Schmerbäuchlein als Konzept?

Schmerbäuchlein als Konzept?

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In ganz Europa wird bei knappen Haushalten an der Kultur gespart. In Italien beschloss die Regierung Berlusconi, 232 wichtige Kultureinrichtungen nicht mehr finanziell zu unterstützen. Anderes Beispiel: In Hamburg will der schwarz-grüne Senat ein Museum schließen sowie Bibliotheken und Theater beschneiden. Auch in Luxemburg ist die Kultur eines von sechs Ressorts, denen im Entwurf des...

Janina Strötgen
jstroetgen@tageblatt.lu

Doch das Ausmaß der Kürzungen ist hier bei weitem nicht so drastisch wie in anderen europäischen Ländern. Knapp fünf Millionen Euro weniger stehen dem Kulturministerium für 2011 zur Verfügung: statt 118.021.270 noch 113.146.030 Euro. Dies ist immer noch viel Geld, mit dem eine zukunftsorientierte Kulturförderung eigentlich möglich sein sollte. Und wenn gespart werden muss, so kann man natürlich verstehen, dass auch die Kultur ihren Teil dazu beitragen soll.

Das Problem ist nur, dass nicht wirklich klar ist, nach welchem kulturpolitischen Konzept die fünf Millionen Euro weniger ausgegeben werden sollen. Die Auswahlkriterien, nach welchen die Mittel für kulturelle Institutionen oder Projekte nun gekürzt werden, bleiben unklar. Einen grundlegenden nationalen Kulturentwicklungsplan, der in Zeiten von gekürzten Kulturhaushalten besonders wichtig wäre, gibt es weiterhin nicht.

Zukunftsorientierte Sparpolitik?

Das Land muss also sparen – aber wo? Anscheinend bei den Rotunden. Die Renovierungsarbeiten für die Heimstätte des kulturellen Kinder- und Jugendprogramms, „Traffo/Exit07“, sind bis 2014 auf Eis gelegt – das Jahr, in dem der Umzug vom Paul-Wurth-Gebäude in Hollerich in die Bonneweger Rotunden eigentlich hätte stattfinden sollen. Zukunftsorientierte Sparpolitik? Robert Garcia und seinem Team, die gezeigt haben, dass die „CarréRotondes“ einem zukunftsorientierten Konzept folgen, werden nun die Perspektiven genommen. Es stimmt, für die Verteilung des Geldes aus dem „Fonds d’investissements publics administratifs“ ist nicht das Kulturministerium, sondern das Bautenministerium zuständig. Dennoch kann es nicht angehen, dass bloß Kompetenzen hin- und hergeschoben werden, anstatt einem nationalen kulturpolitischen Konzept zu folgen.

Ein Kulturentwicklungsplan würde, besonders in Krisenzeiten, vor allem auch auf eine Vernetzung von Kultureinrichtungen und Jugendarbeit setzen. Kulturelle Daseinsvorsorge und Bildung sind in Zeiten von Globalisierung und multiplen Identitäten besonders wichtig: Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Was wir brauchen, sind junge Menschen, die den immer unüberschaubarer werdenden Entwicklungen in einer globalisierten Welt offen begegnen können. Dazu braucht es vor allem Kreativität, Bereitschaft zur Solidarität und Mut. Drei Eigenschaften, die nicht durch reine Eventkultur oder gar das Fernsehen, sondern durch partizipative kulturelle Projekte gefördert werden. Aufgabe der Politik wäre es, Menschen mit zukunfts- und bildungsorientierten Konzepten den Rücken zu stärken und geeignete Einrichtungen nicht nur zu versprechen. Doch die Politik scheint in allen europäischen Ländern der Eventkultur gegenüber soziokulturellen Projekten den Vorzug zu geben.

Der Philosoph Guy Debord hat in seinem Klassiker „La Société du spectacle“ das Wesen der Eventkultur auf den Punkt gebracht: Sie vergleichgültigt und kommerzialisiert die überlieferte Kultur, damit der Eventbetrieb anschließend umso besser konsumiert werden kann. Eventkultur begründet eine Gesellschaft, die das Oberflächliche feiert und sich in den Medien selbst betrachtet und bewundert. Da fallen einem unwillkürlich die Bilder auf rtl.lu und in der Revue vom Empfang am 9. Oktober in Schanghai ein. Ein tolles Event: Ein paar hundert Luxemburger, unter ihnen viele Politiker aller Parteien und Staatsbeamte jeglicher Ministerien, grinsen mit fröhlich geröteten Gesichtern in die Kamera.

Darf man fragen, was der Luxustrip nach China den Staat denn eigentlich gekostet hat? Besser nicht! Besser sparen wir bei den Einrichtungen für die Förderung junger Kunst und Kultur. „Auf dass“, wie ein Freund dazu bemerkte, „die junge Luxemburger Generation ihre verbeamteten Schmerbäuchlein in Zukunft genauso gekonnt und unbedarft in die Kameras halten kann!“