„Nicht Griechen und Iren, sondern Banken werden gerettet“

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Der Euro, die Neuregelung des Stabilitätspaktes und die Irland-Krise standen im Europaparlament am Mittwoch im Mittelpunkt einer Debatte über das letzte Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs im Oktober.

Guy Kemp, Straßburg

Eigentlich könnte die Debatte auch als eine Vorbereitung auf den kommenden Gipfel in drei Wochen betrachtet werden. Denn das Besprochene wird bis dahin weiterhin auf der Tagesordnung bleiben.

Der Rat, das heißt die EU-Mitgliedstaaten, stand am Mittwoch wieder im Visier der EP-Abgeordnete, egal welcher politischen Couleur. Versäumnisse werden den EU-Staaten vorgeworfen, mangelnder Wille zur Zusammenarbeit, Zögerlichkeit, falsche Einschätzung der Lage, national-egoistische Reflexe und anderes mehr. Wie etwa der Umstand, dass nicht klar und deutlich gesagt werde, wer oder was denn nun in Irland gerettet werden muss.

Darauf wiesen diese Woche und insbesondere bei der Debatte die Grünen hin. So forderte die Kovorsitzende der Fraktion der Grünen, Rebecca Harms, eine „ehrliche politische Erklärung, dass wir nicht Griechen und Iren retten, sondern Banken.“ Was sich in Irland abspiele sei ein „deutscher und britischer Notfall“. Womit Harms darauf hinweist, dass vor allem deutsche und britische Banken Milliarden Euro verlieren würden, wenn die irischen Banken Konkurs anmelden müssten.

Es wurde bereits vergangene Woche während der Diskussionen um einen Rettungsplan für Irland deutlich, dass der irische Staat das Geld eigentlich nur brauche, um sein Bankensystem zu retten. Und dass London sich mit Milliarden an dem Rettungspaket für den Nachbarn beteiligt, erfolgt aus purem Eigeninteresse. Denn bislang hatten die Briten es abgelehnt, sich am Krisenmechanismus der EU zu beteiligen.

Bankrott-Erklärung für Deregulierung und Neoliberalismus

Der irische Fall würde jedoch noch weiteres zeigen, erklärte der andere Vorsitzende der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, zu Beginn der Sitzungswoche.
„Les Irlandais nous ont cassé les pieds“, so der Grünen-Politiker, indem sie sich mit ihrer Deregulierungspolitik, ihren niedrigen Steuern und Wachstumszahlen lange als die nachahmenswerte Wirtschaft Europas hinstellten. Insofern sei das, was sich in Irland zutrage, auch eine Bankrotterklärung für die Deregulierung und den Neoliberalismus.

Hätte die EU zu Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 ein Rettungsplan für Banken aufgelegt, wäre das Problem mit Irland nicht aufgetreten, erklärte Guy Verhofstadt. Damals hätten die EU-Staaten es jedoch abgelehnt, einen solchen Plan aufzustellen, ärgerte sich der Vorsitzende der Liberalen.

Europäischer Rat geht nicht weit genug

Und auch jetzt würde der Europäische Rat nicht weit genug gehen und automatische Sanktionen vorsehen, wenn die Defizitgrenzen nicht eingehalten werden. Zudem brauche die EU einen gemeinsamen Anleihenmarkt, so Verhofstadt weiter. 16 nationale Anleihenmärkte könnten den Euro im Bedarfsfalle nicht stützen.

Joseph Daul seinerseits will vermeiden, dass Irland jetzt an den Pranger gestellt wird. Doch auch ihm gehen die Entscheidungen des Europäischen Rates nicht weit genug. Der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei kritisierte das „mangelnde Bewusstsein“ bei den 27, die Dinge gemeinsam anzugehen. Ähnlich äußerte sich auch Rebecca Harms, als sie meinte, dass der Rat nicht in der Lage sei, dafür zu sorgen, dass „ein positiver Funke vom Gipfel in die Gesellschaften in Europa überspringt“. Es fehle der „proeuropäische Geist“.

Deal zwischen Großbritannien und Deutschland/Frankreich

Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz, vermutet, dass im französischen Badeort Deauville ein Handel zwischen Großbritannien einerseits und Frankreich und Deutschland andererseits zustande kam. London sollte einer Vertragsveränderung zustimmen, dafür würden Berlin und Paris dem britischen Premierminister David Cameron bei seinen Forderungen zum EU-Haushalt entgegenkommen, mutmaßt Schulz und kommt zum Schluss: „Die Reform des Stabilitätspaktes wird damit von einem Land abhängig gemacht, das dem Euro gar nicht angehört.“

Der deutsche EP-Abgeordnete warf zudem die Frage auf, wie die irischen Banken überhaupt den Stresstest überstehen konnten. Zudem forderte Schulz die Einführung einer Transaktionssteuer, wenn nötig vorerst nur in der Eurozone. Damit könnten dann die privaten Gläubiger an einem permanenten Krisenmechanismus beteiligt werden.