Rekordverdächtig

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(AP)

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Der Countdown läuft, heute in sechs Monaten werden die 30. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit eröffnet.

Dabei geht es im Vorfeld wesentlich ruhiger zu als vor vier Jahren. Damals wurde der Sport zum politischen Spielball, als Aktivisten die westliche Hypokrisie im Umgang mit China anprangerten. An den Menschenrechtsverletzungen im Riesenreich hat das freilich nichts geändert, und von den Protagonisten des Protests hört man heute auch nicht mehr viel.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt)

London richtet zum dritten Mal Olympische Spiele aus und steigt somit zum alleinigen Rekordhalter auf. Dabei setzte die britische Metropole stets Maßstäbe. So waren die Wettbewerbe 1908 im Gegensatz zu den Chaosspielen von St. Louis (1904) und Paris (1900) kein lästiges Anhängsel zur Weltausstellung, sondern eine ernsthafte Sportveranstaltung.

Die Nachkriegsspiele 1948 waren indes die ersten, die im Fernsehen übertragen wurden und somit bahnbrechend für den heutigen Erfolg des größten Sportereignisses der Welt.
An den drei Spielen in London kann man die Erfolgsgeschichte Olympias dokumentieren. Während 1908 2.041 Sportler und Künstler aus 23 Nationen teilnahmen, waren es 40 Jahre spät schon doppelt so viele (4.104 Teilnehmer aus 59 Ländern). 2012 rechnet man mit ca. 10.500 Athleten aus über 200 Ländern.

Der Gigantismus Olympischer Spiele des 21. Jahrhunderts spiegelt sich am besten im Budget wider. Die Gesamtkosten der Spiele von London werden auf 9,3 Milliarden Pfund (ca. 11,3 Mrd. Euro) geschätzt, wobei die Kosten wie auch bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften stets integral vom Ausrichter getragen werden. In Großbritannien hofft man darauf, dass Olympia zur Erholung der angeschlagenen Wirtschaft beiträgt. Dass die Regierung gleichzeitig ein Sparpaket über 81 Milliarden Pfund für die nächsten fünf Jahre beschlossen hat, dürfte dieser Hoffnung allerdings keinen weiteren Nährboden bieten.

Immerhin aber haben Statistiker errechnet, dass durch den von den Olympischen Spielen ausgelösten Sportboom in den nächsten zehn Jahren zwei Milliarden Pfund an Krankenkassen-Ausgaben eingespart werden.

Explodiert sind derweil die Ausgaben für die Sicherheit. Waren ursprünglich rund 600 Millionen Pfund budgetiert, so ist diese Summe nach den Krawallen vom letzten Sommer auf eine Milliarde aufgestockt worden. Insgesamt 10.000 zivile Sicherheitskräfte und Polizisten sowie 13.000 Soldaten sollen die olympische Familie sowie die rund eine Million Olympiatouristen beschützen.

Letztere werden in London unter rekordverdächtigen Preisaufschlägen für Kost und Logis zu leiden haben. Englands ohnehin alles andere als billige Hauptstadt ist momentan einem unglaublichen Mietwucher ausgeliefert.

Barthel-Jubiläumsjahr

Und der Sport in alldem?
Durch die nationale Brille betrachtet wird Luxemburg mindestens so gut aufgestellt sein wie in Peking. Vier Athleten haben ihr Ticket bereits sicher, realistisch betrachtet dürften elf Sportler das Großherzogtum bei den 30. Sommerspielen repräsentieren. Das olympische Motto „Dabei sein ist alles“ zählt für sie nicht, vielmehr sind die Ambitionen groß.

Da passt ins Bild, dass sich am Vortag der Eröffnungsfeier Josy Barthels Goldlauf von Helsinki zum 60. Mal jährt. Gestorben ist Barthel 1992, also vor genau 20 Jahren. In Anbetracht dieser Jubiläen ist es durchaus Zeit für ein neues Stück Luxemburger Sportgeschichte. Sechs Monate bleiben, um davon zu träumen. Mehr als träumen ist allerdings nicht erlaubt. Der Countdown läuft.