftiger Touristen lässt die Branche hoffen. Bisher haben solche Reisende beispielsweise aus China oft noch die hohen Visa-Anforderungen in den USA gescheut und sind nach Frankreich oder Italien geflogen. Doch die Regierung in Washington will die Visa-Prozedur vereinfachen, was dem Handelsministerium zufolge deutlich mehr Touristen nicht nur aus China, sondern auch Brasilien in die USA bringen dürfte – und damit zahlungsstarke Kunden für Prada, Hermes, Burberry und nicht zuletzt den deutschen Boss -Konzern. Sie alle bringen sich längst für den neuen Ansturm auf ihre Schuhe, Tücher, Mäntel und Anzüge in Stellung. Sie eröffnen neue Geschäfte, vergrößern Filialen und geben mehr für Werbung aus. Auch LVMH und PPR expandieren in den USA, während sie in China auf die Bremse treten.

„Die USA haben ein viel größeres Potenzial als die Leute denken“, sagt der Leiter des Hermes-Geschäfts in den USA, Robert Chavez. Zu sehr habe man sich in der Vergangenheit auf die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China konzentriert. Auch im eigenen Haus wurde das US-Geschäft massiv aufgewertet. Vor fünf Jahren machte der US-Umsatz des mit seinen Halstüchern bekanntgewordenen französischen Konzerns noch zehn Prozent des Gesamtgeschäfts aus, inzwischen sind es 15 Prozent. Zum Vergleich: China, Hongkong, Taiwan und Macao kommen zusammen auf 20 Prozent.

„Gutverdiener, aber noch nicht reich“

Im Visier hat Hermes vor allem amerikanische Männer, die zu der Verschiebung des internationalen Umsatzverhältnisse nicht unwesentlich beigetragen haben dürften. Seit zwei Jahren zögen die Geschäfte mit Herrenbekleidung deutlich an, sagt Ch?vez. Vor drei Jahren hatte Hermes einen reinen Herrenausstatter auf der New Yorker Madison Avenue eröffnet. Dort gehen Ch?vez zufolge nicht nur Krawatten und Schuhe gut, sondern auch maßgeschneiderte Kaschmir-Dreiteiler für 8000 Dollar.

Mehr modebewusste Männer, mehr Geld, mehr Touristen – diese Faktoren lassen die Luxusindustrie in den USA hoffen und in neue Geschäfte investieren. Ein Drittel ihres US-Umsatzes macht die Branche derzeit noch in New York. Doch nun hat sie es auch auf Kunden in anderen Städten abgesehen, wo sie die gut verdienenden, aber noch nicht richtig reichen Amerikaner vermutet. Im Branchenkauderwelsch sind diese neuen Zielkunden unter dem Kürzel „HENRYs“ (high-earning, not rich yet) bekannt. Marketing-Expertin Pam Danziger geht davon aus, dass es rund 24,2 Millionen Haushalte mit solchen HENRYs gibt, die jährlich zwischen 100.000 und 249.000 Dollar nach Hause bringen.

Um diese zu erreichen, will Hermes in dem bei vielen Finanzmanagern als Wohnort beliebten Greenwich in Connecticut starten. Auch in Los Angeles, Miami, Houston, Dallas und Boston wollen die Franzosen in den kommenden zwei Jahren Geschäfte eröffnen. Ähnliche Pläne auch für Städte wie Dallas und Chicago hegen die Marken im Haus PPR. Insgesamt ist Experten zufolge in den USA in Sachen Edel-Shopping noch Luft nach oben: „Die USA sind ein Schwellenland, wenn es um Luxus geht“, sagt Jean-Mark ,Bellaiche von der Boston Consulting Group.